Veranstaltungsprogramm

Sitzung
Systemisches Denken
Zeit:
Dienstag, 01.10.2024:
9:00 - 10:30

Chair der Sitzung: Annabelle Koch, Justus-Liebig-Universität Gießen
Ort: Gebäude 3, Raum 3.110

1. Obergeschoß, Seminarraum, 56 Sitzplätze, Ausstattung: Projektionsfläche(n), Dokumentenkamera, VGA/HDMI-Anschluss für externe Endgeräte, Videokonferenztechnik mit Dozierenden- und Raumkamera sowie festem, Ansteck- und Raummikrofon (USB-Anschluss), WLAN: Eduroam

Pro Vortrag incl. Nachfragen und Diskussion stehen 30 Minuten zur Verfügung.

Präsentationen

„A führt zu B und dann ist [bei denen] Schluss“ – Inwiefern diagnostizieren Lehrkräfte prozessual systemische Denkstrategien mittels Videovignetten?

Annabelle Koch

Justus-Liebig-Universität, Deutschland

Zunehmende empirische und politische Publikation (z. B. NGSS) zeigen die Relevanz von systemischen Denken. Die „Habits of a System Thinker“ (Benson, Marlin 2017) dienen als Hilfe zur Operationalisierung von systemischen Denken, da sie durch leicht einprägsame Sätze vermitteln, wie sich gute Systemdenkende verhalten. Einige Studien weisen diese oder ähnliche Denkstrategien nach (u. a. Meister 2019). Zur adäquaten Förderung der Lernenden benötigen Lehrkräfte prozessdiagnostische Fähigkeiten, definiert durch die Vorgehensweise der Urteilsbildung. Sie fokussieren überwiegend Lernprozesse von Lernenden und ermöglichen, Kompetenzen differenziert zu diagnostizieren (v Aufschnaiter et al. 2020). Trotz hoher Relevanz der Prozessdiagnosen wurden diese im Kontext des systemischen Denkens bislang kaum untersucht.

Ausgehend von diesem Desiderat stellt die Studie eine Ist-Analyse der prozessdiagnostischen Fähigkeiten - inklusive der Förderung - im Bereich des systemischen Denkens von Geographielehrkräften dar. Ausgangspunkt des Forschungsdesigns bilden Videovignetten, die als Erhebungsanlass fungieren und auf Videodaten einer Vorläuferstudie zur Mystery-Methode basieren (Meister 2019). In zwei Erhebungen analysieren die Lehrkräfte die Videos in Duos, sodass die diagnostischen Fähigkeiten in einem kommunikativen Aushandlungsprozess offengelegt werden. Dazwischen findet ein Prompt zum systemischen Denken und zur Diagnostik statt. Die Auswertung erfolgt inhaltsanalytisch.

Insgesamt zeigen alle Lehrkräfte eine holistische Diagnosefähigkeit, d.h. sie achten auf systemische und nicht-systemische Aspekte. Jedoch werden interindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Inhaltsfokussierung und der Gedankenelaboration deutlich. Zudem nutzen einige Lehrkräfte die Habits implizit in der ersten Erhebung, andere erst nach dem Prompt. Die Habits werden in verschiedenen Phasen der Urteilsbildung angewendet. Im Vortrag werden die Ergebnisse der Studie thematisiert.



Der Einfluss von Material(ität) bei der Mystery-Bearbeitung auf die Hervorbringung von Systemdenken

Miriam Schöps

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland

Wie nimmt die Gestaltung von Material (und Aufgabenstellung) eines Mysterys Einfluss auf die interaktionale Herstellung von Systemdenken?

Um eine Orientierung in komplexen Themenfeldern zu unterstützen oder Zusammenhänge zwischen getrennt wahrgenommenen Bereichen selbstorganisiert durch Schüler*innen zu erschließen, haben sich Mysterys als populäre Methode des Thinking Through Geography-Ansatzes für den Geographieunterricht etabliert. Die Wahrnehmung und In-Beziehung-Setzung von Einzelinformationen wird dabei imitiert und didaktisch strukturiert. Das bereitgestellte Mystery-Material weist spezifische Eigenschaften auf, deren Einflüsse auf die Lernprozesse von Schüler*innen unterschiedlicher Systemkompetenzniveaus bisherige Analysen nahelegen (Hempowicz 2021, 206, 208; Meister 2020).

