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Sitzungsübersicht
Sitzung
Panel 1c: Refokussierung auf Nützlichkeit? Zur Frage didaktischer Anschlüsse an rekonstruktive Unterrichtsforschung
Zeit:
Mittwoch, 11.09.2024:
16:30 - 18:30

Chair der Sitzung: Daniel Goldmann
Ort: Schloss/Raum 211


Arbeitsgruppe

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Präsentationen

Refokussierung auf Nützlichkeit? Zur Frage didaktischer Anschlüsse an rekonstruktive Unterrichtsforschung

Chair(s): Daniel Goldmann (Universität Tübingen, Deutschland)

Diskutant*in(nen): Matthias Proske (Universität zu Köln), Ewald Terhart (Universität Münster)

In den letzten 20 Jahren sind zahlreiche Unterrichtstheorien ausgearbeitet und auf Basis von qualitativ-rekonstruktiver Unterrichtsforschung weiterentwickelt worden (vgl. Meseth et al., 2011). Viele einzelne Theorien wie auch der unterrichtstheoretische Diskurs insgesamt können inzwischen eine gewisse Konsolidierung für sich beanspruchen (vgl. Asbrand/Martens 2018; Proske/Rabenstein 2018). Dagegen ist der Diskurs der Allgemeinen Didaktik – ungeachtet „trotzig[er]“ (Rothland, 2013, S. 629) Gegenbehauptungen – in diesem Zeitraum zu einem weitgehenden Stillstand gekommen.

Die rekonstruktive Unterrichtsforschung kann dabei als ‚verwissenschaftlichter Nachfolger‘ der Allgemeinen Didaktik verstanden werden, deren Fokussierung auf praxisseitiger Nützlichkeit bzw. Verwertbarkeit bei der ‚Ablösung‘ weitgehend ausgeschlossen wurde. Es ist zwar in seltenen Einzelfällen der Anspruch formuliert worden, aus der rekonstruktiven Unterrichtsforschung eine „schultheoretisch reflektierte ‚empirische Didaktik‘“ (Kolbe et al., 2008, S. 126) zu motivieren. Anschlussfähige Impulse in Form einer solchen eigenständigen Didaktik oder über einen produktiven Austausch zwischen rekonstruktiver Unterrichtsforschung und Allgemeiner Didaktik sind bisher nicht erkennbar. Denn die Didaktik neigt dazu, in den Verhältnisbestimmungen zur empirischen Unterrichtsforschung „umstandslos [und zum Teil …] unbemerkt“ (Breidenstein, 2009, S. 202) empirische Unterrichtsforschung mit pädagogisch-psychologischer Lehr-Lern-Forschung gleichzusetzen und damit das Feld der rekonstruktiven Unterrichtsforschung gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Und die Seite der rekonstruktiven Unterrichtsforschung enthält sich entweder ebenso gänzlich einer Relationierung ihrer Forschung zu didaktischen Fragen oder sieht sich ausschließlich in der Rolle der desillusionierenden „Überbringerin schlechter Nachrichten“ (Flitner, 1991, S. 95), indem „das befremdende Potenzial [… gegenüber den …] programmatischen Überzeugungen“ (Breidenstein & Tyagunova, 2020, S. 199f) zur Aufklärung über (fach-)didaktische Simplifizierungen genutzt wird.

Zum einen verkennt dies jedoch, dass Simplifizierungen genau die notwendige entscheidungstheoretische Leistung der Didaktik zur Herstellung von praxisseitiger Nützlichkeit sind (vgl. Luhmann 1999). Zum anderen argumentiert der Impulsvortrag, dass die verstehensorientierte Form, mehr theoretisches Wissen zu generieren, ohne dass praktisch-nützliche Anschlüsse entstehen, der Aufgabe der Erziehungswissenschaft als „widerstreitende[r] Einheit von normativ-pädagogischer Reflexionstheorie und analytisch-deskriptiver Wissenschaft“ (vgl. Meseth 2011, S. 13) zuwiderläuft und in einen Bedeutungsverlusts in Bezug auf Stellen, Forschungsgelder und öffentliche Diskurse mündet bzw. darüber empirisch beobachtbar wird.

Für eine solche Übersetzung wird zum einen mithilfe der systemtheoretischen Unterscheidung von Sozial- und Entscheidungstheorien (Luhmann 1999) und der Differenzierung unterschiedlicher Lösungen des Theorie-Praxis-Problems (Radtke 2004) ein theoretischer Rahmen entworfen, der Bemühungen zur Herstellung von Nützlichkeit rekonstruktiver Unterrichtsforschung Begrifflichkeiten und Konzepte zur Verfügung stellt. Darüber hinaus wird mit dem Entwurf einer postheroischen Didaktik ein Ansatz in Grundzügen vorgestellt, der beansprucht, komplexer an aktuelle Unterrichtstheorie anzuschließen. Konkret versucht der Ansatz, Didaktik nicht vom didaktischen Dreieck und damit von der ausschließlich „dyadische[n] Beziehung von Lehrer und [dem einzelnen, DG] Schüler“ (Herzog 2002, S. 393) aus zu denken, sondern die Schulklasse als eigenlogische Entität zum konstitutiven Ausgangspunkt didaktischer Überlegungen zu machen. So sieht diese Perspektive in der Anwesenheit einer Vielzahl von Lerner*innen anstelle eines Nachteils ein spezifisches Lernpotenzial – die Anwesenheit von einer Vielzahl von Anders-/Falsch-Verstehen –, das im Besonderen dann gehoben werden kann, wenn unter den Schüler*innen ein Diskurs um das richtige Verstehen der Sache initiiert wird. Diese diskursiven Aushandlungen erhöhen über die eigenlogische Dynamik der interaktiven Aushandlung und die komplexere Kopplung an das Lernen der Schüler*innen – so die zentrale Annahme – die Adaptivität, Inklusion und damit die Wahrscheinlichkeit auf Lernen im Vergleich zu lehrergesteuerten Formen (vgl. Goldmann 2023, i.E.). An diesem Beispiel kann die Relationierung von Unterrichtstheorie bzw. -forschung und Allgemeiner Didaktik verdeutlicht und diskutiert werden.

Diese Überlegungen sollen im Anschluss an den Impulsvortrag (Daniel Goldmann) über Kommentierungen von Seiten einer rekonstruktiven Unterrichtsforschung (Matthias Proske, zugesagt) und einer nützlichkeitsorientierten Schulpädagogik (Ewald Terhart, zugesagt) ausführlich kritisch kommentiert werden, um so eine gemeinsame Diskussion um die Frage der (Re-)Fokussierung auf Nützlichkeit im Plenum anzubahnen.

 

Beiträge des Symposiums

 

Refokussierung auf Nützlichkeit? Zur Frage didaktischer Anschlüsse an rekonstruktive Unterrichtsforschung

Daniel Goldmann
Universität Tübingen, Deutschland



 
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