Fort- und Weiterbildung mit Lehrkräften gestalten. (Nicht nur) ein Werkstattbericht.
Ralf Koerrenz, Anne Stiebritz
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland
Eine für die Schulentwicklungsforschung zentrale Erkenntnis ist, dass der Versuch einer zentralistischen Steuerung von Schulentwicklungsprozessen durch Politik und Verwaltung wenig erfolgreich und nachhaltig ist. In einem Perspektiv- und Paradigmenwechsel wurde die Einzelschule als „Gestaltungseinheit“ und als „Motor von Innovationen“ entdeckt (vgl. Rolffs 2016, S. 12f; Huber et al 2014, S. 7) sowie Partizipation aller schulischen Akteure als ein Kernelement von Entwicklung begriffen. Eine wesentliche Herausforderung gelingender Schulentwicklung besteht heute in einer Balance aus und einem produktiven Abstimmen von „Top-down“- und „Bottum-up“-Prozessen (vgl. Huber et al 2014, S. 41) sowie der Bereitschaft, sich auf nicht-lineare Wege, Prozesshaftigkeit und zeitintensive Verständigungs- und Entwicklungsarbeit einzulassen (vgl. a.a.O., S. 45). Nimmt man diese Einsichten ernst, besteht eine ganz praktische Herausforderung für Wissenschaftler:innen darin, Entwicklung und Implementierung von Veränderungen und/oder Neuerungen mit der jeweiligen Schulgemeinschaft anzustoßen und zu gestalten, also auch Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. In dieser Perspektive sind Lehrkräfte keine Adressat:innen von Bildungsangeboten (für), sondern werden selbst zu Prozeßentwickler:innen und Gestaltenden (mit).
Ein wesentlicher Ansatzpunkt des Projekts „Digitale Projekttage“ (DigiPro) im Projektverbund „Schulentwicklung: digital-demokratisch“ (SchuDiDe) ist der Versuch, eine Haltung des Miteinander von Wissenschaft und Schulgemeinschaft dem Entwicklungsprozess zugrunde zu legen. Dazu gehört, die jeweils spezifischen Bedingungen, Interessenlagen und Bedarfe der Lehrkräfte und der systemischen Eigenheiten der jeweiligen Schulen in den Blick zu nehmen und zur Grundlage für Kooperation zu machen. Der Weg, nicht für Lehrkräfte etwas zu entwickeln, sondern mit ihnen kann einerseits aufgrund der offenen Struktur in einer spezifischen Weise vom Scheitern bedroht sein – andererseits jedoch zu einer gemeinsamen, produktiven Lernerfahrung werden, zu (wie immer in Schulentwicklungsprozessen vorläufigen) Ergebnissen und Impulsen führen, die von möglichst vielen Lehrkräften einer Schule getragen, umgesetzt und gestaltet werden. Ausgehend von dieser Grundhaltung wird erprobt, wie eine Fort- und Weiterbildung als Beitrag zur Gestaltung der digitalen Transformation (vgl. Kutscher 2021, Stalder 2016) mit Lehrkräften gelingen kann.
Der Beitrag wirft dafür einen Blick in die Werkstatt, also in den kooperativen Forschungs- und Entwicklungsprozess. Exemplarisch werden Stationen der Kooperation beschrieben und theoretisch rückgebunden reflektiert: a) Aufbau und Entwicklung des Schulnetzwerks (Stichworte: Design-Based-Research, Hospitation, Feldforschung und ethnographische Haltung) sowie b) erste Schritte der konkreten Zusammenarbeit mit Lehrkräften. Als entscheidend erwies sich hierbei die Bereitschaft und Offenheit, einander zuzuhören und voneinander zu lernen. Orientiert an der Vision einer demokratischen digitalen Schulentwicklung werden in einem experimentellen, partnerschaftlichen Prozess exemplarische Modelle für Fort- und Weiterbildung entwickelt (vgl. Partizipationspyramide nach Straßburger und Rieger, 2019). Dieser methodische Zugang zielt nicht auf ein abschließbares Wissen, sondern auf ein geschärftes und verbessertes Prozess- und Entwicklungsbewusstsein aller Beteiligten und soll Lehrkräfte stärken, sich als aktive und relevante Akteure in Schulentwicklungsprozessen zu verstehen.