Auch in der konversationsanalytisch fundierten Studie „Sprache als Dimension fachlichen Lernens im systemorientierten Geographieunterricht“ (Schöps & Lindau i.E.) werden Einflüsse deutlich. In der rekonstruktiv angelegten Untersuchung der Entwicklung von Systemkompetenz anhand der Methode Mystery wird gesprächsanalytisch (Deppermann 2008) und multimodal betrachtet, wie die Aushandlung systemischer Beziehungen eines komplexen Problems (globaler Rosenhandel) sprachlich-interaktional von Schüler*innen gestaltet wird. Ziel ist es zu erschließen, wie Verständnisse komplexer Systemzusammenhänge von Schüler*innen hergestellt und formuliert werden. Dabei fällt die Bedeutung des Arbeitsmaterials für die Interaktionen in den Schüler*innengruppen auf.

Der Beitrag stellt fallbezogen heraus, wie das Material eines Mysterys in seiner angebotenen Sprachlichkeit sowie Materialität auf die Interaktionen Einfluss nimmt: Wie wird es sprachlich und strukturell zur Erschließung (komplexer) Zusammenhänge eingebunden? (Fach)Sprachliche Ressourcen werden nur teilweise aktiviert. Ausgehend von den Analysen werden Ideen zur Gestaltung zukünftiger Lernumgebungen zur Diskussion gestellt.



Kombinierte Nutzung von Satellitenbildern und Exkursionen im Kontext geographischer Basiskonzepte – Einblicke in die Informationsgewinnung und -verarbeitung von Schüler*innen

Johannes Keller1, Alexander Siegmund1,2

1Abteilung Geographie – Research Group for Earth Observation (rgeo), Pädagogische Hochschule Heidelberg, Heidelberg; 2Heidelberg Center for the Environment (HCE), Geographisches Institut, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg

Die kombinierte Nutzung von Satellitenbildern und Exkursionen ermöglicht es Schüler*innen globale Krisen wie den Klimawandel aus verschiedenen Perspektiven zu erforschen. Um Erkenntnisse zu gewinnen, müssen sie mithilfe geographischer Arbeitsmethoden Informationen sammeln und mithilfe das Basiskonzepts „Systemkomponenten“ im Mensch-Umwelt-System einordnen (Fögele & Mehren, 2021). Die kombinierte Nutzung von Satellitenbildern und Exkursionen im Kontext dieses Basiskonzepts stellt Lehrkräfte vor Herausforderungen. Zwar existieren Unterrichtsbeispiele zu diesem Thema (Keller et al., 2024), jedoch lassen sich diese nicht auf andere Kontexte übertragen. In einem Dissertationsprojekt sollen deshalb durch einen Design-Based Reseach Ansatz Designprinzipien für die kombinierte Nutzung von Satellitenbildern und Exkursionen im Kontext des Basiskonzepts „Systemkomponenten“ entwickelt und validiert werden.

Nach einer Explorationsphase wurden erste Designprinzipien formuliert und in einer Unterrichtseinheit umgesetzt (Keller et al., 2024). Diese Einheit wurde mit vier Klassen evaluiert. Dafür wurden 12 Think-Aloud-Protokolle mit Schüler*innen erstellt und mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiger (2022) ausgewertet, um Einblicke in die Denkprozesse der Lernenden zu erhalten (Konrad, 2010).

Im Vortrag wird exemplarisch an einem Designprinzip „die geographischen Arbeitsmethoden werden im Kontext der geographischen Basiskonzepte eingesetzt“ ausgeführt, wie dieses umgesetzt wurde. Darauf aufbauend wird dargestellt und diskutiert, welchen Effekt dies auf die Arbeit der Schüler*innen mit den Satellitenbildern hatte. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Lernenden zielgerichtet mit den Satellitenbildern arbeiten und die gewonnenen Informationen mithilfe der Systemkomponenten dem Alter angemessen verarbeiten konnten. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden einen ersten Schritt zur Validierung der aufgestellten Designprinzipien, die in weiteren Zyklen fortgeführt wird.