ADLES Symposium Fremdsprachendidaktik: neue Forschung zum schulischen Fremdsprachenunterricht
Chair(s): Stefan Keller (PH Z)
Diskutant:in(nen): Sybille Heinzmann (PH FHNW), Stefan Daniel Keller (PH Zürich), Linda Grimm (PH St. Gallen)
Dieses Symposium wird vom Verband Fremdsprachendidaktik Schweiz (Association en didactique des langues étrangères en Suisse – ADLES) organisiert und präsentiert neue Forschungen zum Fremdsprachenunterricht in der Schweiz. Im Beitrag von Olivier Bolomey kommt dabei erstens die „Aufgabenkultur“ (Keller et al., 2016) des Unterrichts in den Fokus. Dabei wird in einer qualitativen Lehrwerksanalyse (Rösler et al., 2016) untersucht, in welchem Umfang moderne handlungsorientierte Konzepte von Fremdsprachenunterricht schon in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache auf der Primarschule umgesetzt sind. Im zweiten Beitrag befasst sich Sabine Binder mit dem Literaturunterricht im Fach Englisch auf der Sekundarstufe I. In einer qualitativen Studie wird untersucht, inwieweit die lernerzentrierte Arbeit mit altersadäquaten literarischen Texten die Lesefähigkeit der Lernenden sowie ihre Lesemotivation zu beeinflussen vermag. Im dritten Beitrag stellen Catherine Ferris und Sandrine Wild das Projekt „Tools@Schools vor. Dieses untersucht in einem mixed-methods Ansatz die Rolle, welche moderne, KI-basierte Übersetzungsprogramme im Fremdsprachenunterricht in Zukunft spielen können (Klimowa et al., 2022). Dabei stehen unterschiedliche Aufgabensets im Fokus.
In den drei Beiträgen dieses Symposiums werden erstens zentrale Aspekte des Fremdsprachenunterrichts angesprochen, wobei sowohl ein neuer Blick auf tradierte Unterrichtsformen (Lernaufgaben, Literaturunterricht) geworfen wird, wie auch neue Technologien in den Fokus kommen (Verwendung von künstlicher Intelligenz). Das Symposium verbindet zweitens unterschiedliche fachdidaktische Forschungszugänge (Lehrwerksanalyse, Implementationsstudien, mixed-methods approach) und zeigt exemplarisch auf, welche Erkenntnisse diese für die Weiterentwicklung des Fremdsprachenunterrichts in Theorie und Praxis zu leisten vermögen. Drittens verbindet das Symposium Arbeiten an unterschiedlichen Pädagogischen Hochschulen der Schweiz (HEP Vaud, PH Zürich, PH St. Gallen), welche interdisziplinär diskutiert werden können.
Beiträge des Symposiums
De l’allemand comme « tâche » à la « tâche actionnelle » pour apprendre l’allemand
Olivier Bolomey
Haute école pédagogique du canton de Vaud
Enseignement-apprentissage des langues à l’école primaire : articulation entre moyens d’enseignement et postures des enseignant-e-s – l’exemple de l’allemand langue étrangère dans le canton de Vaud
In diesem Dissertationsprojekt geht es um eine Lehrwerkanalyse und eine empirische Forschung mit 4 Lehrpersonen der Grundschule mit verschiedenen Beobachtungen in ihren Klassen (7H-8H). Die Forschungsfragen sind die folgenden:
• Auf welche Weise werden die Merkmale von dem Handlungsorientierter Unterricht in den Lehrmitteln für den Deutschunterricht berücksichtigt?
• Welche didaktischen Haltungen nehmen die Deutschlehrpersonen der Primarschule ein und wie setzen sie die Lehrmittel ein?
Lors du symposium de l’ADLES, nous nous centrerons sur la première question, soit celle en lien avec l’analyse des moyens d’enseignement. En effet, les manuels occupent une place centrale dans l’enseignement, notamment dans celui des langues étrangères, à tel point qu’ils en deviennent parfois un « curriculum caché » (Fäcke, 2016). En outre, ils ont un effet important sur la normalisation de l’enseignement et sur le contrôle de la progression des élèves (Fäcke, 2016). C’est l’outil principal employé par les enseignant-e-s, avec ses forces et ses faiblesses, en moyenne pour 80% du temps passé en classe (Suresh, 2021).
La conception des moyens d’enseignement est influencée par les concepts dominants de la didactique des langues (Fäcke, 2016). Depuis les années 1970, le courant communicatif a influencé le développement des manuels dans le domaine de l’allemand langue étrangère (Wicke, 2021). Les moyens d’enseignement actuels se réclament, quant à eux, d’être influencés par l’approche par les tâches (Thonhauser, 2016). Il en va ainsi des moyens d’enseignement romand de l’allemand «Junior 7» et «Junior 8», dont les autrices-auteurs indiquent que leurs manuels tiennent compte notamment de l'approche communicative et de la perspective actionnelle, « orientée vers l'exécution de tâches concrètes » (Junior 7, Lehrerhandbuch, p. 5).