Leitend ist die Annahme, dass die digitale Transformation als eine gemeinsame Herausforderung und ein gemeinsamer Entwicklungs- und Gestaltungsraum begriffen werden kann. Es sollte daher weniger um ein „Wissenschaft begleitet Praxis oder Praxis informiert Wissenschaft oder …“ gehen, sondern stärker um gleichberechtigte Zusammenarbeit, Austausch und Reflexion von Praxis und Wissenschaft. Auf einer praxisbezogenen Ebene soll der inhaltliche Modell-Charakter der Arbeit durch den Werkstattbericht veranschaulicht werden. Auf programmatischer Ebene will der Vortrag reflektieren, welche Bedeutung diese methodische Verschiebung vom für zum mit für die Konzeption und Entwicklung von Fort- und Weiterbildung (im Kontext der digitalen Transformation von Schule) hat.
Als Ergebnis werden Modelle erwartet, die exemplarisch konfiguriert sind und zugleich eine allgemeine Wirkkraft entfalten. Sie sind zwar entwickelt aus einem Einzelfall des digitalen Transformationsprozesses der jeweiligen Partnerschule, zeigen aber zugleich, wie Fort- und Weiterbildungen in kooperativer Konstellation entwickelt werden können. Es geht also auch um einen methodischen Shift: ein neues Selbstbewusstsein aller Beteiligten für Kooperationen von Wissenschaft und Praxis.
Erfolgsfaktoren für effektives Online-Selbstlernen: Untersuchung einer Fortbildungsplattform für Lehrkräfte
Emely Hofmann1, Sarah Rogulj1, Alexandra Dehmel1, Benjamin Fauth1,2
1Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg, Deutschland; 2Eberhard Karls Universität Tübingen
Online-Fortbildungen für Lehrkräfte gewinnen aufgrund ihrer großen Reichweite, Flexibilität und Verfügbarkeit an Bedeutung, da sie damit Herausforderungen wie Zeitkonflikte und Zugänglichkeitsprobleme effektiv angehen (Richter et al., 2018). Es gibt zahlreiche Angebote, wie zum Beispiel auch in Form von online Selbstlern-Plattformen. Empirische Untersuchungen wie Lehrkräfte die Angebote wahrnehmen und das erworbene Wissen aus diesen Fortbildungen nutzen, sind jedoch begrenzt. Weitere Studien zur Effektivität solcher Online-Fortbildungsangebote sind erforderlich (Parsons et al., 2019).
Diese Studie zielt darauf ab, Faktoren aufzudecken, die die Wirksamkeit von online Selbstlern-Plattformen beeinflussen. Dabei werden Schlüsselelemente effektiver Fortbildungen – Fachwissen der Lehrkräfte, Anwendung im Unterricht und Nutzen für Schülerinnen und Schüler – betrachtet (Desimone, 2009). Die Analysen basieren auf Daten der 2023 in Baden-Württemberg veröffentlichten Online-Selbstlernplattform zum Unterstützungskonzept "Starke BASIS!" des Kultusministeriums Baden-Württemberg und des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung. Die Plattform richtet sich an Lehrkräfte der Klassen 1-8. Sie zielt darauf ab, die Fähigkeit der Lehrkräfte zur Förderung von Basiskompetenzen in Mathematik und Deutsch bei Schülerinnen und Schülern der Primar- und Sekundarstufe zu verbessern und damit den Anteil derer zu erhöhen, die die Mindeststandards erfüllen.
Um eine erfolgreiche Bereitstellung, Nutzung und positive Effekte sicherzustellen, ist die Evaluation von Plattformen wie "Starke BASIS!" unerlässlich (Al-Fraihat et al., 2020). Zu diesem Zweck werden die folgenden Forschungsfragen behandelt:
- Wie nutzen Lehrkräfte die Plattform?
- Inwieweit tragen die wahrgenommene Kohärenz und die Nützlichkeit des Inhalts sowie die wahrgenommene Qualität der Plattform zu einer effektiven Online-Fortbildung bei?
Es werden Daten aus der Evaluationsstudie der Fortbildungsinitiative "Starke BASIS!" verwendet. Logdaten von 19706 registrierten Nutzenden und Umfragedaten von 262 Teilnehmenden werden analysiert. Die Stichprobengrößen sind vorläufig, die Datenerhebung läuft bis Juli 2024.
