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Sitzungsübersicht
Sitzung
Panel 22: Heritage language education in a post-migrant society
Zeit:
Freitag, 20.09.2024:
11:00 - 12:30

Moderator*in: Johanna Mitterhofer, Eurac Research, Italien
Kommentator*in: Verena Platzgummer, University of Galway, Irland, Republik
Ort: Seminarraum 9


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Präsentationen

Das Paradoxon der Mehrsprachigkeit(en) oder Erfahrungen im Umgang mit (il)legitimen Sprachen

Irène Zingg

Pädagogische Hochschule Bern, Schweiz

Das sprachliche Repertoire von zwei- und mehrsprachigen SchülerInnen ist eine ihrer stärksten Ressourcen. Doch selbst in einem offiziell viersprachigen Land mit einer langen Einwanderungsgeschichte wie der Schweiz nutzt die Schule diese Mehrsprachigkeit(en) noch wenig. Der Unterricht orientiert sich an der Norm der Einsprachigkeit, obwohl die gesellschaftliche Realität von sprachlicher Superdiversität geprägt ist (Blommaert 2015; Vertovec 2007). SchülerInnen, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, sind durch eine einsprachige Sprachpraxis, den "monolingualen Habitus", wie Ingrid Gogolin (1994) ihn nannte, benachteiligt und können nicht ihr gesamtes Repertoire an sprachlichen Ressourcen für das Lernen nutzen.

Ausgehend von Bourdieus Unterscheidung in legitime und illegitime Sprachen steht die Delegitimierung von Sprachen der Migration im schweizerischen Bildungssystem als Ausgangspunkt um anschliessend das brachliegende pädagogische Potential der Mehrsprachigkeit in der heranwachsenden Migrationsbevölkerung aufzugreifen.

Das anwendungsorientierte Forschungsprojekt «Von A, wie Arabisch bis Z, wie Zulu. Sprachenvielfalt in der postmigrantischen Schweiz» ging der Frage nach, wie Lehrpersonen der sogenannt Heimatlichen Sprache und Kultur (HSK) und Regellehrpersonen gemeinsam eine integrierte Sprachförderung praktizieren können. Im Rahmen des Projekts fanden gegenseitige Hospitationen zwischen der HSK- und der Regellehrperson statt. Dieser qualitative Zugang mittels Beobachtungen wurde kontinuierlich reflektiert, mit Weiterbildungssequenzen ergänzt und mündete in einer Dokumentation der gemeinsam konzipierten Unterrichtseinheiten. Das vom Bundesamt für Kultur (Schweiz) unterstützte Projekt verfolgte das Ziel, mittels Aktionsforschung (Altrichter, Posch & Spann 2018) und dem modellhaften Einbezug von HSK-Lehrpersonen in die Regelstruktur die monolinguale Überlegenheit zu überwinden und die sprachlichen Stigmatisierungen dieser illegitimen Sprachen der Migration aufzubrechen, und derzeitige Modelle der Ausbildung der sogenannt legitimen Sprachen kritisch zu überdenken.

Referenzen

Altrichter H., Posch, P. & Spann, H. (2018). Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. 5. grundlegend überarbeitete Auflage. Heilbrunn: Klinkhardt.

Blommaert, J. In K. Arnaut, J. Blommaert, B. Rampton M. & Spotti (Eds.). (2015). Language and Superdiversity (1st ed.). Routledge.

Gogolin, I. (1994) Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster: Waxmann.

Vertovec, St. (2007). Super-diversity and its implications. Ethnic and Racial Studies 30 (6), 1024–1054.



Perspectives of children and caregivers on heritage languages in education

Maria Stopfner

Eurac Research Bolzano & Universität Innsbruck, Österreich

Heritage languages are deeply rooted in and linked to the life trajectories, social relationships, cultural identities, and self-images of families (King & Rambow, 2012; Polinsky, 2018). For language learning, maintenance, and loss, individual lived experiences (Busch, 2015), evolving self-visions (Dörnyei, 2010, 2014), and notions of belonging to different communities (Norton, 2013) are as important as beliefs and attitudes (O'Rourke, 2022) about the language's role and importance in current and future life (Dörnyei et al., 2015; Dörnyei & Ushioda, 2011). Building on existing research about the agentive roles of various family members in language socialization (Duff & Doherty, 2015; Guardado, 2018; Shen & Jiang, 2023), this presentation focuses on the perspectives of parents and children on heritage languages in formal and informal education. It explores the extent to which their lived experiences, reported practices, beliefs, and attitudes regarding the heritage language(s) in educational contexts align or differ.

