Studien zu Raumkonzepten und Raumerfahrungen
Zeit: Montag, 30.09.2024: 16:00 - 17:30 Chair der Sitzung: Natalie Bienert, Wilhelm-Hittorf-Gymnasium Münster Chair der Sitzung: Lena Breit, Pädagogische Hochschule Karlsruhe
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Ort: Gebäude 3, Raum 3.110
1. Obergeschoß,
Seminarraum, 56 Sitzplätze,
Ausstattung: Projektionsfläche(n), Dokumentenkamera, VGA/HDMI-Anschluss für externe Endgeräte, Videokonferenztechnik mit Dozierenden- und Raumkamera sowie festem, Ansteck- und Raummikrofon (USB-Anschluss),
WLAN: Eduroam
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Pro Vortrag incl. Nachfragen und Diskussion stehen 30 Minuten zur Verfügung.
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Raum denken – Eine qualitative Studie zum Verständnis abstrakt-raumkonzeptioneller Fähigkeiten von Lernenden im Geographieunterricht
Lena Breit
Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Deutschland
Geographische Basiskonzepte, zu denen auch das konzeptionelle Raumverständnis gehört, bilden den Kern des geographischen Verständnisses. Als zentrale Leitprinzipien fachlichen Denkens sollen sie einen fachspezifischen Zugriff auf die Welt ermöglichen (Rehm&Stäudel, 2012), um geographische Phänomene aus verschiedenen fachlichen Perspektiven erschließen, strukturieren, beurteilen und bewerten zu können (Bette&Fögele, 2015). Damit sie Lernenden jedoch eine Zugänglichkeit zur Verarbeitung solch komplexer Fragestellungen bieten können (Uphues, 2013), ist es notwendig, umfassender zu verstehen, welche Fähigkeiten entsprechende konzeptionelle Verständnisse konstituieren und wie sich jene bei Lernenden entwickeln.
Vor diesem Hintergrund wird eine laufende qualitative Studie vorgestellt, die theoretisch und empirisch das basiskonzeptionelle Raumverständnis fokussiert (Gryl, 2020). Ziel der Studie ist es, das konzeptionelle Raumverständnis von Lernenden der gymnasialen Oberstufe zu untersuchen, um die dem abstrakt-raumkonzeptionellen Lernen inhärenten Fähigkeiten und Schlüsselmomente deren Entwicklung offenzulegen. Auf Grundlage der empirischen Erkenntnisse von Bienert (2023) wird diesbezüglich zunächst das basiskonzeptionelle Raumverständnis im Sinne des erweiterten Raumverständnisses angebahnt. Darauf aufbauend werden die raumkonzeptionellen Fähigkeiten der Lernenden – mit Fokus auf zuvor in Theorie und Empirie identifizierten raumkonzeptionell lernrelevanten Aspekten – im Rahmen kognitiv-dissonanter Aushandlungsprozesse interventionsbasiert evoziert und weiter ausdifferenziert. Dadurch soll die Studie einen Beitrag leisten, raumkonzeptionelles Lernen differenzierter zu verstehen und Hinweise für die Schulpraxis abzuleiten.
Im Rahmen des Vortrags werden ausgewählte Aspekte des Studiendesigns vorgestellt und erste Ergebnisse präsentiert.
Aufbruch von Raumerfahrung. Wie eine erfahrungssensible Lehrer:innenbildung aussehen kann.
