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Sitzungsübersicht
Sitzung
Panel 18: Postmigrantische Perspektiven für die Soziale Arbeit in Österreich
Zeit:
Donnerstag, 19.09.2024:
16:00 - 17:30

Moderator*in: Martina Tißberger, Fachhochschule Oberösterreich, Campus Linz, Österreich
Kommentator*in: Martina Tißberger, Fachhochschule Oberösterreich, Campus Linz, Österreich
Ort: Seminarraum 9


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Präsentationen

Postmigrantische Perspektiven auf die Asylverfahrensdurchführung - Bezüge auf kulturelle Zugehörigkeiten in der österreichischen Rechtsprechung

Doris Böhler

FH Vorarlberg, Österreich

In der Praxis der Asylverfahren ergeben sich eine ganze Reihe von Problematiken, die eine rechtsstaatlich vorgesehene und menschenrechtskonforme Handhabung des Rechts auf Asyl behindern. Eine besondere und noch wenig beforschte Problematik in diesem Zusammenhang ist der Umgang mit kulturellen Zugehörigkeiten, die den Asylsuchenden vom Gericht zugeschrieben werden.
Diese Präsentation skizziert die Ergebnisse einer qualitativen Dokumentenanalyse, die Antworten zu folgender Forschungsfrage erörtert: Welche Bezüge auf kulturelle Zugehörigkeiten der Asylsuchenden sind in Asylerkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts enthalten? In 25 per Zufallsstichprobe ermittelten Entscheidungen des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurden kulturelle Bezüge mittels einer qualitativen, strukturierten Inhaltsanalyse nach Kuckartz & Rädiker (2022) explorativ ausgewertet.
Eine umfassende Analyse zahlreicher theoretischer Perspektiven auf kulturelle Zugehörigkeiten ermöglicht es im Anschluss, die dargestellten Ergebnisse im Spannungsfeld von Kulturalisierung und Kultursensibilität zu interpretieren. Dabei wird auf postmigrantische Perspektiven verwiesen, die insbesondere die involvierten Machtverhältnisse thematisieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein statisches Verständnis von Kultur vorherrscht und dass die Richter*innen kulturelle Zuschreibungen tendenziell verwenden, um die Komplexität der individuellen Fluchtgeschichten durch Verallgemeinerungen zu reduzieren und ihre Glaubhaftigkeit in Frage zu stellen. Demgegenüber könnte eine Anwendung der in den Sozialwissenschaften bereits gut etablierten Kulturmodelle der Pluralität, Hybridität und Mehrfachidentität zu einer deutlichen Steigerung der sachlichen Rechtfertigung der Entscheidungen führen. Im Beitrag soll Raum für eine kritische Diskussion der Ergebnisse geschaffen werden, um anschliessend Handlungsstrategien der Sozialen Arbeit als Menschrechtsprofession zu entwickeln.
Literatur:
Kuckartz, U., & Rädiker, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa.



Postmigrationserfahrungen - Empirische Erkenntnisse zu Lebensbewältigungsstrategien von fluchtmigrierten Menschen

Katharina Auer-Voigtländer

FH St. Pölten, Österreich

Im Zuge der Fluchtmigrationsbewegungen rund um das Jahr 2015 gewann die Frage nach einer langfristigen Einbindung der betreffenden Menschen in die jeweiligen ‘Ankunftsländer’ in weiten Teilen Europas an Bedeutung. Entsprechende empirische Untersuchungen, die sich mit eben jenen Fluchtmigrationsphänomenen auseinandersetzen, zeigen eine deutliche Orientierung an der Herstellung der ‘Integrationsfähigkeit’ fluchtmigrierter Menschen. Forschungsarbeiten, die ihr Erkenntnisinteresse an den Lebenslagen eben jener Personen orientieren, tragen vielfach Kategorien an den Forschungsgegenstand heran, die aus einer hegemonialen Integrations- und Assimilationslogik heraus entstehen, ohne aber den betreffenden Subjekten den Raum zu bieten, das Phänomen aus ihrer Lebenswelt heraus zu beschreiben. Der Panel-Beitrag greift dieses Forschungsdesiderat auf und beschäftigt sich mit den empirischen Erkenntnissen eines Dissertationsprojekts zu Lebenswelten fluchtmigrierter Menschen im europäischen Asylkontext. Er nimmt in einer subjektwissenschaftlichen Perspektive die Prozesse des Ankommens fluchtmigrierter Menschen im postmigrantischen Diskursraum des europäischen Asylkontextes in den Fokus. Dabei interessiert der Umgang und das Erleben von (Re-)Etablierungsprozessen in einem neuen gesellschaftlichen Kontext und Diskursraum. Den erkenntnistheoretischen Anlagen des Beitrags ist ein interpretativer Zugang inhärent, der in seiner Anlage der Denktradition des symbolischen Interaktionismus folgt (vgl. Blumer, 1973, 2015). Die methodologische Ausrichtung des Forschungsprojektes folgt der Grounded Theory Methodologie (nach Strauss & Corbin 1990, 1996, 1998). Die Datenbasis des Beitrags sind biographische Interviews mit fluchtmigrierten Menschen, die mittels Kodier-Verfahren (Strauss & Corbin ebd.) und einer fallkontrastiven Analyse (Kelle & Kluge, 2010; Kluge, 2000; Strauss & Corbin, 1996) ausgewertet wurden. Vorgestellt werden vier Kategorienmodelle der durchgeführten Fallanalysen sowie die auf Basis der kontrastiven Analyse empirisch entwickelten Typen des Ankommens und Positionierens im europäischen Asylkontext.