Based on qualitative analysis of 12 semi-structured interviews with plurilingual families and quantitative results derived from questionnaires and content analyses of opinion-based texts by more than 150 middle school students collected from 2016 to 2018 in the trilingual Autonomous Province of Bolzano, this presentation aims to uncover similarities and differences in the narratives and ideas of different generations regarding heritage languages in educational contexts. By comparing and integrating the perspectives of children and caregivers, the study provides a holistic understanding of the dynamics that shape the preservation and promotion of heritage languages, providing a basis for more targeted and responsive educational interventions.

References

Busch, B. (2015). Expanding the Notion of the Linguistic Repertoire. Applied Linguistics 38(3), 340-358.

Dörnyei, Z. (2010). Researching motivation: From integrativeness to the ideal L2 self. In S. Hunston & D. Oakey (Eds.), Introducing applied linguistics: Concepts and skills. Routledge, 74-83.

Dörnyei, Z. (2014). Future Self-Guides and Vision. In K. Csizér & M. Magid (Eds.), The Impact of Self-Concept on Language Learning. Multilingual Matters, 7-18.

Dörnyei, Z., et al. (Eds.). (2015). Motivational dynamics in language learning. Multilingual Matters.

Dörnyei, Z., & Ushioda, E. (2011). Teaching and researching motivation. Longman/Pearson.

Duff, P. A., & Doherty, L. (2015). Examining Agency in (Second) Language Socialization Research. In P. Deters, et al. (Eds.), Theorizing and analyzing agency in second language learning. Multilingual Matters, 54-72.

Guardado, M. (2018). Discourse, Ideology and Heritage Language Socialization. de Gruyter.

King, K. A., & Rambow, A. C. (2012). Transnationalism, migration and language education policy. In B. Spolsky (Ed.), The Cambridge Handbook of Language Policy. Cambridge UP, 399-417.

Norton, B. (2013). Identity and language learning: Extending the conversation. Multilingual Matters.

O'Rourke, B. (2022). Researching Language Attitudes in Multilingual Communities. In R. Kircher & L. Zipp (Eds.), Research Methods in Language Attitudes. Cambridge UP, 271-281.

Polinsky, M. (2018). Heritage Languages and Their Speakers. Cambridge UP.

Shen, C., & Jiang, W. (2023). Parents' planning, children's agency and heritage language education. Frontiers in Psychology, 13, 1–14.



Bildung in Erst- und Herkunftssprachen als Aufgabenfeld der Hochschulen in der postmigrantischen Gesellschaft

Lesya Skintey

Universität Innsbruck, Österreich

Der Unterricht in der Erst- oder Herkunftssprache der Schüler*innen – wenn es sich bei der jeweiligen Sprache um keine etablierte Fremdsprache handelt – gilt als Bildungsangebot, das sich an eine klar definierte Zielgruppe richtet, und zwar an Kinder und Jugendliche mit eigener Zuwanderungsgeschichte oder mit sogenanntem Migrationshintergrund. Je nach bildungspolitischer Lage ist dieses sprachliche Bildungsangebot mehr oder weniger fest im öffentlichen Bildungssystem verankert.

Im Vortrag werden die Ergebnisse aus der ersten umfassenden Umfrage zur Situation des herkunftssprachlichen Unterrichts in der ukrainischen Sprache in Deutschland präsentiert, im Rahmen derer die Bildungsministerien der Länder und Leitungen der ukrainischen Samstags- und Sonntagsschulen befragt wurden. Es liegen Datensätze aus acht von insgesamt zwölf Bundesländern vor, in denen es aktuell ein staatlich organisiertes HSU-Angebot gibt. Darüber hinaus haben acht Samstags- und Sonntagsschulen an der online-Umfrage (23 Items) teilgenommen. Die erhobenen quantitativen und qualitativen Daten liefern Erkenntnisse in Bezug auf die Verbreitung, Chancen und Herausforderungen des staatlich und nicht- staatlich organisierten Unterrichts in der ukrainischen Sprache vor und nach dem 24.02.2022 (vgl. Skintey/Turkevych eingereicht). Ferner wird der Frage nach einer hierarchischen Ordnung von Sprachen (vgl. Boeckmann 2022, Thomauske 2017) und deren Spiegelung in Bezug auf den Grad der Verankerung im staatlichen Bildungssystem nachgegangen. Angehend vom Verständnis von Erst- und Herkunftssprachen als kulturellem Kapital (vgl. Kropp 2017, Skintey/Wyss 2023) werden aktuelle Herausforderungen und mögliche Entwicklungen der Bildung in der Erst und Herkunftssprache aus postmigrantischer Perspektive diskutiert. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei der akademischen Etablierung von Erstsprachendidaktiken (ein Beispiel hierfür stellt die neu eingerichtete Professur für die Fachdidaktik des Türkischen an der Universität Duisburg-Essen dar) und der Rolle des akademischen Diskurses in der Fremdsprachendidaktik, der Spracherwerbs- und Mehrsprachigkeitsforschung sowie den Bildungswissenschaften.

