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Paper session: Wissenstransfer
Sitzungsthemen: Deutsch
hybrid - auf Deutsch | ||
Präsentationen | ||
11:00 - 11:30
Akademisierung: eine neue Perspektive auf Berufe 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland; 2Universität Hamburg, Deutschland; 3Pennsylvania State University, USA Hochschulbildung, so eine weitflächig geteilte Annahme, bediene die Bedarfe der Wirtschaft: Marktkräfte oder technische Neuerungen schaffen neue Berufe auf welche Hochschulen mit neuen Abschlüssen und Lehrplänen reagieren, um künftige Arbeitnehmer entsprechend auszubilden. Demgegenüber wird in diesem Beitrag ein alternativer von den Hochschulen ausgehender Prozess vorgestellt: die globale Expansion der Hochschulbildung und der Forschungskapazitäten führt zur Erzeugung neuen Wissens und Fähigkeiten und überführt und privilegiert diese in hochschulischen Bildungsprogrammen. Hochschulen legitimieren so neue Abschlüsse, die dann im privatwirtschaftlichen und öffentlichen Sektor Bedarfe hervorrufen und sukzessive nachgefragt werden. Diesen Prozess bezeichnen wir als Akademisierung der Arbeit (Stock 2017; Mitterle und Stock 2021). Die Perspektive schließt an die Arbeiten Parsons und Platt (1973), frühe Arbeitsmarktstudien zum Verhältnis von Bildung und Arbeitsmarkt und neo-institutionalistische Überlegungen zur Hochschulbildung an (e.g. Baker 2014; Schofer et al. 2021). Sie konstatiert zudem die Breite eines Phänomens, das bislang vor allem in der Peripherie des Hochschulwesens, in der hochschulischen Aufwertung von praxisorientierten Ausbildungsangeboten, diskutiert wurde (Pflege, Hebammen, usw.). Die Bedeutung der Akademisierung wird anhand von vier empirischen Entwicklungen und Trends vorgestellt, die übergreifend selbst in stark gegensätzlichen Hochschulwesen und Arbeitsmärkten vorkommen, dem offenen und wenig restriktiven Bildungs- und Berufssystem in den USA als auch dem staatlich kontrollierten deutschen Bildungssystem mit hochspezifizierten Übergangspfaden in den Arbeitsmarkt (vgl. DiPrete et al. 2017). Der Beitrag stützt sich zudem auf sieben detaillierte Fallstudien in diesen Ländern, die sich mit der Entstehung von sechs ausgewählten Berufen und den damit verbundenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Abschlüssen befassen (Stock et al. 2023; Mitterle et al. 2024). Die Fälle – von Entrepreneurship Studies über Architectural Engineering bis hin zur Frühpädagogik – veranschaulichen einerseits die Komplexität, historische Kontingenz, Spezifität und Variation in den Beziehungen zwischen Studienabschluss und Beruf, belegen aber zugleich wie weitreichend die Herangehensweise an berufliche Aufgaben mittlerweile durch akademisches Wissen und fachliche Typisierungen geprägt wird. Literatur: Baker, D. (2014). The Schooled Society: The Educational Transformation of Global Culture. Stanford University Press. DiPrete, T.A., T. Bol, C.C. Eller & van de Werfhorst, Herman G., (2017), School-to-Work Linkages in the United States, Germany, and France. American Journal of Sociology 122(6), 1869-1938. Mitterle, A. & Stock, M. (2021), Higher education expansion in Germany: between civil rights, state-organized entitlement system and academization. European Journal of Higher Education 11(3), 292-311. Parsons, T. & G.M. Platt, 1973: The American University. Cambridge, Mass: Harvard University Press. Schofer, E., Ramirez, F. O. & Meyer, J. W. (2021). The societal consequences of higher education. Sociology of Education, 94(1), 1-19. Stock, M. (2017), Hochschulexpansion und Akademisierung der Beschäftigung. Soziale Welt, 68(4), 347–364. Stock, M., A. Mitterle & D. Baker (2024, Eds.), How Universities Transform Occupations and Work in the 21st Century: The Academization of German and American Economies. Bingley: Emerald. A. Mitterle, A. Mathies, A. Maiwald & C. Schubert (2024, Eds.), Akademisierung – Professionalisierung. Zum Verhältnis von Hochschulbildung, akademischem Wissen und Arbeitswelt. Wiesbaden: Springer VS. 11:30 - 12:00
