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Sitzungsübersicht
Sitzung
Panel 25: Interdisziplinäre Perspektiven auf Migration, Alter(n) und Care
Zeit:
Freitag, 20.09.2024:
11:00 - 12:30

Moderator*in: Brigitte Kukovetz, Universität Graz, Österreich
Kommentator*in: Doris Böhler, FH Vorarlberg, Österreich
Ort: Seminarraum 14


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Präsentationen

Migration, Alter(n) und Bildung: Entwicklung und Potenziale eines aktuellen Forschungsfeldes

Annette Sprung

Universität Graz, Österreich

Mit dem Handbook on Migration and Ageing (Torres & Hunter, 2023) erschien im Vorjahr erstmals eine breite Zusammenschau von Forschungsarbeiten an der Schnittstelle zweier demographischer Phänomene, die zu den zentralen Motoren des sozialen Wandels zählen. Das Überblickswerk versammelt Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Disziplinen, es werden aber zugleich Forschungslücken deutlich – beispielsweise fehlen Beiträge aus den Bildungswissenschaften, für die sich in zunehmend älter und in mehrerlei Hinsicht heterogener werdenden Gesellschaften jedoch viele interessante Anknüpfungspunkte finden lassen. Pädagogisch relevante Themen beziehen sich beispielsweise auf (transformative) Lern- und Bildungsprozesse in der Bewältigung biographischer Herausforderungen. Von hoher Aktualität sind ebenso Fragen politischer Bildung, etwa in Bezug auf die Förderung solidarischer Beziehungen/Strukturen oder auf die kritische Reflexion von In- und Exklusionsprozessen mit einem Fokus auf Alter(n) und Migration.

Da sich das vorgeschlagene Panel mit Forschungsarbeiten an der Schnittstelle von Migration, Alter(n) und Care beschäftigt, soll dieser Beitrag erstens einen kurzen, einführenden Überblick eines international an Bedeutung gewinnenden Forschungsfeldes skizzieren. Zweitens werden am Beispiel einer ausgewählten Disziplin – der Bildungswissenschaft – relevante Themen, theoretische Konzepte und empirische Herausforderungen im genannten Forschungsfeld veranschaulicht.

Die Ausführungen stützen sich zum einen auf eine systematische Literaturanalyse migrationspädagogischer Publikationen sowie von Arbeiten aus der Erwachsenenbildung bzw. Geragogik. Zum anderen wird exemplarisch auf bildungswissenschaftliche Erkenntnisse einer qualitativen, empirischen Studie (Caring Living Labs Graz) eingegangen, in der unter anderem informelle Lern- und Bildungsprozesse älterer Menschen mit und ohne Migrationsbiografien erforscht wurden.

Literatur

Torres, S., & Hunter, A. (2023). Handbook on Migration and Ageing. Edward Elgar Publishing.



Die Rolle von Raum in intergenerationellen Care-Beziehungen

Brigitte Kukovetz1, Anna-Christina Kainradl2

1Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Universität Graz; 2Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung (CIRAC), Universität Graz

Care-Beziehungen bezeichnen unterschiedliche Tätigkeiten, wie etwa die Betreuung von Menschen unterschiedlichen Alters mit Unterstützungs- und Pflegebedarf, nachbarschaftliche Sorge, Haushaltstätigkeiten, die lokal ebenso wie transnational verortet sein können und von Machtbeziehungen sowie Wohlstandgefällen gekennzeichnet sind (Gerhard, 2014). Der Fokus des Vortrags liegt auf intergenerationellen Care-Beziehungen in lokalen Communities, wie etwa Nachbarschaften. Unsere Analyse erfolgt aus einer intersektionalen Perspektive, in welcher wir uns auf theoretische Erkenntnisse zu transnationalen Care-Beziehungen und Caring Communities stützen. Unter Berücksichtigung von intersektionalen Verflechtungen interessieren uns insbesondere die Art und Weise, wie Raum, die räumliche Wohnnähe bzw. Distanzen zwischen Wohnorten und intergenerationelle verwandtschaftliche Beziehungen beschrieben werden.