Die Nutzung der Plattform wird durch deskriptive Statistiken der Logdaten (z. B. Klickzahlen) untersucht. Die Effektivität der Online-Fortbildung wird mit drei Skalen gemessen: 1) Fachwissen zu Basiskompetenzen (Garet et al., 2001), 2) Anwendung im Unterricht (McChesney & Aldridge, 2018), und 3) wahrgenommene positive Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler (McChesney & Aldridge, 2018). Als Prädiktoren für effektive Online-Fortbildung werden die von den Lehrkräften wahrgenommene Kohärenz und die Nützlichkeit der Inhalte sowie die wahrgenommene Qualität der Plattform untersucht, da diese Faktoren auch zu effektiven Präsenz-Fortbildungen beitragen (Desimone, 2009; Osman & Warner, 2020). Die Wechselwirkungen zwischen diesen Prädiktoren werden ebenfalls untersucht.
Vorläufige Analysen der Logdaten zeigen einen Rückgang der Anmeldungen und eine begrenzte Aktivität auf der Plattform. Korrelationen deuten auf eine Präferenz für bestimmte Schultypen und Fächer hin, wobei Grundschulkurse stärker frequentiert wurden. Erste Ergebnisse der Analyse der Umfragedaten zeigen, dass wahrgenommene Kohärenz, Nützlichkeit und Qualität der Plattform die Varianz im Fachwissen, dessen Anwendung und die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler signifikant erklären. Diese Ergebnisse stimmen mit Erkenntnissen aus der Präsenzlehre überein (Desimone, 2009; Osman & Warner, 2020). Ähnliche Ergebnisse werden in den endgültigen Analysen erwartet. Die Hypothese lautet, dass Kohärenz, Nützlichkeit und Qualität synergetisch wirken und die Wirksamkeit der Online-Fortbildung steigern (Desimone, 2009).
Die Ergebnisse können die Entwicklung effektiver, zugänglicher und flexibler Online-Fortbildungen für Lehrkräfte unterstützen, indem sie Einblicke in die reale Nutzung eines solchen Angebots in Form einer Selbstlern-Plattform und dessen Erfolgsfaktoren bieten. Da sich diese Evaluation auf eine spezifische Plattform konzentriert, muss die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Plattformen geprüft werden. Zu den Einschränkungen gehören die Abhängigkeit von selbstberichteten Daten und das Fehlen eines Prä-Post-Designs.
Die Ergebnisse bieten wertvolle Erkenntnisse für Forschung und Praxis und unterstreichen die Notwendigkeit, die Wirksamkeit von Online-Fortbildungen für Lehrkräfte weiter zu erforschen. Angesichts der Expansion und des Potenzials von Selbstlern-Plattformen ist dies von großer Bedeutung, da Online-Fortbildungen durch ihre Zugänglichkeit, Flexibilität und Reichweite die Zukunft der Lehrkräftefortbildung gestalten können.
Lehrkräftefortbildungen bundesländerübergreifend gestalten – Potentiale und Herausforderungen am Beispiel Geographie
Johannes Hiebl1, Muschaweck Isabelle2, Heck Tamara1, Rittberger Marc1, Kanwischer Detelf2
1DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation; 2Goethe-Universität Frankfurt am Main
Theoretischer Hintergrund
Im Kontext der Digitalität werden Fachinhalte neu strukturiert, wodurch eine Neugestaltung der Bildungsansätze zur Vermittlung dieser Inhalte notwendig wird. Dies erfordert von den Lehrkräften digitale Kompetenzen, um Fachinhalte aus der geographiedidaktischen Forschung in der Schule anzuwenden (z. B. Pettig & Gryl, 2023). Hierfür eignet sich die Entwicklung entsprechender Fortbildungen. Damit diese Fortbildungen bundesweit effektiv genutzt werden können, ist ihre Integration in bestehende organisatorische und digital-infrastrukturelle Strukturen erforderlich. Begründen lässt sich diese Forderung aus dem Nachweis, dass eine verbesserte Abstimmung zwischen den Akteur*innen der Lehrkräftefortbildung deren Wirksamkeit steigert (Lipowsky & Rzejak, 2019). Angesichts der Domänenspezifität fachdidaktischen Wissens (Baumert & Kunter, 2006) und der Förderung fachlicher digitaler Kompetenzen (Frederking & Romeike, 2022) sind die Akteur*innen der fachdidaktischen Ausbildung an den Hochschulen von zentraler Bedeutung. Bei der Gestaltung neuer Lehrkräftefortbildungen sind sie von den organisatorischen Abläufen in den Bundesländern als auch von den bereitgestellten digitalen Infrastrukturen abhängig. Darüber hinaus sollten sie bei der Entwicklung der Fortbildungen Digitalität sowie die Offenheit des entwickelten Materials selbst berücksichtigen. Dies bedeutet die Bereitstellung der Fortbildungen als Open Educationel Resources (OER) und auch dessen Entwicklung im Sinne von Open Educational Practices (OEP) (Cronin, 2017; Hegarty, 2015). Die hier vorgestellte Studie untersucht die Herausforderungen bei der Entwicklung von Lehrkräftefortbildungen im Kontext offener Bildung.
