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Panel 24: Postmigrantische Bildung und solidarische Praxen
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Vienna Arabesque. Ein postmigrantisches Bildungsdrama Universität Innsbruck, Österreich Mit der Vorsilbe „Post“ wird eine Überwindung veralltäglichter Grenzen der Zugehörigkeit signalisiert, wie sie in der Kritik an der Trennung zwischen migrierenden und mobilen Menschen zum Ausdruck kommt. Spätestens mit der Anerkennung von Migration als gesamtgesellschaftliche Erfahrung wird eine postmigrantische Perspektive angestoßen, die Migration als Normalität auffasst und damit einer neuen Vision von Vielfalt bedarf (Terkessidis, 2017). Im Fokus des Vortrages steht das urbane Zusammenleben und seine Bearbeitung in Bildungskontexten. Insbesondere kreative Orte, etwa Theater- oder Musikbühnen, aber auch das Stadtleben selbst, bieten den Raum, um darüber nachzudenken. Städte sind Orte der Vielfalt par excellence - dort kommen unterschiedlichste Menschen zusammen, eilen aneinander vorbei und gehen zuweilen kurze oder längerfristige Verbindungen ein (Bauman, 2000). Das Kommen, Gehen und Bleiben von Menschen lässt sich so als gewöhnlicher Prozess begreifen, der ein wesentliches Element des urbanen Zusammenlebens darstellt. Ebenso konstitutiv für das Zusammenleben in der Stadt ist die Solidarität der Menschen untereinander. Im Sinne einer postmigrantischen Bildung ist es relevant, dass Spannungsverhältnis von Aneinander vorbeieilen oder solidarisch für Menschen einzustehen kritisch zu diskutieren (Hill, 2023). Hierzu dient das Theaterstück „Vienna Arabesque. Eine Fahrt mit dem Riesenrad“ als Diskussionsgrundlage, welches mit Innsbrucker Studierenden im Rahmen des Projektes „Universität bewegt die Stadt“ an der Fakultät für Bildungswissenschaften entwickelt worden ist. Solidarische Bildung in solidarischen Städten. Interventionen für eine zukunftsfähige Gesellschaft Frankfurt University of Applied Sciences, Deutschland Der Vortrag befasst sich mit Bildungsprozessen innerhalb solidarischer Stadtbewegungen. Diese haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Als Reaktion auf zunehmende globale Ungleichheiten setzen sie sich für eine inklusive Gesellschaft ein, in der alle Menschen über potenziell trennende Kategorisierungen hinweg wie Herkunft, Nationalität oder Weltanschauung am urbanen Leben partizipieren können. Ihre Konzepte gehen u.a. auf Sanctuary City-Ansätze in den USA und in Kanada seit den 1980er-Jahren zurück (Kreichauf, Mayer, 2021). Sie werden angesichts verwobener Problemlagen wie Krieg, Armut und Naturkatastrophen sowie der steigenden Anzahl an Menschen auf der Flucht und an Personen(-gruppen), die mit unklaren Bleibe- und Lebensperspektiven leben, auch in Europa diskutiert. Während die Europäische Union "exklusive Schutzsysteme" etabliert (Jaji, Krause, 2022) und an ihren Außengrenzen feste Camps installieren will, bringen solidarische Bewegungen globale Selbst- und Weltverhältnisse in Bewegung und entwerfen Visionen für eine inklusive Gesellschaft. Im Vortrag werden Konzepte und Praxen solidarischen Engagements aus den Forschungsprojekten "Weltoffene Solidarität in der Stadt" (Förderung: Globalbudget, Universität Klagenfurt; Schmitt) und "European Areas of Solidarity" (Förderung: Gerda Henkel Stiftung, Schmitt/Hill/Can/Hofmann) aus einer bildungs- und inklusionstheoretischen Perspektive analysiert. Bildungsprozesse solidarischer Allianzen sind in der Bildungsforschung bisher wenig berücksichtigt, schließen zugleich aber an befreiungspädagogische sowie machtkritische Bildungszugänge an, wie sie u.a. von Freire und hooks entwickelt wurden. Im Vortrag wird vor diesem Hintergrund an empirischen Beispielen aus Österreich und der Schweiz (Züri City Card) aufgezeigt, wie Akteur*innen mit teils artivistischen Aktionen in öffentliche Räume intervenieren, Routinen durchbrechen und solidarische Bildungsräume eröffnen (Schmitt, 2024); zum anderen werden Ambivalenzen und Grenzen dieses Engagements untermauert sowie die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Neujustierung der europäischen Abschottungspolitik. Digital vernetzt: Erfahrungen von geflüchteten Menschen mit modernen Kommunikationsmitteln Universität Salerno, Italien Der vorliegende Vortrag thematisiert die Möglichkeiten der Unterstützung von Menschen mit Fluchterfahrungen. Der Artikel präsentiert Erkenntnisse über die Nutzung digitaler Praktiken, während sich Menschen in einem Asylverfahren befinden bzw. unter den Bedingungen eines prekären Aufenthaltsstatus leben müssen. In Anlehnung an Dana Diminescu (2008) lässt sich formulieren, dass im Zeitalter der Digitalisierung die Figur des geflüchteten Menschen durch die Figur des vernetzten Menschen mit Fluchterfahrung ersetzt wird. Dank Internet und Apps können wir heute überall erreicht werden. Die Erzählungen von Menschen mit Fluchterfahrung, die im Rahmen einer qualitativen Studie in Italien (Dezember 2019 bis Mai 2020) gesammelt wurden, bestätigen die Bedeutung der Digitalisierung in ihrem Alltag, die ihre Erfahrung der erzwungenen (Im)mobilität verändert hat, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, wieder in Kontakt mit bedeutungsvollen Beziehungen zu treten. Auf diese Weise können sie ihre gegenwärtige Situation mit ihrer Vergangenheit verknüpfen und eine Linearität oder Kontinuität in ihren Biographien herstellen, die ihnen hilft, (oft unerwartete) zeitliche Brüche in ihrer physischen Lebenserfahrung zu überwinden und damit umzugehen, indem sie ihre Fähigkeit stärkt, durch zeitliche Dissonanzen zu navigieren. Diese mikrosoziologische Analyse, die auf der Ermöglichung von Praktiken für mehr individuelle Handlungsfähigkeit im Kontext von Flucht durch neue Kommunikationstechnologien basiert, trifft jedoch auf eine prekäre digitale Infrastruktur mit weitreichenden Folgen für Menschen im Kontext von Fluchtmigration. Dieser Vortrag wird im Rahmen des vom EUREGIO MOBILITY FUND geförderten Projektes mit dem englischen Titel „Digitalization in low threshold social work: New challenges and new potentials“ präsentiert. Ziel ist der überregionale Austausch in Lehre und Forschung zur Digitalisierung im Kontext von Fluchtmigration. |