Wir werden unsere Fragestellung anhand von Ergebnissen aus dem angewandten und inter- und transdisziplinär angelegten Forschungsprojekt „Caring Living Labs Graz. Gut leben im Alter“ vorstellen. Das Projekt zielte darauf ab, aktive Beteiligungsformen insbesondere von Menschen im dritten Lebensalter, welche sich in prekären Lebenssituationen befinden und/oder eine Migrationsbiografie haben, zu fördern und Sorge-Beziehungen aufzubauen bzw. zu erweitern.

Das Datenmaterial für die Beantwortung der Forschungsfrage im Rahmen des Vortrags wurde mittels teilnehmenden sowie nicht-teilnehmenden Beobachtungen von zwei Workshopreihen (sogenannten „Living Labs“), Aktivitäten der mobilen Stadtteilarbeit innerhalb einer Siedlung, sowie zehn weiteren Workshops erhoben. Im Vortrag werden die Ergebnisse der derzeit laufenden Auswertung (mittels der qualitativen Inhaltsanalyse) vorgestellt.

Literatur

Gerhard, U. (2014). Care als sozialpolitische Herausforderung moderner Gesellschaften – Das Konzept fürsorglicher Praxis in der europäischen Geschlechterforschung. In B. Aulenbacher, B. Riegraf, H. Theobald (Hrsg.), Sorge. Arbeit, Verhältnisse, Regime. (S. 69-82). Nomos Verlag.



Die Versorgung (Care) von älteren Migrantinnen im Gesundheitswesen. Eine Betrachtung aus der Perspektive der Care-Ethik

Helen Kohlen

Fachhochschule am Vorarlberg, Deutschland

Die Versorgung von älteren Migrant:innen gehört inzwischen zum Praxisalltag von Ärzt:innen und Pflegenden. Sprachliche Barrieren und “othering” behindern eine Verständigung miteinander und Verständnis füreinander. Folgen können fragliche Diagnosen und Therapien sein, wie auch unangemessene Pflegehandlungen. Professionelle Dolmetschung und präzise Beobachtung non-verbaler Äußerungen sind eine Antwort auf die Herausforderungen (Fischer et.al 2023, Kohlen et.al.2022). Darüber hinaus kann eine feministische Care-Ethik einen Analyserahmen bieten, um den Fragen nach Macht, Konflikt und Ungleichheit in den Blick zu nehmen (Kohlen 2020). Hierarchische Strukturen im Gesundheitswesen sowie angelegte Asymmetrien zwischen Care-giver und Care-taker machen eine Reflexion von Ungleichheiten und Machtdynamiken sowie daraus resultierenden Konflikten erforderlich (Kohlen 2009, Conradi 2001). Im Beitrag wird die Analyse aus der Perspektive der feministischen Care-Ethik auf der Basis eines empirischen Forschungsprojektes zu kultureller Vielfalt und Konflikten (BMBF 2018-2021) vorgenommen. Die Illustration findet anhand von zwei Beispielen (Case-Studies) statt.

Literatur

Conradi, Elisabeth (2001): Take care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit. Frankfurt/Main: Campus

Fischer, Nils, Helen Kohlen, Sabine Könninger (2023): Übersetzung in deutschen Krankenhäusern unter dem Blickwinkel kultureller Vielfalt und Konflikte: Ein ethischer Beitrag. In: Wonneberger, Astrid et al. (Hg.): Werte und Wertewandel in der postmigrantischen Gesellschaft. Wiesbaden: Springer, S. 213-237.

Kohlen, Helen; Könninger, Sabine, Fischer, Nils (2022): Die Bedürfnisse der Anderen und Sorgekompetenz von Pflegenden im Krankenhaus. Pflege und Gesellschaft, S. 212-223.