Fragestellung und Methodik
Die Studie geht der Frage nach, welche organisatorischen und digital-infrastrukturellen Gegebenheiten notwendig sind, um Lehrkräftefortbildungen in der Geographie unter dem Aspekt der offenen Bildungspraxis effektiv zu gestalten und durchzuführen. Um bestehende Bedarfe zu ermitteln, wurden drei Gruppendiskussionen (n= 18) im Stil des „Experteninterviews“ nach Meuser und Nagel (1991) durchgeführt und ausgewertet.
Ergebnisse
Im Vortrag werden erste Ergebnisse aus geographiedidaktischer Perspektive präsentiert und diskutiert. Basierend auf den Ergebnissen werden Gelingensbedingungen für Lehrkräftefortbildungen sowie Potenziale von OEP zur Bewältigung der identifizierten Herausforderungen reflektiert. OEP können dazu beitragen, die Qualität und Zugänglichkeit von Fortbildungen zu verbessern, indem Ressourcen als OER bereitgestellt und Fortbildungen über gemeinsame Infrastrukturen nachgenutzt werden können. Dies kann zu einer verstärkten Vernetzung und Kollaboration zwischen Lehrkräften und Fortbildner*innen führen, wodurch der Wissensaustausch und die berufliche Weiterentwicklung gefördert werden. Ein Ausblick auf die Umsetzung länderübergreifender Fortbildungen zeigt, dass durch die Integration von OEP eine nachhaltige und effektive Fortbildungslandschaft entstehen kann, die den Anforderungen einer digitalisierten Bildungswelt gerecht wird.
Literatur
Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520. https://doi.org/10.1007/s11618-006-0165-2
Cronin, C., (2017). Openness and Praxis: Exploring the Use of Open Educational Practices in Higher Education. The International Review of Research in Open and Distributed Learning, 18(5). https://doi.org/10.19173/irrodl.v18i5.3096
Frederking, V. (2022). Von TPACK und DPACK zu SEPACK.digital. Ein Alternativmodell für fachdidaktisches Wissen in der digitalen Welt nebst einigen Anmerkungen zu blinden Flecken und Widersprüchen in den KMK-Initiativen zur digitalen Bildung in Deutschland. In V. Frederking & R.
Hegarty, B. (2015). Attributes of Open Pedagogy: A Model for Using Open Educational Resources. Educational Technology, 55(4), 3-13. Online verfügbar unter https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Ed_Tech_Hegarty_2015_article_attributes_of_open_pedagogy.pdf.
Romeike (Hrsg.). Fachliche Bildung in der digitalen Welt. Digitalisierung, Big Data und KI im Forschungsfokus von 15 Fachdidaktiken (S. 482–522). Waxmann.
Pettig, F. & Gryl, I. (Hrsg.). (2023). Geographische Bildung in digitalen Kulturen: Perspektiven für Forschung und Lehre. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66486-5
Meuser, M., Nagel, U. (1991). Expertlnneninterviews — vielfach erprobt, wenig bedacht. In D. Garz & K. Kraimer (Hrsg.) Qualitativ-empirische Sozialforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97024-4_14
Lipowsky, F. & Rzejak, D. (2019). Empirische Befunde zur Wirksamkeit von Fortbildungen für Lehrkräfte. In P. Platzbecker & B. Priebe (Hg.), Zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Lehrerfortbildung. Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung Katholischer Lehrerfort- und -weiterbildung. Dokumentation der Fachtagung vom 26.–27. September 2018 in Wermelskirchen (S. 34–74). Institut für Lehrerfortbildung
Lernen mit Künstlicher Intelligenz
Ole Engel, Elisabeth Mayweg
Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT 3 im November 2022 steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, wie generative Künstliche Intelligenz (KI) in Form von Large Language Modellen (LLM) Bildung an Schulen verändern wird. Um dieser Frage nachzugehen, stellt sich zunächst die Frage, was das Neue an generativer KI darstellt. Dabei sind insbesondere zwei Merkmale zu nennen. Erstens das Merkmal des Generativen. Jeder generierte Text (completion) von KI-Sprachmodellen ist einzigartig und findet in Echtzeit statt. Dabei findet eine systematische Mustererkennung mit fundierten Schlussfolgerungen statt, was vorher in keiner vergleichbaren Form möglich war. Zweitens das Merkmal des Sozialen. Chatbots von KI-Sprachmodelle werden als soziales Gegenüber wahrgenommen und haben die Fähigkeit vergleichbar wie Menschen zu interagieren. Die Verwendung von Konversationssprache und die Teilnahme am offenen Dialog führen zu einer starken Anthropomorphisierung, trotz der Tatsache, dass generative KI nicht empfindungsfähig ist (Mishra et al. 2023).