Über den Campus hinaus: Transferaktivitäten an unterschiedlichen Hochschultypen 1Westfälische Hochschule; 2Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung; 3Universität Speyer Hintergrund: In den vergangenen Jahren lässt sich ein wachsendes Forschungsinteresse zum Wissenstransfer beobachten. Dieser stellt neben Forschung und Lehre eine wesentliche Facette der dritten Mission von Hochschulen dar. Mögliche Transferpartner sind der Staat, die Wirtschaft und die (Zivil-)Gesellschaft. Historisch gewachsen ist das deutsche Hochschulsystem durch eine binäre Struktur aus Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) gekennzeichnet, die sich insbesondere hinsichtlich der Aufgabenbereiche und Anforderungen an die Professor:innenschaft massiv unterscheiden. Der vorliegende Vortrag befasst sich daher mit der Frage nach den Unterschieden in der Ausgestaltung und Intensität von Transferaktivitäten von Professor:innen nach Hochschultypen. Methode: Zu diesem Zweck wurde im Frühjahr 2023 eine Online-Befragung unter 36.012 Professor:innen an 144 deutschen Hochschulen zum Thema Wissenstransfer durchgeführt. Der Rücklauf betrug 4.001 vollständig ausgefüllte Fragebögen, was einem Anteil von 11 % entspricht. Im Rahmen der Befragung wurden unter anderem die Relevanz des Wissenstransfers, Kooperationspartner, Transfermechanismen, Motive, Hemmnisse und unterstützende Faktoren, die Unterstützung durch die Hochschulleitung sowie die Bedeutung von Nebentätigkeiten thematisiert. Die Relevanz der verschiedenen Formen des Wissenstransfers wurde entsprechend ihrer Ausprägung auf einer fünfstufigen Likert-Skala von 1 (irrelevant oder nie) bis 5 (sehr relevant oder sehr häufig) erfragt. Ergebnisse: Die Ergebnisse der Umfrage zeigen zunächst, dass sich Professor:innen an HAW stärker in den Transfer einbringen als ihre universitären Kolleg:innen (2,5 zu 2,2). Bei näherer Betrachtung der Daten ergeben sich jedoch interessante Differenzierungen. Ein Vergleich der gewählten Transfermechanismen zeigt, dass der Unterschied zwischen den Hochschultypen auf den erheblich stärkeren Personalaustausch an HAW zurückzuführen ist. Dieser findet insbesondere über Praktika und Abschlussarbeiten bei externen Unternehmen, parallele Beschäftigung, Lehre durch externe Lehrkräfte sowie Service Learning statt. Alle weiteren betrachteten Mechanismen, die sich in „Direkte Interaktion”, „Weiterbildung”, „Wissenschaftskommunikation” sowie „Wissens- und Technologieverwertung” gruppieren lassen, sind bei den Hochschultypen nahezu identisch ausgeprägt. Ein Vergleich der Fachgruppen zeigt darüber hinaus, dass Transfer an HAW grundsätzlich intensiver verfolgt wird, mit Ausnahme der Ingenieurswissenschaften und Informatik, deren Transferintensität an Universitäten höher ist als in sämtlichen HAW-Fachgruppen. Diesbezüglich ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Struktur der Fakultäten und Studiengänge an Universitäten deutlich stärker an der Fächersystematik des Statistischen Bundesamtes ausgerichtet ist, welche auch unserer Befragung zugrunde lag. Fachbereiche und Studienfächer an HAW sind hingegen häufig interdisziplinärer aufgebaut. Diesem Fakt zum Trotz zeigt sich in unserer Befragung, dass Professor:innen an Universitäten sich als stärker interdisziplinär ausgerichtet beschreiben (3,8), als es an HAW der Fall ist (3,7). Allgemein lässt sich eine Korrelation zwischen Interdisziplinarität und Transferintensität feststellen. Auch lässt sich feststellen, dass Professor:innen mit Nebentätigkeiten an beiden Hochschultypen eine stärkere Einbindung in Transferaktivitäten aufweisen. Fazit: Die Ergebnisse zeigen, dass Professor:innen an HAW insgesamt stärker in Transferaktivitäten involviert sind. Dies ist einerseits erwartbar vor dem Hintergrund anwendungsorientierterer Forschung und Lehre, andererseits beachtlich, da wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an HAW deutlich seltener verfügbar sind und Professor:innen eine höhere Lehrbelastung haben. Eben über diese Lehre findet ein Großteil des Transfers an HAW statt. Die Transferintensität wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter Interdisziplinarität, Nebentätigkeiten und die fachliche Ausrichtung. Entsprechend können Hochschulen Transferaktivitäten fördern, indem sie interdisziplinäre Zusammenarbeit und Projekte unterstützen, Nebentätigkeiten als Transfervehikel begreifen und fördern sowie ihre Berufungspraxis überdenken. 12:00 - 12:30
