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Sitzungsübersicht
Sitzung
Arbeitsgruppe I
Zeit:
Mittwoch, 10.09.2025:
16:30 - 18:30

Ort: HEL 161

Gebäude Helsinki, 1. Stock

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Präsentationen

Auf dem Weg zum Schulkind: Praktiken der schulischen Erziehung am Anfang der Schulzeit

Chair(s): Nina Blasse (Universität Kassel), Alicia Hanf (Goethe-Universität Frankfurt a.M.), Richard Lischka-Schmidt (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Diskutant*in(nen): Jan Wolter (Europa-Universität Flensburg)

Der Beginn von Schule und der Anfangsunterricht werden vor allem kompetenztheoretisch hinsichtlich des Gelingens des Übergangs in die Schule erforscht (Deckert-Peaceman/Scholz 2016). Neben fachlichen Kompetenzen wird auch ,gelehrt‘ und ‚gelernt‘, wie Schule und Unterricht funktionieren und wie sich Kinder als Schüler:innen verhalten sollen. Aktuelle Studien zeigen, dass die Transition vom Kind zur Schüler:in durch Praktiken erfolgt, die Disziplin(ierung), Regeln, Rollen und Normen umfassen, in denen ,Schule‘ und ,Schüler:in-Sein‘ hervorgebracht werden (Deckert-Peaceman/Scholz 2016; Hess 2020; Jäger 2019; Kelle 2023; Kellermann 2008; Wenzl 2010; Wolter 2016). Das Symposium untersucht die Frage, wie hierbei Praktiken der Erziehung hervorgebracht werden und wie sie zu anderen schulischen Praktiken zu relationieren sind. Dazu ist auch eine theoretische wie empirische Verhältnisbestimmung zwischen Disziplinierung und Erziehung vorzunehmen. Auf theoretischer Ebene können beide Konzepte dadurch abgegrenzt werden, dass Erziehung auf Mündigkeit und Autonomie abzielt, Disziplinierung hingegen zur Herstellung schulischer Ordnung dient (Breidenstein 2025). Empirisch ist zu fragen, inwiefern Erziehungs- und Disziplinierungspraktiken sich unterscheiden oder überlagern.

Im Symposium soll ein empirisch zu konkretisierendes Verständnis von Erziehung zugrunde gelegt werden, das sich auf Einwirkungsversuche auf Schüler:innen bezieht, um eine pädagogische Ordnung herzustellen (Budde 2020). In drei Beiträgen aus laufenden ethnografischen Forschungsprojekten zum ‚Beginn von Schule und Unterricht‘ wird erkundet, wie Erziehung am Anfang der Schulzeit praktisch hervorgebracht wird. Damit bearbeitet das Symposium das Desiderat einer empirischen Erforschung von Erziehung in Schule (Breidenstein 2025). Die Beiträge untersuchen erstens Modi des Erziehens, zweitens den Zusammenhang von Erziehung und Leistung und drittens die erzieherische Dimension in der Herstellung von Differenz.

1. Beitrag: Bisher wird sich kaum mit der Frage beschäftigt, auf welchen Weisen in der alltäglichen Unterrichtspraxis erzogen wird. Im Fokus stehen herausgehobene Arten des Erziehens, wie Trainingsräume (z.B. Hertel 2015), und einzelne ,Zieldimensionen‘ des Erziehens, v.a. der Körper (z.B. Jäger 2019). Demgegenüber entfaltet der Beitrag eine Systematisierung zu alltäglichen Modi des Erziehens. Grundlage dafür ist ein ethnografisches Forschungsprojekt zur Sozialisation am Schulanfang in den USA, das im Sommer 2024 an sechs Grundschulen durchgeführt wurde. Die Daten zeigen, dass sich Erziehen ganz unterschiedlich vollzieht: auf Individuen oder auf (anonyme) Kollektive bezogen; öffentlich, halb-öffentlich oder privat; lobend, tadelnd, moralisierend, auf Selbsteinsicht zielend oder prospektiv-motivierend; im Zusammenspiel von Lehrperson, Materialitäten, Regel- oder Belohnungssystemen. Abschließend geht der Beitrag auf die Frage nach der Spezifik von Erziehung in der US-amerikanischen Grundschule ein.

2. Beitrag: Im Anfangsunterricht werden nicht nur die wichtigsten Kulturtechniken vermittelt, sondern auch, wie Schule und Unterricht funktionieren (Hanke 2019) und wie schulische Leistung als Kernelement der schulischen Ordnung (Rabenstein et al. 2015) zu erbringen ist. Ein sozialkonstruktivistischer Zugriff auf Leistung unterstreicht, dass Leistungspraktiken als Zusammenhang aus fachlichen und erzieherischen Praktiken bzw. aus Wissen und Verhalten besteht (Budde et al. 2022; Blasse/Budde 2024). Im Beitrag werden ethnografische Beobachtungen in einer ersten Klasse dahingehend analysiert, inwiefern und wie Erziehungspraktiken im Anfangsunterricht auf die Hervorbringung schulischer Leistung gerichtet sind. Welche Rolle spielen erzieherische Praktiken im Anfangsunterricht in Bezug auf das Anliegen der Leistungserbringung? Somit soll ein empirische Beschreibung von Erziehung in ihrer Relevanz für die Aneignung eines leistungsbezogenen Schüler:innen-Verhaltens erbracht werden.

3. Beitrag: Der Beitrag untersucht die Genese schulischer Differenzordnungen am Beginn der Grundschule entlang von Vorstellungen ‚guter Kindheit‘ sowie Leistungs- und Verhaltenserwartungen. Diese werden u.a. durch Praktiken des ‚doing background‘, also durch die performative Herstellung von Herkunftsbezügen, hervorgebracht (Machold/Wienand 2021). Schulische Erziehungspraktiken zielen auf die Herstellung und Aufrechterhaltung schulischer Ordnung, in denen Schüler:innen als in spezifischer Weise ‚erziehungsbedürftig‘ adressiert werden (Breidenstein 2025). Im Fokus steht die Frage, in welchem Verhältnis Praktiken des ‚doing background‘ mit Erziehungspraktiken am Beginn der Grundschule stehen. Grundlage der Analyse ist ein ethnografisches Dissertationsprojekt. Durch die teilnehmende Beobachtung an Anfangsunterricht sowie Team- und Elterngesprächen werden soziale Praktiken untersucht, mit denen (Hintergrund-)Wissen über Schüler*innen sowie backgroundbezogene Differenzordnungen hervorgebracht werden.

 

Beiträge des Symposiums

 

Modi des Erziehens am Schulanfang. Ethnografische Befunde aus dem US-amerikanischen Grundschulunterricht

Richard Lischka-Schmidt
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

 

Erziehung zur schulischen Leistung im ersten Schuljahr?

Nina Blasse
Universität Kassel

 

Backgroundbezogene Differenz und Erziehung am Beginn der Grundschule

Alicia Hanf
Goethe-Universität Frankfurt a.M.



 
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