VR als neuartiges digitales Werkzeug für die Professionalisierung in verschiedenen Phasen der Lehrkräftebildung?! - Chancen und Grenzen dieser Technologie
Chair(s): Christoph Thyssen (RPTU Kaiserslautern-Landau, Deutschland)
Diskutant:in(nen): Andreas Lachner (Eberhard Karls Universität Tübingen)
Gekürzte Version: Mantelabstract
Die digitale Transformation ist ein vielschichtiger und gesamtgesellschaftlicher Prozess, der nicht nur technologiebezogene Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch die Frage aufwirft, welche Konsequenzen für den Bildungsbereich zu ziehen sind. Für Fach- und Bildungswissenschaften sowie die Fachdidaktiken, ergeben sich hier gleichermaßen Potenziale und Herausforderungen für die Professionalisierung von Lehrkräften. Deshalb müssen die zunehmend vielfältigen und digital unterstützten Lehr-Lerntechnologien (wie z.B. die Virtuelle Realität) hinsichtlich ihrer Chancen und Grenzen untersucht und abhängig von den Ergebnissen stimmig in Professionalisierungskonzepte der Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Phasen der Lehrkräftebildung integriert werden (Huwer et al. 2019).
Wie häufig finden sich die Hauptakteure solcher Transformationen eher im kommerziellen Bereich. Treiber der Virtuellen Realität [VR] als eine Zukunftstechnologie sind neben der Gaming-Industrie unter anderem das Gesundheitswesen, die Medizintechnik, die Automobilindustrie, Bereiche des Engineering sowie die Tourismusbranche. Damit einhergehend steht der Bildungsbereich, abseits kleiner Bereiche an Hochschulen (z.B. im Medizinstudium), nicht primär im Fokus der treibenden Akteure, weshalb maßgeschneiderte Angebote sowie damit verbundene Forschung und Erfahrungen tendenziell unterrepräsentiert sind. Für Anwendungen im Bildungsbereich, namentlich die Lehrkräftebildung und die Schulpraxis, besteht deshalb ein breites Desiderat im Hinblick auf nutzbare Potenziale und Grenzen von VR.
Dieses Symposium befasst sich deshalb mit VR-Anwendungen, die für Kontexte verschiedener Phasen der Lehrkräfteprofessionalisierung Ansätze zur Identifikation neuartiger digitaler Professionalisierungskonzepte darstellen können: Aus theoretischen Überlegungen ergeben sich hier VR-Einsatzfelder aus einer Simulationsperspektive, um Trainingssituationen, die aufgrund von organisatorischen Rahmenbedingungen, Gefahrenpotenzialen oder ethisch problematischen Einschätzungen in der Realität schwer zu ermöglichenden sind (Wiepke et al. 2019) , erlebbar zu machen. Der VR-Einsatz kann aber auch eine Handlungsperspektive einnehmen, um soziale und durch Kommunikation geprägten Situationen zu gestalten und damit eine berufliche Handlungskompetenz aufzubauen (ebd.; Lasse & Konradsen 2018, Gerholz et al. 2022) . Im Sinne eines Assessments können dabei erhobene Daten zur individuellen Kompetenzentwicklung und auch für damit verbundene Forschung genutzt werden.
