Veranstaltungsprogramm

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Sitzungsübersicht
Sitzung
Panel 8: Objekte der Migration: Bild – Ton – Textil
Zeit:
Donnerstag, 19.09.2024:
9:00 - 10:30

Moderator*in: Gerhild Perl, Universität Trier, Deutschland
Kommentator*in: Gerhild Perl, Universität Trier, Deutschland
Ort: Seminarraum 13


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Präsentationen

Bilder, die Position beziehen – Jovan Ritopečkis Fotografien jugoslawischen Alltags in Österreich

Vida Bakondy

Austrian Academy of Science, Österreich

Die Beziehung zwischen Fotografie und Migration ist facettenreich. Fotografie wird als das "diasporische Medium par excellence" (Dogramaci/Roth 2018) betrachtet, da sie eine entscheidende Rolle bei der Selbstrepräsentation und Selbstverortung in der Migration spielt. Sie fungiert als transnationales Kommunikationsmedium und ist ein Schlüsselelement für (transgenerationale) Erinnerungen. Fotografien prägen auch den gesellschaftlichen Blick auf Migration, weil sie etwa zur Kontrolle und Identifizierung von Migrant*innen, als Medium des Otherings oder zur Dokumentation migrantischer Lebensverhältnisse eingesetzt werden. Erst in der letzten Dekade hat das wissenschaftliche Interesse an dieser vielschichtigen Beziehung zugenommen und am Potential der Fotografie, neue Sichtweisen auf Migration zu eröffnen und ungeschriebene bzw. verborgene Aspekte hervorzuholen. Der Beitrag beleuchtet dieses Potential am Beispiel der fotografischen Hinterlassenschaft des jugoslawischen Fotoreporters Jovan Ritopečki (1923-1989). Ritopečki hat in den 1970er und 1980er Jahren wie kein anderer das Leben und den Alltag jugoslawischer Arbeitsmigrant*innen in Österreich mit seiner Kamera dokumentiert. Bis heute zirkulieren seine Fotos innerhalb der ex-jugoslawischen Community in Wien und bilden eine wichtige Ressource für deren Selbstverortung und Selbsthistorisierung in Österreich. Der Beitrag diskutiert wie sich Migrationserfahrungen im Medium der Fotografie artikulieren und fotografische Praktiken beeinflussen. Welche materiellen und ästhetischen Eigenschaften zeichnen Ritopečkis Fotografien aus? Wie wurden sie genutzt, um nicht nur transnationale Verbindungen aufrechtzuerhalten, sondern auch, um Gemeinschaft und Identität über geografische Grenzen hinweg herzustellen? Es wird argumentiert, dass Ritopečkis eigene Migrationserfahrung, seine Mitgliedschaft in einem jugoslawischen Arbeiterklub sowie seine Sozialisierung im sozialistischen Jugoslawien Einfluss auf die Bildfindung und –verwendung, also das “soziale Leben” (Schwartz 2020) der Bilder, hatte.



„Um deine Stimme zu hören“ – Gesprochene Briefe als akustische Objekte in Zeiten der Getrenntheit

Eva Hallama

Universität für angewandte Kunst, Österreich

Der gesprochene Brief auf analogen Tonträgern ermöglichte bereits ein Jahrhundert vor dem Smartphone sprachliche Kommunikation über geographische Distanzen hinweg, und damit die Herstellung von Nähe, wenn ein Gespräch aufgrund der Entfernung nicht möglich war. Sogenannte Hör- und Sprechbriefe fanden in der Migrationsforschung bisher wenig Beachtung und sind in Archiven sowie im kollektiven Gedächtnis kaum repräsentiert. Dies, obwohl gesprochene Grüße schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts verschickt wurden und ihre Genese eng mit Mobilität, Migration und Flucht im 20. Jahrhundert verknüpft ist. Besonders seit der Erfindung des Tonbands und der Kompaktkassette wurden gesprochene Briefe auch von Menschen in prekären Migrationskontexten genutzt.