Johanna Lehmann
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
Wir bewegen uns täglich im Raum und machen in ihm Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind jedoch oft schwer zu fassen und bleiben unreflektiert. Dabei kann über die Reflexion von Raumerfahrungen auch ein Bewusstsein für unsere Perspektivität und Positionalität (vgl. Koerrenz 2023:137) geschaffen werden. Daher lohnt es sich, durch das Aufbrechen gewohnter Wahrnehmung auch Lehramtsstudierende des Faches Geographie zu einer Reflexion anzuregen, so dass sie sich selbst mit ihrer Raumerfahrung auseinandersetzen. Erfahrungen entstehen aus einer Wechselwirkung zwischen Menschen und ihrer Umwelt (Dewey 1938:17, 24; LW, Bd 13). Sich mit Raumerfahrung auseinanderzusetzen ermöglicht es, die eigene Lebens- und Weltgeschichte zu betrachten und sich als Teil einer Gesellschaft zu sehen, die Raum produziert, aber auch in Raum existiert und durch ihn geformt wird (vgl. Lefebvre 1974/2006:330). Um diese Reflexion bei Lehramtsstudierenden anzuregen, wurde von Wahrnehmungsaufgaben ausgegangen, die die sonstigen Wahrnehmungsroutinen und Bedeutungsmuster aufbrechen. Mithilfe dieser Aufgaben haben sich die Studierenden in der Jenaer Innenstadt auf Spurensuche begeben. Aus den Spuren wurden anschließend in einem siebenschrittigen Format (vgl. Dickel & Lehmann 2020:51f.) Forschungsfragen entwickelt und diesen nachgegangen. Der ganze Prozess, bis hin zu Unterrichtsvorschlägen und Exkursionen, wurde durch ein Portfolio begleitet.
In dem Vortrag soll gezeigt werden, wie mithilfe von künstlerischen Praktiken und Wahrnehmungsübungen ein Bewusstsein für Raumerfahrung und Raumproduktion bei Lehramtsstudierenden und im Geographieunterricht geschaffen werden kann. Die Auseinandersetzung mit Raumerfahrungen ermöglicht es, Bildungsprozesse anzustoßen, Theorie und Praxis miteinander zu verknüpfen und sich selbst in räumliche und soziale Kontexte eingebettet zu begreifen. So können Zusammenhänge verstanden und zukünftige Erfahrungen sowie Handeln reflektiert werden.
Wenn die Vergangenheit die Zukunft blockiert...?! - Kolonialzeitlich geprägte Denkweisen und ihre Konsequenzen als Bestandteil des „Subsahara-Afrika“-Bildes im Geographieunterricht
Sonja Schwarze
Universität Münster, Deutschland
Studien zum Afrikabild sowie zu Vor- und Einstellungen von Schüler*innen belegen seit Jahrzehnten eine eurozentrische Wahrnehmung, die Stereotype manifestiert. Einerseits wird konstatiert, dass das Afrikabild durch Fokussierung auf Krankheit, Krieg und Armut negativ geprägt ist und andererseits durch Betonung von Natur und Wildnis romantisiert wird (vgl. u.a. Tröger 1993, Reichart-Burikukiye 2001, Schrüfer 2003). Schulbuchanalysen stellten ebenfalls ein negativ geprägtes Bild Afrikas fest (vgl. u.a. Awet 2018).
Neben einer Vielzahl von Einflüssen tragen der (Geographie-)Unterricht und Lehrmaterialien zur Etablierung des Afrikabildes bei. Jedoch geschieht dies zu einem hohen Maße implizit. Daraus ergab sich für ein qualitatives Dissertationsprojekt die Frage, wie dieser Raum konkret im Geographieunterricht mittels spezifischer Inhalte, Perspektiven und kommunikativer Mittel konstruiert wird. Mit Blick auf das erweiterte Raumverständnis (vgl. u.a. Bienert 2023) rückt entsprechend der Raum als Konstrukt (vgl. u.a. Wardenga 2002) in den Fokus, der durch Sprache und Semiotik geschaffen wird (vgl. Reuber 2012) und sich durch stetige (Re-)Produktion zu einer geographical imagination synthetisiert (vgl. Said 1978). In diesem Kontext sollte darüber hinaus diskursanalytisch untersucht werden, inwiefern kolonialzeitlich geprägte Denkweisen (vgl. Bauriedl u. Carstensen-Egwuom 2023) enthalten sind.
Fokus des Beitrags sind die Ergebnisse der Analyse der kolonialzeitlich geprägten Denkweisen, ihrer sprachlichen und/oder semiotischen Manifestationen sowie ihrer Wechselwirkung mit geographiedidaktischen Prinzipien. Ziel der Studie ist, die kolonialzeitlich geprägten, gesellschaftlich tradierten Denk- und Argumentationsweisen sichtbar zu machen, um eine bewusste Gegensteuerung im Unterricht zu ermöglichen und impliziten gesellschaftlichen Diskursen gezielt entgegenzutreten.
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