Die VR ermöglicht es, über die freie Gestaltung entsprechender Szenarien, Grenzen realer Situationen zu überwinden und in der Praxis limitierende Faktoren zu umgehen. Konkret sind hier unter anderem eine bis dato zu geringe Praxisorientierung aufgrund nur weniger und kurzer Praxisphasen zu nennen, was zu einem Mangel an damit verbundenen Erprobungsmöglichkeiten von Handlungs- und Kommunikationsstrategien führt. Die Förderung von Reflexions-, Diagnose- und Bewertungsfähigkeiten und ganz allgemein von Kompetenzen, für die realitäts- und berufsnahe Lernsituationen notwendig sind, ist dadurch unzureichend. Mittels VR-Lehr-Lern-Szenarien können solche Kompetenzen strukturiert, passgenau und zielorientiert adressiert werden, da mittels VR dafür spezifisch konzeptionierte und kontrollierte Umgebungen erschaffen werden können. Analog zum Gaming-Bereich ist es mit VR z.B. möglich, konkrete Level und Fortschrittsstufen einzuplanen, diese mit kohärenten Informationen zu flankieren und passend zum individuellen Kompetenzstatus (auch wiederholt) zu durchlaufen. Das Symposium fokussiert Möglichkeiten und Grenzen aktueller Ansätze der VR-Integration anhand von drei Projekten, die in unterschiedlichen Fachgebieten und Phasen der Lehrkräftebildung gezielt solche Situationen adressieren.:
1. Kommunikation und Kommunikationsprozesse anhand von Social VR im berufsschulischen Kontext
2. Reflexion und Reflexionskompetenz als Schlüssel zu Handlungskompetenz angehender Chemielehrkräfte
3. Fachwissensvermittlung anhand von VR-Sektionen für eine Verknüpfung von fachlicher und fachdidaktischer Lehre im Lehramtsstudium sowie für den Biologieunterricht
Die drei Symposiumsbeiträge werfen gemeinsam einen Blick auf die verschiedenen Arbeitsfelder und Phasen der Ausbildung, sowie auf unterschiedliche Schulformen. Dies ermöglicht einen umfassenden Blick auf die Professionalisierung von Lehrkräften. Die Kombination der Anwendungsbeispiele erlaubt eine Analyse bzw. Bewertung von Nutzungs- und Forschungsperspektiven der VR-Technologie, um mit Blick auf den gesamten Bildungskontext zu diskutieren, unter welchen Rahmenbedingungen, für welche Lernsituationen und Ausbildungsphasen VR-Anwendungen einen Beitrag zur Professionalisierung leisten können. Eine Reflexion und Kosten-Nutzen-Analyse umfasst dabei auch die Förderung digitaler Kompetenzen, die im europäischen Rahmenplan für digitale Kompetenz von Lehrenden [DigCompEdu] oder fachspezifischen Präzisierungen [DiKoLAN] formuliert und verankert sind (Redecker 2021; Becker et al. 2020).
Beiträge des Symposiums
Social VR zur Bewältigung schulischer Kommunikationsprozesse – Empirische Ergebnisse und ein Fortbildungskonzept
Shaleen Beil1, Karl-Heinz Gerholz2 1Otto-FriedricUniversität Bamberg, 2Otto-FriedrichUniversität Bamberg
Die Digitalisierung ist als voranschreitende Entwicklung in jeglichen Lebens-, Lern- und Arbeitsbereichen der Gesellschaft aufzufinden. In der Berufswelt zeigt sie sich beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowie Änderungen in Führung und Teamarbeit und einer Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Tätigkeitsprofilen gemäß den neuen digitalen Gegebenheiten (Hasenbein 2023, S. 37). Auch der Einsatz von VR Technologien in Lehr-, Lern- und Arbeitsprozessen ist im Voranschreiten der Digitalisierung immer häufiger üblich und kann zunächst Lehr-Lern-Arrangements neugestalten (Gerholz & Dormann 2017, S.18), aber auch Arbeitsabläufe durch virtuelle Kommunikation und Teamarbeit unterstützen (Hofeditz, Löffler & Strathmann 2021, S. 210).
Diese geänderten Arbeitsabläufe ziehen Implikationen für die berufliche Bildung nach sich. Eine davon sind neue oder veränderte Kompetenzanforderungen im Kontext der virtuellen Kommunikation und Kooperation unter Lehrkräften an Berufsschulen. Denn sozial-kommunikative Handlungssituationen sind seit jeher Merkmale in den Tätigkeitsbereichen von Lehrkräften (KMK 2004, S. 3). Metastudien zeigen, dass „sozial-kommunikative Kompetenzen“ (Herlt & Schaarschmidt 2007, S. 58) als die wichtigsten Eigenschaften für das Meistern des Berufsalltags von Lehrkräften gelten. Die Veränderung der Kommunikationskultur durch die Digitalisierung (Seyda, Meinhard & Placke, 2018, S. 114), erfordert auch von Lehrkräften mit bereits vorhandener und stark ausgeprägter Sozial- und Kommunikationskompetenz ein Anpassen an neue Technologien (ebd., S. 109), wie etwa VR als zukünftigen Kommunikationskanal.