Aus kulturgeschichtlicher Perspektive möchte ich in meinem Beitrag untersuchen, inwiefern das Versenden der eigenen Stimme eine Möglichkeit war, um über große Entfernungen hinweg Beziehungen aufrecht zu erhalten und in Kontakt zu bleiben, und wie diese Objekte Erinnerungen an die abwesende Welt schufen, da sie ihre akustischen Spuren über Entfernungen und Zeit hinweg trugen. Während das Sprechen und Hören einer vertrauten Stimme Nähe und Intimität in Momenten der Trennung ermöglicht, steht die Vorstellung eines Gesprächs immer in Wechselwirkung mit dem Akt des Sprechens in eine technische Maschine. Es scheint, dass das technische Gerät die kulturelle Praxis des Kommunizierens ebenso stört, wie es sie möglich macht. Am Beispiel ausgewählter Hörbriefe aus dem Kontext der Migration und Mobilität werde ich die Kulturtechnik des Kommunizierens über Hörbriefe analysieren und danach fragen, inwiefern die Migrationserfahrung diese Objekte geformt und geprägt hat.



Crafting Migration: Sartorial knowledge transfers between Austria, Germany and Turkey since 1970s

Elif Süsler-Rohringer

Universität für angewandte Kunst Wien, Austria

This contribution focuses on the dimension of creativity in ‘migrant knowledge’, focusing on the sartorial exchanges between Austria, Germany, and Turkey since 1970s. ‘Guest workers’ were recruited by Austria and Germany from the Turkish Republic, beginning with the official labor recruitment agreements in 1961 with Germany and in 1964 with Austria. Skilled immigrants from Turkey acquired technical knowledge either through official (apprenticeships, sewing classes) or unofficial (kinship) education. Bringing together an investigation of creative adaptations of design models, design processes and dressmaking practices in the context of labor migration enables this project to question the Eurocentric categorizations of fashion, bodies and identities. It approaches design as social performance, in which the skilled immigrants have actively participated. Hence, it also situates tailoring in the broader context of economic practices of transfers between Austria, Germany and Turkey, and aims to question current practices and appropriations of sewing in community or integration programs for migrants. Sewing workshops and small enterprises, which promote handwork in their design and production, employing women with migration backgrounds, as part of integration programs in both Austria and Germany. Hence, this contribution questions how crafts and fashion come together in a post-migrant context.



Visual and material displays of migration histor(ies) in museums/exhibitions in Germany. Case study: Greek 'Gastarbeiter*innen' in BRD. Towards a bottom-up archive οf migration experience(s). Implications for memory politics and the Heter-archive1.

Christos Zisis

Fachhochschule Kiel

In my contribution, I will highlight the transnational dimensions and multidirectional memories of Greek labour migrants' embodied experience(s) during the period of the recruitment agreement in Western Germany, accentuating silenced and marginalized perspectives of the “southern periphery” (Greek Guest-workers in West Germany) through my positionality as a reflexive ethnographer and (new) Greek/Southern-European economic migrant in Germany.

Particularly, my ‘multi-sided focused ethnography’ (case study: post-war Greek migration in BRD, A' Phase, 1960-1973) in the cities of Berlin, Hamburg, and Munich can be placed in an effort to explore this ongoing critical dialogue between oral histories, testimonies, social memories, materiality, visual iconography, objects as 'mnemonic devices' (Jones 2010) and archives in their multiple layers and formats, and how these various 'voices' and agencies from both institutional and non-institutional sources, resonate with memory work, museum practice and displays regarding that often underrepresented historical period.

Through this notion of a 'polyphonic' and 'multi-prismatic' archive, or a Heter-archive (s. Footnote 1) it will be possible to describe spherically and comprehend 'the multiple materialities of migrant worlds' (Basu, Coleman 2008), as well as enhance the notion of a dialogue-driven museum (Harrison, 2013), and a 'bottom-up' memory archive of migrants' experiences in a post-migrant society.

Finally, this project aims to disrupt the authority of monolithic, linear, and national-hegemonic curatorial narratives and can be registered in the ongoing public discussion on the 'shift of perspective' of the current topic of migrations in Germany. Such a critical 'paradigm shift' can be anchored and implemented in the context of museographical practices and interventions.

1: Based on discussions with my Supervisor Prof. Dr. Tsianos and the fusion of concepts such as Heterotopias (Foucault 1968) ; Chronotopos (Bachtin 1973); Mnemotopos (Ruibal 2008) ; Multidirectional memory (Rothberg 2009) with the notion of Archives.