Divergente Perspektiven der Hochschulleitungen auf Wissenstransfer und Campus-Community Partnerships in Österreich 1Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Österreich; 2Universität Kassel, Deutschland; 3WU Wien, Österreich In Zeiten der Unsicherheit und der gesellschaftlichen Herausforderungen gewinnt die institutionalisierte Zusammenarbeit von Wissenschaft, Praxis und Politik zunehmend an Bedeutung. Beim Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis und Politik spielen Formate des Wissenstransfers und Campus-Community-Partnerships (CCPs) eine wichtige Rolle (Fahrenwald et al. 2023; Spiel et al. 2020). In diesen Kooperationen können einerseits neue Wege der Wissensgenerierung sowie Formen der Zusammenarbeit erprobt werden (Resch & Slepcevic-Zach 2021) und andererseits müssen diese angesichts gesellschaftlicher Krisen Stand halten können. Wenn Hochschulen aktiv und bewusst Verantwortung für gesellschaftspolitische, wirtschaftliche, soziale oder umweltbezogene Problemlagen im Rahmen von CCPs übernehmen, dann sind die Hochschulleitungen häufig mit-involviert. Bislang ist jedoch wenig über die Perspektiven des Top-Managements auf Wissenstransfer und CCPs an österreichischen Hochschulen bekannt (Rameder et al. 2023). Die Forschungsfrage „Welchen Stellenwert haben Wissenstransfer und CCPs für Hochschulleiter*innen?“ bildet den Ausgangspunkt des Beitrags. Ein Online-Survey wurden im Wintersemester 2023/24 österreichweit an alle 75 Hochschulleitungen ausgesendet. Die Befragung des Top-Hochschulmanagements ist aufgrund anderer Prioritäten und zeitlicher Verfügbarkeit kein leichtes Unterfangen. Dennoch nahmen N= 58 Hochschulleiter*innen (u.a. Rektor*innen, Geschäftsführer*innen, Leiter*innen Transferstelle) an der Befragung teil, was angesichts der Größe der österreichischen Hochschullandschaft trotz statistisch geringer Zahl relevante Aussagen über das Feld zulässt. Das Sampling erfolgte kriterienbasiert (Schreier 2018) auf Basis der Zugehörigkeit zur Hochschule und der derzeitigen Leitungsfunktion. Der Fragebogen beinhaltete 8 offene von insgesamt 23 Fragen, in denen das Verständnis der Relevanz von Wissenstransfer und CCPs für ihre Hochschule sowie strukturelle Voraussetzungen und Anreizsysteme für CCPs erfragt wurden. Diese dienen im Beitrag als Datengrundlage. Die Ergebnisse zeigen die divergenten Perspektiven der Hochschulleitungen auf, die zum einen eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik nahelegen (welche sich etwa auf einen reziproken Transferprozess von der Hochschule in die Gesellschaft sowie auf den Institutionalisierungsgrad von Kooperationen beziehen können) und zum anderen ein auf eher limitiertes konzeptionelles Verständnis hindeuten (das lediglich lose Aktivitäten und Partnerschaften benennt). Die Hochschulleitungen unterscheiden mehrere Ebenen des Wissenstransfers und verstehen Wissenstransfer gemeinhin als Teilbereich der Third Mission – ein Konzept, das als geläufiger gilt als jenes der CCPs. Diese werden zweidimensional als ein reziproker Transferprozess von der Hochschule in die Gesellschaft und wieder zurück gedeutet, oder vereinfacht als Anbindung der Lehre an die Praxis dargestellt. Die Hochschulleitungen nennen zahlreiche Beispiele für curriculare (z.B. service-learning) und außercurriculare CCPs an ihren Hochschulen (z.B. Kepler-Salon). Der Beitrag gibt erste Einblicke in ein spezifisches Segment der Hochschulforschung mit dem Top-Management, die eine wichtige Basis für weitere Studien und künftige Formen institutionalisierter Kooperation zwischen Hochschule und Gesellschaft diskutiert werden können. Literatur Fahrenwald, C., Resch, K., Rameder, P., Fellner, M., Slepcevic-Zach, P. & Knapp, M. (2023). Taking the Lead for Campus-Community-Partnerships in Austria. Frontiers in Education, 8:1206536. doi: 10.3389/feduc.2023.1206536. Rameder, P., Knapp, M., Fellner, M. (2023). Campus-Community-Partnerships in der Hochschullehre: Aktuelle Daten aus Österreich. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 18(2), 75–96. https://doi.org/10.3217/zfhe-18-02/05 Resch, K., Slepcevic-Zach, P. (2021). Service-Learning als Methode des hochschulischen Wissenstransfers. S.150-169. In: Moll, G. & Schütz, J. (Hrsg.). Wissenstransfer – Komplexitätsreduktion – Design. wbv Verlag. DOI: 10.3278/6004796w |