Es gilt nunmehr also Lehrkräfte auf die veränderten Anforderungen im Rahmen sozial-kommunikativer Prozesse durch geeignete Professionalisierungsmaßnahmen vorzubereiten. Die vorliegende Studie, verankert im Arbeitspaket 1.7.1 des Verbundprojektes LeadCom, knüpft hier an und befasst sich mit VR-Technologien für die berufliche Kommunikation von Lehrkräften. Sie systematisiert Kommunikationssituationen berufsschulischer Lehrkräfte und deren potenziellen Übertrag in den virtuellen Raum. Dabei soll die zusätzlich die Forschungsfrage geklärt werden, welche Potenziale und Herausforderungen beim Kommunizieren in/mit VR in der beruflichen Bildung aus Sicht von Lehrkräften an beruflichen Schulen bestehen. Zuletzt werden Kommunikationsszenarien in VR durch Lehrkräfte und deren Auswirkungen auf die berufliche Bildung bewertet. Darauf aufbauend werden Micro-Fortbildungen zum Erproben, Erleben und Reflektieren berufsschulischer Kommunikationsprozesse in der virtuellen Realität konzipiert und in folgenden Design-Zyklen angepasst. Hiermit leistet das Teilprojekt einen Beitrag zur Qualifizierung und Professionalisierung des berufsschulischen Bildungspersonals.
Die Stichprobe des Forschungsvorhabens besteht aus Lehrkräften an bayerischen Berufsschulen (n=13, davon w=6, m=7, Durchschnittsalter = 44 Jahre). Diese wurden mithilfe eines teilstandardisierten Leitfadeninterviews befragt, wobei die qualitativen Daten mittels einer inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet werden.
Die vorläufigen Ergebnisse verdeutlichen, dass wenig Vorstellungskraft im Hinblick auf (1) konkrete Kommunikationsszenarien und (2) die Umsetzung dieser, vorhanden ist („[…], weil sie [das Kollegium] den Mehrwert gerade mit dem jetzigen Entwicklungsstand noch gar nicht erkennen können“ (KVR_1, Pos. 51)). Grundsätzlich steht die Stichprobe dieser Zukunft “[…] sehr offen und gespannt […]“ (KVR_5, Pos. 63) gegenüber: Vor allem bei informellen Kommunikationssettings (unter Lehrkräften) oder Kommunikationssituationen, die ohnehin einen hohen Präsenzanteil haben (Unterricht), werden keine Potenziale für den Übertrag in den virtuellen Raum erkennbar. Dagegen wurden formale Kommunikationssettings, wie (Fachbereichs-) Sitzungen oder AusbilderInnensprechtage, als potenzielle auch in VR abhaltbar angesehen. Die Interviewten stellen jedoch die Notwendigkeit der Aufklärung über VR, sowie Annährungsversuche in VR heraus – “Wir müssen die Konzepte kennen!”(KVR_11, Pos. 64).
Zum Ende des Vortrages können erste Erfahrungen zur Umsetzung der Fortbildung an einer bayerischen Berufsschule berichtet sowie Evaluationsergebnisse der 1. Pilotierung gemeinsam analysiert und diskutiert werden.
Ausgewählte Literatur:
Gerholz, K.-H. & Dormann, M. (2017). Ausbildung 4.0: Didaktische Gestaltung der betrieblichberuflichen Ausbildung in Zeiten der digitalen Transformation. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 32, 1-22.
Hasenbein, M. (2023). Mensch und KI in Organisationen: Einfluss und Umsetzung Künstlicher Intelligenz in wirtschaftspsychologischen Anwendungsfeldern. Berlin u.a.: Springer.