Afin d’analyser les moyens d’enseignement précités, une grille a été créée en mettant un focus sur la perspective actionnelle dans laquelle l’apprenant-e est considéré-e comme un acteur social qui doit accomplir diverses tâches (CECR, 2001 ; Puren, 2009). Cette grille peut être employée pour tous les manuels de langues. La première étape consiste à analyser la table des matières, afin de déterminer le contenu et les orientations didactiques – en se centrant sur les thématiques, les contenus, les textes proposés aux élèves et les activités langagières travaillées dans chaque unité. A la suite de l’examen de la table des matières, les activités langagières de production orale ou écrite repérées sont ensuite analysées avec des critères orientés sur l’approche actionnelle (Ellis, 2009 ; Thonhauser, 2016), Dans cette seconde partie, on se centre sur la situation de communication, les destinataires et la part de spontanéité laissée aux élèves. Si l’activité de production répond – au moins partiellement – aux critères d’une tâche une dernière étape est réalisée permettant de décrire et de catégoriser la tâche en question.
Lors du symposium, la grille et les résultats seront présentés et permettront d’échanger sur la place de l’approche actionnelle dans les moyens d’enseignement.
Using literary texts for language learning in the lower secondary EFL classroom
Sabine Binder
PH Zürich
Das Lesen von literarischen Texten in der Fremdsprache wird nicht selten als zu schwierig für Lernende auf der Sekundarstufe I betrachtet. So setzen Fremdsprachenlehrpersonen oft fortgeschrittene Sprachkompetenzen für das erfolgreiche literarisch interpretierende Lesen bei ihren Lernenden voraus (siehe z.B. Diehr and Surkamp 2015, Gardemann 2021). Umgekehrt deuten die wenigen bis heute existierenden empirischen Studien darauf hin, dass Lernende selber Literatur als wichtig für den Erwerb von Sprachkompetenzen erachten (Bloemert, Jansen, and Paran 2019) und dass sich der Einsatz von literarischen Texten positiv auf die Entwicklung der fremdsprachlichen Lesefähigkeit auswirkt (Lehrner-te Lindert 2022).
Die hier vorgestellte Design-Studie (nach Euler 2014 und Bakker 2018) hinterfragt das Primat der Sprachkompetenz bis zu einem gewissen Grad. Sie ist offen für die Möglichkeit, dass Lesefreude nicht ausschliesslich über die Arbeit an der Lesekompetenz (Grabe & Stoller 2020) beeinflusst werden kann, sondern auch über ästhetische Erfahrungen und vertiefte Einsichten, wie sie literarisch interpretierendes Lesen ermöglichen. Die Studie will aufzeigen, wie der Einsatz von Literatur im Englischunterricht auch auf Sekundarstufe I gelingen und wie literarisches Verstehen gefördert werden kann. Dazu konfrontierte sie Schüler:innen einer 1. Sekundarklasse im Kanton Zürich mit altersadäquaten authentischen Kurzgeschichten in der englischsprachigen Originalfassung. Für die lernerzentrierte Arbeit mit den Texten stellte sie begleitendes, theoriebasiert und in enger Zusammenarbeit mit der Praxis entwickeltes Unterrichtsmaterial in der Form von Unterrichtsplänen, Aufgaben und didaktischen Handreichungen bereit (Hallet, Königs, and Martinez 2020, Tomlinson 2017, Diehr and Surkamp 2015, etc.). Während einer ersten, rund drei Monate dauernden Implementierungsphase wurden schriftliche Schüler:innenprodukte, Tonaufnahmen aus dem Unterricht, Feldnotizen und Schüler:innenfeedback gesammelt. Die sodann erfolgte qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz and Rädiker 2022) dieser Daten war von folgenden Forschungsfragen geleitet: Welche Hinweise auf wörtliche und literarische Verstehensprozesse gibt es? Welche Qualitätsmerkmale und Verstehenstiefe zeichnen sie aus? In welcher Beziehung stehen sie zu a) Komponenten des Unterrichtsmaterials, b) Sprachkompetenz und c) berichteter Lesefreude. Die hier präsentierten Ergebnisse deskriptiver und formativ evaluativer Art erlauben einen vertieften Einblick in die durch Texte und Unterrichtsmaterial angeregten wörtlichen und literarischen Leseverstehensprozesse. Sie werden abschliessend im Hinblick auf Verbesserungsvorschläge des Materials für den nächsten Implementationszyklus sowie auf konkrete Fördermassnahmen im Unterricht diskutiert. Die Studie leistet damit einen Beitrag zu Gelingensbedingungen für literarisches Lesen im Englischunterricht auf der Sekundarstufe I, aber auch zur Frage des Verhältnisses von fremdsprachlicher und literarischer Kompetenz.