Kohlen, Helen (2009): Conflicts of Care. Hospital Ethics Committees in the US and in Germany. Frankfurt/Main: Campus.



Transnationalität am Ende? Palliativpflege und Sterben in der Migrationsgesellschaft

Silke Meyer1, Christiane Kreyer2

1Innsbruck University, Österreich; 2UMIT Tirol, Österreich

Der Vortrag bringt zwei Entwicklungen der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zusammen, nämlich den demografischen Wandel und das Zeitalter der Migration. Der breitere Kontext zeigt, dass weltweit mehr Menschen als je zuvor außerhalb ihres Geburtslandes leben, ihre Zahl ist seit 1990 um 77 % gestiegen. Die staatliche Steuerung der Migration ist traditionell auf junge und gesunde Migranten als Arbeitskräfte ausgerichtet. In Wirklichkeit sind jedoch 11,8 % der internationalen Migranten heute 65 Jahre und älter, und diese Zahl steigt natürlich weiter an. Vor allem für die späteren Generationen ist Rückkehr keine Option, Angehörige etablierter Minderheiten möchten in dem Land bleiben, in dem sie jahrzehntelang gelebt und gearbeitet haben und in dem ihre Familien leben. Das Lebensende ist somit ein kritischer Punkt in einer transnationalen Biographie und in der Migrationsgesellschaft. Angesichts der Geschichte der Arbeitsmigration in Österreich seit den 1960er Jahren ist die Situation hochaktuell geworden. Dennoch ist die Migrationsgesellschaft nach wie vor schlecht auf Tod und Sterben vorbereitet und bietet vor allem im Westen Österreichs kein inklusives Umfeld am Ende des Lebens. Die Palliativversorgung ist oft an christliche Einrichtungen gebunden und lässt ein Bewusstsein für kulturelle und religiöse Vielfalt im Hinblick auf Selbstbestimmung und die Idee eines "guten Todes" vermissen. Städtische Friedhöfe bieten nur begrenzte Abschnitte für islamische Gräber und stellen keine Infrastruktur für Bestattungsrituale zur Verfügung (mit der bemerkenswerten Ausnahme des islamischen Friedhofs in Altach).

Das Dilemma ist klar und führt zu den folgenden Forschungsfragen: Was sind die Schnittmengen von Bedürfnissen, Wünschen und Konflikten in etablierten Minderheiten islamischen Glaubens am Ende des Lebens? Wie haben sich Altenpflege und Bestattungspraktiken im Laufe der Zeit verändert? Welche Rolle spielen Geschlecht, Generation und Religion in Bezug auf Zugehörigkeit? Einer postmigrantischen Perspektive folgend, frage ich weiter, wie die Migrationsgesellschaft in Westösterreich diese Bedürfnisse und Herausforderungen regelt und sie mit der Politik auf kommunaler und staatlicher Ebene verknüpft? Welche administrativen und politischen Lösungen werden angeboten, um Ungleichheiten zu vermeiden und Inklusion am Ende des Lebens zu fördern?

Um diese Fragen zu beantworten, verwende ich ethnographische Methoden wie Tiefeninterviews mit Menschen mit türkischem, serbischem und bosnischem Familienhintergrund und kontextualisiere sie mit Interviews mit institutionellen Vertretern und in Migrationsdiskursen in Westösterreich. Darüber hinaus werden durch eine semiotische Interpretation der gebauten Umwelt und der Friedhöfe interdisziplinäre Forschungen aus der Architektur, der Materialwissenschaft und der Designwissenschaft eingebracht. Die Ergebnisse werden in einer vergleichenden Perspektive interpretiert. Internationale Forschungen, z.B. aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Deutschland und skandinavischen Ländern, zeigen, dass Versorgungsstrukturen, Zugehörigkeit und Inklusion in der Migrationsgesellschaft in einem direkten Zusammenhang stehen. Akteure und Institutionen in Westösterreich können von diesem vergleichenden Ansatz lernen.



 
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