Hofeditz, L., Löffler, U. & Strathmann, C. (2021). Herausforderungen und Handlungsempfehlungen für die VR-basierte Zusammenarbeit mit digitalen Nomadinnen und anderen Remote-Arbeitenden. HMD. Praxis der Wirtschaftsinformatik, 2021-12, 59(1), 207-225.
Lehren lernen im virtuellen Raum - durch reflektierte Handlungen im Teach-R-Labor
Christina Hildebrandt, Amitabh Banerji Universität Potsdam
Professionalisierung muss praxisnah und am realen Unterrichtsgeschehen orientiert erfolgen. Empirische Studien belegen, dass dies die besten Ergebnisse erzielt [1]. Dabei ist es notwendig, dass angehende Lehrkräfte befähigt werden, die eigenen Unterrichtsplanungen sowie Durchführungen selbstkritisch zu hinterfragen, außerdem ihr unterrichtliches Handeln zu analysieren, um ihre Kompetenzen weiterentwickeln zu können. Die Reflexionskompetenz besetzt somit im Hinblick auf die Verbesserung, Entwicklung und Anpassung von Unterricht eine Schlüsselposition [2] und muss daher ein zentraler Bestandteil der Ausbildung sein, welchen es jedoch im Hinblick auf Unterrichtsdurchführung zu schärfen gilt. Denn Studien zeigen, dass Studierende Unterricht oftmals stark deskriptiv und wenig systematisch sowie wenig kritisch-reflektierend analysieren [3], [4]. Auch die Verknüpfung von deklarativem und prozeduralem Wissen aus Studium und Anwendung wird nicht hinreichend ermöglicht, da hierfür echte Lehr-Lern-Gelegenheit geschaffen werden müssen, die nach Möglichkeit wiederholbares Üben am Lerngegenstand „Unterricht“ ermöglichen.
In diesem Zusammenhang weist der Einsatz von Virtueller Realität (VR) ein großes Potential auf. Denn die virtuelle Trainingsumgebung Teach-R in der Variante des virtuellen Laborklassenzimmers für den Chemieunterricht erschließt echte Lehr-Lern-Gelegenheiten, die im Vergleich zu text- oder videobasierten Unterrichtsvignetten keine Distanz zum Geschehen aufweisen und ein weit geringeres Maß an Abstraktionsfähigkeit benötigen [5], [6]. Auch kann der Einsatz dieser modernen Technik an Hochschule für die Ausbildung von Lehrpersonal einen wichtigen Schritt markieren. Der digitale Wandel, der sich vor allem in den Fachwissenschaften sowie in der Ausprägung von Informations- und Kommunikationswegen der Schüler*innen rasant vollzieht, kann so auch Lehrkräfte erreichen und somit Kompetenzen im Sinne des DPaCK-Modells (DPacK: Digitality-related Pedagogical Content Knowledge) aufbauen und erweitern [7]. Außerdem werden in VR realistische Trainingssituationen möglich, die es zulassen (herausfordernden) Unterrichtssituationen interaktiv zu begegnen, diese zu erproben und prozedurales Wissen zu adressieren [8].
In der virtuellen Trainingsumgebung unterrichten die Studierenden eine Lerngruppe aus virtuellen Schüler*innen (vS*S), welche in Partnerarbeit ein Experiment am Gasbrenner durchführt. Die Verhaltensweisen der vS*S und die auftretenden fachspezifischen Störungen (z.B. vS*S haben Angst vor dem Brenner) basieren dabei auf Praxisbeispielen und werden von einem dem Szenario zu Grunde liegenden Strukturmodell gesteuert. Die angehenden Lehrkräfte werden mit diesen fachspezifischen Störungen konfrontiert, die in einem 8- bis 10-minütigen Szenario adressiert werden sollen [8]. Das Szenario wird hierbei vom Lehrpersonal über die Webanwendung eines externen Coachs begleitet. Die vS*S werden über diesen Coach im Hinblick auf die Handlungsentscheidungen der angehenden Lehrkräfte manipuliert und geben somit eine Form des Feedbacks, welches neben der durchgeführten Handlung selbst sowie der Entscheidungsfindung im Nachgang diskutiert und reflektiert werden soll.
