Für das Gelingen von Lernprozessen im hoch relevanten Themenfeld Klimawandel (IPCC 2023) als Schlüsselproblem mit weltumspannender Bedeutung (Klafki 2007) ist im Sinne von Angebot-Nutzen-Modellen von Unterricht (Helmke 2009) die Kenntnis und der Einbezug von Lernvoraussetzungen der Schüler*innen von großer Bedeutung. Zu diesen fachbezogenen Lernvoraussetzungen zählen neben dem Vorwissen bzw. den alltagsweltlichen Vorstellungen (Schuler 2011; Boyes, Stanisstreet, 1993) der Schüler*innen auch deren Überzeugungen (beliefs) sowie motivationale und selbstbezogene Merkmale. Diese umfassen beispielsweise individuelle und kollektive Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Bandura 1977, 1997, 2000) sowie Überzeugungen zur Betroffenheit der eigenen Region vom Klimawandel (Höhnle 2014, Fiene 2014 ) und die Bewertung der Problematik des Klimawandels (Ruiz et al. 2020; Reif et al. 2022). Aber auch fachliche Interessen (Krapp 1992) am Klimawandel (Höhnle et al. 2023), Ängste und Sorgen (Hermans & Korhonen 2017) sowie Handlungsbereitschaften (Busch 2019; Grothmann 2017) hinsichtlich des Klimawandels stellen wichtige Lernvoraussetzungen und zugleich Zieldimensionen von Geographieunterricht dar. Zwar kann in einigen der genannten Bereiche auf internationale, meist aus der BNE bzw. der Umweltbildung stammende Studien zurückgegriffen werden, für Schüler*innen in Deutschland liegen bislang jedoch nur wenige reliable und valide Erhebungsinstrumente sowie auf solchen basierende empirische Erkenntnisse vor. Dieses Desidarat soll in der Sitzung adressiert werden, indem sowohl Erhebungsinstrumente als auch Erkenntnisse aus empirisch-geographiedidaktischer Forschung zu Ausprägungen und Zusammenhängen der genannten Schüler*innenmerkmale im Rahmen von Forschungsvorträgen vorgestellt und mit Blick auf Konsequenzen für den Geographieunterricht diskutiert werden sollen.
Literatur:
Bandura, A. (1977): Self-efficacy: toward a unifying theory of behavioral change. In: Psychological review 84 (2), S. 191–215. DOI: 10.1037//0033-295x.84.2.191 .
Bandura, Albert (1997): Self-efficacy. The exercise of control. 11. printing. New York, NY: Freeman.
Bandura, Albert (2000): Exercise of Human Agency Through Collective Efficacy. In: Current Directions in Psychological Science 9 (3), S. 75–78. DOI: 10.1111/1467-8721.00064 .
Boyes, E.; Stanisstreet, M. (1993): The ‘Greenhouse Effect’: children´s perceptions of causes, consequences and cures. In: International Journal of Science Education, 15(5), S.531-552, DOI 10.1080/0950069930150507 .
Busch, K. C.; Ardoin, N.; Gruehn, D.; Stevenson, K. (2019): Exploring a theoretical model of climate change action for youth. In: International Journal of Science Education 41 (17), S. 2389–2409. DOI: 10.1080/09500693.2019.1680903 .
Deutsche Gesellschaft für Geographie (Hg.) (2020): Bildungsstandards im Fach Geographie für den Mittleren Schulabschluss. mit Aufgabenbeispielen.
Deutsche Gesellschaft für Geographie (Hg.) (2022): Geographie. Das Zukunftsfach.
Fiene, C. (2014): Wahrnehmung und Bewertung von Umweltrisiken durch Jugendliche - eine empirische Studie zur Förderung einer nachhaltigen Umweltverhaltenskompetenz. Heidelberg.
Grothmann, T. (2017): Psychologische Eckpunkte erfolgreicher Klima(schutz)kommunikation. In: Irene López (Hg.): CSR und Wirtschaftspsychologie: Psychologische Strategien zur Förderung nachhaltiger Managemententscheidungen und Lebensstile. Berlin und Heidelberg, S. 221–240.
Helmke, A. (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze-Velber.
Hermans, M. & Korhonen, J. (2017) Ninth graders and climate change: Attitudes towards consequences, views on mitigation, and predictors of willingness to act. In: International Research in Geographical and Environmental Education, 26:3, 223-239, DOI:10.1080/10382046.2017.1330035 .
Höhnle, S. (2014). Online-gestützte Projekte im Kontext Globalen Lernens im Geographieunterricht. Empirische Rekonstruktion internationaler Schülerperspektiven. Münster.
Höhnle, S., Velling, H., & Schubert, J. C. (2023). Das Interesse von Schülerinnen und Schülern am Klimawandel: Ergebnisse einer quantitativen Fragebogenerhebung. Zeitschrift für Geographiedidaktik (ZGD), 51(2), 70–85. https://doi.org/10.60511/51192 .
IPCC (2023): Synthesis Report of the IPCC sixth assessment report (AR6). Longer Report.
Klafki, Wolfgang (2007): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. Weinheim.
Krapp, A. (1992a). Konzepte und Forschungsansätze zur Analyse des Zusammenhangs von Interesse, Lernen und Leistung. In A. Krapp & M. Prenzel (Hrsg.), Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze der pädagogisch-psychologischen Interessenforschung (S. 9–52). Münster.
Reif, A., Peter, E., Gillner, T., Hortig, L.-M., Joost, A. & Taddicken, M. (2022): Vom Bildschirm auf die Straße? Eine empirische Untersuchung der Identifikation, Online-Partizipation und des Klimaproblembewusstseins von Fridays-for-Future-Beteiligten.
Ruiz, I., Faria, S. H. & Neumann, M. B. (2020). Climate change perception: Driving forces and their interactions. In: Environmental Science and Policy. 108. 112-120.
Schuler, S. (2011): Alltagstheorien zu den Ursachen und Folgen des globalen Klimawandels: Erhebung und Analyse von Schülervorstellungen aus geographiedidaktischer Perspektive. Bochum.