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„Crossroads“ - Ein Computerspiel als Handlungsraum zur Förderung interkultureller Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht
Christof Chesini
Pädagogische Hochschule Thurgau, Schweiz
Interkulturelle Kompetenzen lassen sich auch im Fremdsprachenunterricht insbesondere durch sprachliche, kulturelle und soziale Interaktion sowie durch Reflexion aufbauen (z.B. Erll/Gymnich 2007). Aufgaben und Szenarien zur Förderung von Interkulturalität sind zwar ein fester Bestandteil in Lehrwerken und Unterrichtsmaterialien, doch häufig lässt sich das erwünschte Wechselspiel von Interaktion und Reflexion im Klassenraum nicht in vollem Umfang umsetzen, weil der dafür erforderliche Handlungsraum im schulischen Kontext nicht ausreichend angeboten werden kann. Ein digitales Spielformat könnte dazu beitragen, Lernende in möglichst realitätsnahe Handlungsräume zu versetzen (vgl. Pohl 2020).
„Crossroads“ ist ein Prototyp für ein dialogbasiertes Serious Game, das Schüler:innen ein Web-Storytelling-Tool für interkulturelles Lernen bietet. Im Spiel wird der Versuch unternommen, gesellschaftliche oder kulturelle Barrieren in Form von ausgewählten Critical Incidents (Heringer 2015) darzustellen. Die unterschiedlichen Aspekte, die u.a. zu Missverständnissen führen können, orientieren sich am Eisbergmodell (Hall 1976).
Durch immersive Spielmechaniken und Erzählprinzipien werden Lernende in kritische Alltagssituationen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, ethnischer und sozialer Zugehörigkeit versetzt. Ziel ist es, ihr eigenes Handeln und ihre Entscheidungen zu reflektieren, individuelle sowie kollaborative Bewältigungsstrategien und Lösungsansätze zu entwickeln. Das Spiel möchte einen Beitrag zur Sensibilisierung für Verständigung und Engagement in Bezug auf sprachliche und kulturelle Vielfalt leisten und die Entwicklung und Reflexion von Werten unterstützen. «Crossroads» ist durch eine transdisziplinäre Kooperation zwischen Forschung, Schulpraxis und Wirtschaft (IT- und Gamebranche) entstanden, wobei innerhalb der Forschung interdisziplinär zwischen Erziehungswissenschaften, Soziologie und Fremdsprachendidaktik zusammengearbeitet wurde.
Die Erprobung einer prototypischen Spielsequenz wurde Anfang 2023 in acht Klassen verschiedener Stufen an Schulen in der deutschsprachigen Schweiz durchgeführt. Für die Erhebung von Daten werden Unterrichtsbeobachtungen, Fragebögen und Interviews eingesetzt. Der Befragung wird das von Keller und Kopp (1987) entwickelte ARCS-Modell für motivationales Instruktionsdesgin im E-Learning zugrunde gelegt, welches die motivationalen Bedingungen Aufmerksamkeit, Relevanz, Erfolgszuversicht und Zufriedenheit aufgreift.
Im Rahmen des Einzelbeitrages werden Einblicke in den aktuellen Stand der Entwicklung des Prototyps von „Crossroads“ gewährt und die Ergebnisse der Erprobung vorgestellt. Anschliessend wird der Frage nachgegangen, inwiefern der Einsatz dieses Computerspiels im Klassenverband geeignet ist, um interkulturelle Kompetenzen der Lernenden zu fördern.
14:00 - 14:30
Über das Vernetzen hinaus: Migrationssprachen mittels Herkunftsspracheunterricht als Ressource des (Fremd-)Sprachenunterrichts anerkennen
Irène Zingg
Pädagogische Hochschule Bern, Schweiz
In einer transnationalisierten Gesellschaft herrscht Sprachenvielfalt in den Klassenzimmern. Um dieses Potenzial der verschiedenen Sprachen der Migration zu nutzen, kann der Herkunftsspracheunterricht (HSU) eine erweiterte Schlüsselfunktion für die Sichtbarkeit der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit im Schweizer Schulsystem übernehmen (Giudici & Bühlmann 2014).
Vier im Rahmen der Finanzierung des Sprachengesetzes des Bundes (SpV 11) unterstützte Projekte fokussierten eine integrierte (Erst-)Sprachförderung. Der innovative Ansatz der pädagogischen Kooperationen zwischen Lehrpersonen des Heimatsprachunterrichts und Klassenlehrpersonen hatten eine bessere Vernetzung mit der Regelstruktur zum Ziel. Die kürzlich abgeschlossenen Projekte belegen, dass die z.T. sehr gut ausgebildeten HSU-Lehrpersonen fähig und willens sind, vermehrt mit der Regelstruktur zusammenzuarbeiten. Zudem konnten auffällige Defizite über den Kenntnisgrad des Herkunftsspracheunterrichts von amtierenden, wie zukünftigen Lehrpersonen aufgezeigt werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse belegen eindeutig die wissenschaftliche Bedeutung der neuen Herangehensweisen im Umgang mit Sprachenvielfalt in der postmigrantischen Bildungslandschaft. Eine Beziehung auf Augenhöhe dieser beiden Akteursgruppen hilft, Vorurteilen gegenüber den Sprachen der Migration entgegenzuwirken sowie stereotype Schubladisierungen auf-zubrechen – sie schaffen die Voraussetzungen für eine sprachfreundliche(re) Schule, bei der die Sprachanerkennung unabhängig der Sprach(en)zugehörigkeiten gilt. Das den vier Entwicklungsprojekten zugrunde liegende Tandemmodell konnte einen wertvollen Beitrag zum Aufbau und der Implementierung von Sprachaktivitäten in Zusammenarbeit mit HSU-Lehrpersonen leisten.
Die Sprachen der Migration könnten mit der (Fremd-)Sprachendidaktik noch mehr anerkannt und damit das Know-how von Lehrpersonen des HSU besser vernetzt werden. Dabei ist ein Ausbau in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen zentral, zugunsten von sprachsen-siblen Lehr- und Lernsituationen. Eine solche Debatte würde insbesondere die Entwicklung einer umfassenden Sprachdidaktik in einem mehrsprachigen Umfeld aus einer strukturell-institutionellen und einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive beleuchten (Martín Rojo 2013). Die sprachliche Diversität und die damit verbundene vorhandene Mehrsprachigkeit könnten in einer immer heterogener werdenden Schülerschaft vermehrt als Ressource und Bereicherung betrachtet werden (Krompák 2018: 141; Hutterli 2012: 101ff). Nach erfolgter Festlegung und Klärung der in der Schule unterrichteten Fremdsprache, erscheint es an der Zeit, die Diskussions- und Reflexionsprozesse in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen auf die Sprachen der Migration zu lenken. Dabei würden die verschiedenen Didaktiken – Schulsprache-, Zweit-, Fremd- und Herkunfts-/Migrationssprachen - die migrationsgesellschaftliche Mehrsprachigkeit als Ressource anerkennen und eine Umverteilung bezüglich der sprachlichen Diversität anstreben.