Das Teach-R Szenario soll entsprechend einen ersten Reflexionsprozess anstoßen, der für eine zielführende und überlegte Handlung notwendig ist und den es nachfolgend im Rahmen einer Lehrveranstaltung zu erweitern und vertiefen gilt. Reflexion soll hierbei prozesshaft anhand des Refined Consensus Modell [9] konzeptualisiert und untersucht werden. Die Entwicklung und Erprobung eines ersten Konzepts einer das Szenario integrierende Lehrveranstaltung, welche Reflexion am fachdidaktischen Inhalt der fachspezifischen Unterrichtsstörungen ermöglicht um adäquate Handlungsstrategien erproben und im Nachgang diskutieren zu können, ist eines der anvisierten Ziele und soll vorgestellt werden. Um Reflexionskompetenz potentiell messbar adressieren und erweitern zu können, wird ein Modell zur Reflexion, entwickelt für den Physikunterricht [10] zugrunde gelegt und angewendet. Es beschreibt eine ideale vollständige Reflexion über fünf Elemente unter Bezugnahme auf die Wissensbasis und ermöglicht die Anwendung als Forschungsinstrument, welches die Untersuchung der Entwicklung der Reflexionsfähigkeit zum Ziel hat. Auch kann es Studierenden als Leitlinie beim Reflektieren und Dozierenden als Instrument zur Einschätzung der Güte der Studierendenreflexionen dienen [10].
Grundlegend soll untersucht werden, ob und inwiefern gezielte und angeleitete Unterrichtsreflexionen ausgehend von einem virtuellen Setting zu einer signifikanten Steigerung der Handlungskompetenz führen und inwiefern sich diese Reflexionen objektiv, reliabel und valide messen lassen.
Literatur wird auf Anfrage nachgereicht.
VR-Sektionen – Strukturierte Reflexion von Potenzialen und Grenzen eines digitalen Mediums im Lehramtsstudium
Christoph Thyssen, Jan Pielage, Maximilian Goy, Laura Reinwarth, Anne Thyssen RPTU Kaiserslautern-Landau, Deutschland
Professionalisierung von Lehrkräften muss diese dazu befähigen, die unterrichtliche Vermittlung curricular verankerter Fachinhalte mit Bezug zu Fachkontexten und fachlichen Arbeitsweisen fachdidaktisch sinnvoll planen zu können. Um dabei auch Potenziale aktueller digitaler Medien, z.B. virtuelle Lernumgebungen oder VR-Simulationen reflektieren und bei Bedarf nutzen zu können, müssen solche Medien frühzeitig in der Lehrerbildungskette Berücksichtigung finden. Mit diesem Ziel adressiert das Projekt AKTiVIR mit einer VR Maus- und Forellenpräparation ganz gezielt einen Medienbereich, in dem aktuell an Hochschulen befindliche Lehramtsstudierende in der eigenen Schulzeit in der Regel noch keine Erfahrung sammeln konnten. So kann eine unvoreingenommenen Medienanalyse erfolgen und geklärt werden, was VR-Medien, hier VR-Präparationen, z.B. bei der Vermittlung fachgemäßer Arbeitsweisen im Vergleich zu realen Präparationen oder anderen Medien leisten kann und was nicht. Im kooperativen Lehrprojekt AKTiVIR werden dazu unter Einbindung der fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Perspektive Potenziale zweier VR-Umgebungen zur Sektion einer Maus und einer Forelle als Medium in Lehrveranstaltungen gemeinsam mit Studierenden untersucht. Zentral wird analysiert und diskutiert, welche Lern- und Kompetenzziele in diesem Bereich mittels VR adressierbar sind. Erste Ergebnisse liefern ein plausibles Eignungsprofil für die VR-Sektion und Argumentationslinien für eine vernetzte Integration der VR in fachwissenschaftliche und fachdidaktische Lehre im Rahmen des biologischen Lehramtstudiums aber auch für den in Bezug auf den VR-Einsatz eher unterrepräsentierten Schulunterricht.
