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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session Einzelbeiträge VII
Zeit:
Donnerstag, 11.09.2025:
14:00 - 16:00

Ort: HEL 167

Gebäude Helsinki, 1. Stock

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Präsentationen

Bedeutung und Bedeutsamkeit klären – Zum Konzept werterziehenden Unterrichts

Thomas Mikhail

Universität Erfurt, Deutschland

Dieser Einzelvortrag schließt an den 3. Fragekomplex des CfP an. Bereits von Herbart (1965) wird zwischen schulischer Erziehung (erziehender Unterricht) und eigentlicher Erziehung (Zucht) unterschieden. Begründet wird diese Differenz damit, dass der Unterricht sachliche Lerngegenstände bzw. „etwas Drittes“ betreffe (ebd., 124), während eigentliche Erziehung ausschließlich den Willen der Heranwachsenden fokussiere. Im Anschluss an Herbart könnte man dies auch als einen didaktischen Hiatus zwischen unterrichtlicher „Objektivität“ und erzieherischer „Subjektivität“ (ebd., 125) deuten.

Das Konzept eines „werterziehenden Unterrichts“, wie ihn Pöppel (1983), Rekus (1993), Ladenthin (2008) und zuletzt Mikhail (2022) entwickelt haben, versucht, diese Kluft mit der Differenzierung von Bedeutung und Bedeutsamkeit der Lerngegenstände zu überbrücken und soll im geplanten Vortrag als Lösungsvorschlag präsentiert werden. Im Unterricht werden ‚objektive‘ Lerninhalte immer auch zu Gegenständen der subjektiven Bewertung, sodass sowohl die Fachlichkeit des Unterrichts gewahrt als auch die Werthaftigkeit des Gelernten geklärt werden können. Vorteile der Konzeption sind, dass Erziehung in jedem Fachunterricht ermöglicht, ins Setting Schule durch ein Formalstufenmodell implementiert sowie den Konstitutionsbedingungen demokratischer (Wissens-)Gesellschaften entsprochen werden kann.



„Es geht jetzt um uns, das Thema ist ‘wertschätzende Lernsprache’." Ethnographische Analysen pädagogischen Erziehungshandelns

Daniel Hofstetter, Annette Koechlin

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich, Schweiz

Erziehung, so schreibt Bernfeld (1973), sei die Reaktion der Gesellschaft auf die Entwicklungstatsache, geprägt von deren ökonomisch-sozialer Struktur, und daher stets konservativ – keine Vorbereitung auf Strukturänderung. Erziehungshandlungen spiegeln gesellschaftliche Strukturen wider. Bourdieus rationale Pädagogik (Bourdieu & Passeron, 1971; Rieger-Ladich, 2016) zeigt Erziehung als machttheoretische Auseinandersetzung, die Kräfteverflechtungen aufdeckt. Für Bernfeld (1973) sind Erziehungshandlungen „konstante Reaktionen“, entspringend aus Aggressionsaffekten oder Liebe. Aggressionsaffekte, in der Praxis als Sanktionen sichtbar, sind heute de-thematisiert, was empirische Fragen zur Schulpraxis aufwirft.

Vor diesem Hintergrund analysieren wir ethnographische Protokolle aus einer Schweizer Grundschule, um Phänomene der schulischen Praxis als „Erziehungsphänomene“ zu identifizieren. Wir vergleichen Beobachtungsprotokolle aus einer Fortbildung zu wertschätzender Beurteilung mit solchen aus der Praxis. Wir zeigen, wie in der Fokussierung auf „wertschätzende Lernsprache“ moralisch aufgeladene Ansprüche sichtbar werden, die im Erziehungshandeln oft scheitern. Statt bei den Erziehenden wird bei Schüler:innen angesetzt, erzieherische Massnahmen als Bildungsziele gerahmt. Wir skizzieren, wie sich „schulische Erziehung“ beschreiben lässt und wie das Verhältnis solcher Phänomene zur Bildung gedacht werden kann: Wohin wird erzogen? Welche gesellschaftlichen Strukturen zeigt diese Praxis?



„Erziehung als bewusster Entzug von Unterstützung und Zumutung von Selbstständigkeit“

Charlotte Schweder-Lipowski

Universität Leipzig, Deutschland

Der Vortrag nimmt Ausgangspunkt in der Frage wie unterrichtliche Erziehungspraktiken gestaltet sind. Erziehung wird in Anschluss an Budde und Hellberg (2023) verstanden als „normbezogen[e] Subjektivierungsprozesse […] mit dem Ziel der Verhaltensmodifikation“ (ebd., S. 353), sowie einer dauerhaften Einwilligung der Zu-Erziehenden in diese Zumutung (vgl. Nohl, 2022). Die Verhaltensmodifikation (Reichenbach, 2011) soll nicht als Unterbrechung des Unterrichtsflusses zur Thematisierung von Fehlverhalten, sondern ausgehend von der didaktischen Gestaltung des Unterrichts (z.B. das Stellen von Aufgaben) theoretisiert werden (Budde & Hellberg, 2023; Budde & Rademacher, 2023; Schmidt & Herfter, 2019).

An einem empirischen Beispiel aus einem Projekt, in dem Lehrkräfte gemeinsam mit Forscher:innen dialogisch ihre unterrichtliche Praxis anhand selbstgewählter Herausforderungen entwickeln (Herfter et al., i.V.), wird gezeigt, wie die Selbsttätigkeit der Schüler:innen im Geschichtsunterricht durch spezifische didaktische Arrangements und eine bewusste Rationalisierung der lehrerseitigen Unterstützung erzieherisch herausgefordert wird. Deutlich wird hierbei aber auch, wie angesichts der sichtbaren Disziplinierung der Schüler:innen die Lehrperson in einen Prozess der Neufindung ihrer unterrichtlichen Positionierung und damit einer Selbsterziehung eintritt (Reichenbach, 2018).



 
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