Referenzen

Boeckmann, Klaus-Börge (2022): Mit Sprache(n) an Bildung teilhaben. Deutsch und andere Sprachen als kulturelles Kapital in Österreich. In: Zeitschrift für Deutsch im Kontext von Mehrsprachigkeit 38(1+2), 31-46.

Kropp, Amina (2017): (Herkunftsbedingte) Mehrsprachigkeit als Ressource? Ressourcenorientierung und - management im schulischen FSU. In: Ambrosch-Baroua, Tina; Kropp, Amina; Müller-Lancé, Johannes (Hrsg.): Mehrsprachigkeit und Ökonomie. Münster: Münsterscher Verlag für Wissenschaft, 107-129.

Skintey, Lesya; Turkevych, Oksana (eingereicht): Herkunftssprachlicher Unterricht Ukrainisch in Deutschland. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (ZIF).

Skintey, Lesya; Wyss, Eva L. (2023): Mehrsprachigkeit als Kapital und Ressource: ideologische Perspektiven und evidenzbasierte Forschungsergebnisse. In: informationen zur deutschdidaktik (ide). zeitschrift für den deutschunterricht in wissenschaft und schule. Themenheft „Ökonomie und Deutschunterricht“ 47(3), 37–46.

Thomauske, Nathalie (2017): Sprachlos gemacht in Kita und Familie. Ein deutsch-französischer Vergleich von Sprachpolitiken und -praktiken. Wiesbaden: Springer Fachmedien.



Heritage language rights: Navigating ideological and functional constraints in minority protection

Mattia Zeba

Eurac Research, Italy

Within the realm of minority studies, scholars have advocated for an expanded scope of minority language rights to include language maintenance and promotion for immigrant languages through heritage language policies (Poggeschi, 2010; Morales-Gálvez, 2022). However, this inclusive perspective often clashes with prevailing political and educational paradigms, which are frequently characterized by a monolingual bias (Duarte & Gogolin, 2013; Bonetti, 2014) that assumes language loss due to assimilation or an eventual return to immigrants' countries of origin. This paper challenges the static dichotomies inherent in exclusionary approaches and calls for a reassessment of the conceptual divisions that guide heritage language maintenance policies and their underlying rationale. Embracing an interdisciplinary perspective, the paper delves into the linguistic justice debate (Van Parijs, 2011; De Schutter, 2022), proposing an extension of language rights to new minorities through the integration of a hybrid language ideology (De Schutter, 2007) with an adaptive approach to implementing heritage language maintenance policies. The theoretical analysis is complemented by empirical insights into challenges, obstacles, and potential solutions gathered from the implementation of multilingual education policies in Europe. The focus is on organizational considerations and practical constraints arising from the complexification of linguistic repertoires, practices, belongings, and the consequent linguistic needs of heritage language speakers (Zeba, 2020). This paper contributes to the ongoing discourse on minority language rights by highlighting the complexities inherent in adapting education policies to accommodate the linguistic diversity resulting from international migration.

References

Bonetti, R. (ed., 2014), La trappola della normalità. Antropologia ed etnografia nei mondi della scuola, Firenze: SEID Editori.

De Schutter, H. (2007). Language policy and political philosophy. On the emerging linguistic justice debate, in Language Problems & Language Planning, 31(1), pp 1-23.

De Schutter, H. (2022). Linguistic justice for immigrants, in Nations and Nationalism, 28(2), pp. 418-434.

Duarte, J., Gogolin, I. (eds., 2013). Linguistic Superdiversity in Urban Areas. Amsterdam: John Benjamins. Morales-Gálvez, S. (2022). Is speaking one's own language(s) a right?, in Nations and Nationalism, 28(2), pp. 387-401

Poggeschi, G. (2010). I diritti linguistici. Roma: Carocci Van Parijs, P. (2011). Linguistic Justice for Europe and the World. Oxford: Oxford University Press.

Zeba, M. (2020). Standardisation and heritage language maintenance: preliminary interdisciplinary considerations with a case-based approach, in Deusto Journal of Human Rights, 6, pp. 211-238.



 
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