Gemessen an internationalen Publikationszahlen liegt der inhaltliche Schwerpunkt bisheriger VR-Anwendungen im naturwissenschaftlichen bzw. medizinischen Bereich. Bezüglich der adressierten Bildungsniveaus ist im Hochschulbereich das Bachelorstudium (Noah/Sanchari 2021; Luo et al. 2021) dominierend. Metastudien ermitteln für VR-Lernumgebungen eine Effektstärke (Cohen’s d) im Bereich von 0,25 aus (Noah/Sanchari 2021). Gleichwohl zeigen detaillierte Betrachtungen, dass sich, in Abhängigkeit von der jeweils durchgeführten Studie, Effektstärken von − 0.408 bis 3.941 (Hedge's g) ergeben (Luo et al. 2021). Die Ausgestaltung der VR Anwendungen ist von Bedeutung, da der zu beobachtende Effekt von der erzielten Immersion, d.h. auch von der Umsetzung mit oder ohne Head Mounted Devices, abhängig zu sein scheint (Villena-Taranilla et al. 2022; Luo et al. 2021). Mixed Effect Analysen unter Nutzung von Daten zu den Adressaten, zum jeweiligen Inhaltsbereich, zur Art der pädagogisch-didaktischen Einbindung, zur Immersion, dem technisch realisierten Prüfungsmodus und der Art der Einführung bzw. Betreuung liefern widersprüchliche Ergebnisse zu deren Wirkung als Moderator (Luo et al. 2021). Der Effekt von VR-Lernumgebungen scheint demnach nicht in allen (Lernziel-)Bereichen gleichermaßen positiv zu sein. Für Lehramtsstudierende der Biologie kann demnach der Einsatz einer VR-Sektion inklusive eines reflektierten Vergleichs mit etablierten Medien und einer realen Sektion sinnvoll sein, um differenzierte Erkenntnisse zu deren Eignung für das Erreichen von mit einer Sektion verbundenen Lern- und Kompetenzziele an einem unterrichtstauglichen Beispiel zu gewinnen.
Hierzu wurden initial mit Studierenden mittels eines Fragebogens (22 Items bzw. Aspekte, sieben Stufen, „gar nicht“ (1) bis „sehr gut“ (7) ohne verbalisierte Zwischenstufen) erste Analysen durchgeführt. Aus Einschätzungen dazu, wie gut das Lernen mit einer simulierten VR-Präparation in unterschiedlichen Bereichen auf eine Sektion vorbereitet, konnten Eignungsprofile abgeleitet werden (n = 115). Über Clusteranalysen lassen sich mit der VR putativ adressierbare (Lern-)Zielbereiche zwei Clustern zuordnen, die in Anlehnung an Lernzieldimensionen interpretiert werden können. Kognitiv-formalen Aspekte lassen sich deutlich von einem affektiv-psychomotorischen Cluster separieren, wobei der Nutzen der VR-Sektion bzgl. kognitiv-formaler Aspekte höher eingeschätzt wird.
Literatur:
Luo, Heng/Li, Gege/Feng, Qinna/Yang, Yuqin/Zuo, Mingzhang (2021): Virtual reality in K‐12 and higher education: A systematic review of the literature from 2000 to 2019. In: J Comput Assist Learn 37 (3), S. 887–901.
Noah, Naheem/Das, Sanchari (2021): Exploring evolution of augmented and virtual reality education space in 2020 through systematic literature review. In: Computer Animation and Virtual Worlds 32, 3-4.
Villena-Taranilla, Rafael/Tirado-Olivares, ... José Antonio (2022): Effects of virtual reality on learning outcomes in K-6 education: A meta-analysis. In: Educational Research Review 35, S. 100434.
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