Kritsch wird hervorgehoben, dass es zunehmend schwierig wird zwischen maschinen- und menschengenerierten Texten zu unterscheiden. Das kann u.a. zu Täuschungen führen, dass KI generierte Texte als eigene Texte ausgegeben werden. Selbst wenn die Nutzung transparent dargestellt wird, kann es sein, dass die erzeugte Completion, also die Textgenerierung durch Large Language Modelle, große Ähnlichkeiten zu urheberrechtlich geschützten Texten aufweist. Durch fehlende Information zu Quellen kann zudem die Vertrauenswürdigkeit der generierten Texte schwer nachvollzogen werden (Grassini 2023, Kasneci et al. 2023, Farrokhnia et al. 2023). Große Sprachmodelle können bestehende Vorurteile und Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft reproduzieren und verstärken. Wenn ein Modell beispielsweise auf Daten trainiert wird, die gegenüber bestimmten Personengruppen voreingenommen sind, kann es zu Ergebnissen führen, die gegenüber diesen Gruppen ungerecht oder diskriminierend sind (Kasneci et al. 2023, Farrokhnia et al. 2023).
Bei den Potentialen ist hervorzuheben, dass LLM in der Lage sind kohärente und relevante Antworten zu generieren und dabei den Kontext zu berücksichtigen. Vorherige Konversationen können erinnert und berücksichtigt werden, wodurch der Kontext mit einbezogen wird und natürliche und offene Dialoge entstehen können. Über zielgerichtetes Prompting kann der Kontext sowie der Ton und die Struktur vorgegeben werden. So können neue Texte generiert werden, die in hohem Maße personalisiert sind und die durch Interaktion weiter verfeinert und den Vorstellungen angepasst werden können. Lernende können über Anschlussfragen weiterführende Erklärungen generieren, um ein differenziertes und tiefergehendes Verständnis zu erlangen. Im Vergleich zu Suchmaschinen stellen LLM ein effizientes Tool dar, um in kurzer Zeit ausformulierte und differenzierte Antworten zu erhalten, die dann individualisiert erweitert oder zusammengefasst werden können (Cress & Kimmerle 2023, Kasneci et al. 2023, Farrokhnia 2023 et al.).
Ziel der Studie ist es, Chancen und Grenzen des Einsatzes von generativer künstlicher Intelligenz beim problembasierten Lernen im Schulunterricht zu erforschen. Es wird eine Aufgabenstellung zu einem kontroversen Thema gegeben, zu dem die Schüler:innen These, Antithese und Synthese mit Unterstützung von ChatGPT 3.5 zu einer fachspezifisch adaptierten Fragestellung ausarbeiten sollen. Es wurden Erhebungen an sieben weiterführenden Schulen in Berlin durchgeführt, an denen 148 Schüler:innen teilgenommen haben. Die Daten werden aggregiert und die Interaktion mit ChatGPT qualitativ ausgewertet und anhand der Guidelines zum zielgerichteten Prompten mit Large Languae Models bewertet (Lo 2023). Im Anschluss wird der Einfluss der Qualität des Promptings auf Affective Learning, Cognitive Learning und Ethical Learning mithilfe eines Strukturgleichungsmodells untersucht. Die Studienergebnisse geben Rückschlüsse über Kompetenzen von Schüler:innnen bei der Nutzung von generativer KI und den Einfluss auf unterschiedliche Ebenen des Lernerfolgs. Aus den Ergebnissen lassen sich Implikationen für die Nutzung und die konstruktiv-kritische Reflexion von Künstlicher Intelligenz im Unterricht und in der Lehrkräftebildung ableiten. Somit soll die bisher wenig entwickelte evidenzbasierte Forschung zu KI-Anwendungen im Unterricht gestärkt werden und zugleich praktische Implikationen für das Lehren und Lernen mit Künstlicher Intelligenz in Schulen generiert werden.
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