Literatur

Blumer, H. (1973). Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus, in: Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Band 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie, herausgegeben, verfasst und übersetzt von einer Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen, Reinbeck, S. 80- 101.

Blumer, H. (2015): Der methodologische Standort des symbolischen Interaktionismus, in: Burkart, R., & Hömberger, W. (Hg.): Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung, 8., durchgesehen und aktualisierte Auflage, New Academic Press, S. 24-41.

Kelle, U., & Kluge, S. (2010): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung, 2., überarbeitete Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Kluge, S. (2000): Empirisch begründete Typenbildung in der qualitativen Sozialforschung, in: Forum Qualitative Sozialforschung, Volume 1, No. 1, Art. 14, Januar 2000. http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/view/1124/2500

Strauss, A., & Corbin, J. (1990; 1998; 2015): Basics of Qualitative Research: Grounded Theory Procedures and Techniques, Sage Publications. Strauss, A., & Corbin, J. (1996): Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Unveränd. Nachdr. der letzten Aufl., Beltz.



Rassifizierte Personen im österreichischen Maßnahmenvollzug

Kathrin Bereiter

FH OÖ, Campus Linz, Österreich

Der österreichische Maßnahmenvollzug behält sich vor, psychisch erkrankte Rechtsbrecher*innen in speziellen Einrichtungen unterzubringen, um so die Sicherheit der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Aktuell befinden sich rund 1420 Personen im Maßnahmenvollzug, rund ein Viertel davon besitzen keine österreichische Staatsangehörigkeit. Ob und welche spezifischen Herausforderungen sich für diese Personen aufgrund der Kategorie Migration/Rassifizierung ergeben, wurde bisher kaum analysiert. Die einzige Studie zum Thema lässt einen Forschungszugang erkennen, der im Paradigma der ‚Ausländerforschung‘ zu verorten ist und eine Problemsicht auf die Unterbringung von rassifizierten Personen voraussetzt. Im Gegensatz dazu wird in diesem Vortrag eine qualitative Studie vorgestellt, die mittels „kritischer Migrationsforschung“ (Mecheril et al. 2013) auf Basis von Problemzentrierten Interviews und Fokusgruppen die Situation von rassifizierten Untergebrachten im Maßnahmenvollzug beleuchtet. Ziel von kritischer Migrationsforschung ist es, den Defizit-orientierten Blick auf migrantisch markierte Subjekte zu überwinden und stattdessen die Strukturen, in denen sich jene Personen bewegen müssen, kritisch zu beleuchten. Dieser Perspektive folgend wird in der vorgestellten Studie der Fokus darauf gerichtet, wie sich das System Maßnahmenvollzug verändern muss, um auch für die Zielgruppe der rassifizierten Personen Bedingungen zu schaffen, die es strukturell ermöglichen, die Ziele des Massnahmenvollzugs erreichen zu können. Die Einweisung erfolgt nämlich zeitlich unbegrenzt und eine Entlassung erfolgt erst, wenn die Betroffenen sich mit Hilfe unterschiedlicher medizinischer, therapeutischer Angebote so weit ‘resozialisiert’ haben, dass keine Gefährlichkeit mehr zu erwarten ist. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen jedoch, dass sich insbesondere aufenthaltsrechtliche Bestimmungen negativ auf rassifizierte Personen auswirken und im schlimmsten Falle sogar dazu führen können, dass Insass*inn*en nicht aus dem System entlassen werden.

Mecheril, P., Arens, S., Olalde, O. T. & Melter, C. (2013). Migrationsforschung als Kritik? Erkundung eines epistemischen Anliegens in 57 Schritten. In. Mecheril, P., et al. (Hg.). Migrationsforschung als Kritik?: Spielräume kritischer Migrationsforschung. Springer Fachmedien.



 
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