Fremdsprachenunterricht digital: Aufgabensets für KI-basierte Übersetzungsprogramme
Catherine Ferris, Sandrine Wild
PH St. Gallen
Bestehende Forschung zum Umgang mit Übersetzungstools fokussiert sich vor allem auf Lernende universitärer Stufe (vgl. Lee, 2021). Forschende, die sich mit der Effektivität der Toolnutzung fürs Wortschatzlernen durch ältere Lernende befassen (vgl. Chen, 2011; Fredholm, 2019) kommen zum Fazit: Die Toolnutzung mag momentbezogen helfen, ein neues Wort zu verstehen oder richtig anzuwenden. Ohne den nachgeschauten Wörtern und Sätzen zusätzliche Aufmerksamkeit zu schenken, ist der Lerneffekt jedoch nicht nachhaltig. Dass die Übersetzungstools auch Lernenden auf Anfängerniveau helfen, sich verständlicher, korrekter und teilweise auch überhaupt auszudrücken, ist unbestritten (Garcia & Pena, 2011). Doch damit die Toolnutzung nicht nur kommunikations-, sondern auch lernförderlich wird, sind von den Fremdsprachenlehrpersonen Voraussetzungen zu schaffen. Dies bestätigt auch eine Intervention auf der Sekundarstufe I, bei welcher vor allem die Schüler:innenperspektive erhoben wurde (vgl. Perrin et al., 2021).
Mit den sich schnell weiterentwickelnden Tools werden gewisse Lernprozesse im Fremdsprachenunterricht beinahe redundant gemacht. Doch wie kann eine gute Balance zwischen digitalem Wandel im Fremdsprachenunterricht und solidem Kompetenzaufbau in den Fremdsprachen gefunden werden?
Im Projekt «Tools@Schools» wurden in einem ersten Arbeitspaket vier Aufgaben entwickelt und erprobt, mit dem Ziel, Schüler:innen auf Sekundarstufe I beim bewussten und kompetenten Umgang mit Übersetzungstools zu unterstützen. Weiter sollen die Aufgaben den Lehrpersonen dabei behilflich sein, die Verwendung von Übersetzungstools im Unterricht zu thematisieren und anzuleiten. Die Auseinandersetzung mit den Wörtern oder Satzfragmenten, die Dank Übersetzungstools generiert werden, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die entwickelten Aufgaben knüpfen thematisch an die gängigen Fremdsprachlehrmittel an und basieren auf einem eigens entwickelten Kompetenzmodell. Ziel ist es, Aufgaben zu entwickeln, die das kommunikative Potenzial der Übersetzungstools nutzen, gleichzeitig aber auch die im Lehrplan 21 festgelegten Fremdsprachkompetenzen fördern und das Sprachenlernen unterstützen.
Die Aufgaben wurden im Anschluss an eine Expert:innenbeurteilung durch Fachdidaktiker:innen, Fremdsprachlehrpersonen und Sprachwissenschaftler:innen hinsichtlich ihrer Machbarkeit, Verständlichkeit und Kompetenzförderung vom Projektteam überarbeitet und optimiert. Danach wurde das Aufgabenset in acht Klassenzimmern auf Sekundarstufe I in den Kantonen St.Gallen, Thurgau und Zürich erprobt. Interviews mit den Lehrpersonen nach der Erprobung gaben Auskunft zur Nützlichkeit der Aufgaben, sowie zur Durchführung im Klassenzimmer. In einem weiteren Schritt wurden die anfänglich für die Fremdsprache Französisch entwickelten Aufgaben, in die Fremdsprachen Italienisch und Englisch übertragen.
In einem zweiten Arbeitspaket wurden weitere vier Aufgaben entwickelt. Das zweite Aufgabenset wurde im Vergleich zum ersten flexibilisiert. Das heisst, dass die Lehrpersonen spezifische Inhalte selbst wählen können, während die Aufgaben den thematischen Rahmen vorgeben und didaktisiert sind.
Mit diesen Aufgaben reagiert das Projekt auf eine neue Realität des zunehmend digitalisierten Fremdsprachenunterrichts. Die Frage ist letztlich nicht, ob Schülerinnen und Schüler Übersetzungstools in der Schule verwenden sollen, sondern wie man den Schüler:innen dabei hilft, mit solchen digitalen Hilfsmitteln kompetent und lernverantwortlich umzugehen. Ein Folgeprojekt zum Einsatz von maschinellen Übersetzungstools und KI-Sprachmodellen im fremdsprachlichen Sachfachunterricht, mit Start Juli 2023, wurde erfolgreich beim BAK akquiriert und erweitert das Ausgangsprojekt um den fächerübergreifenden Kontext.