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Sitzungsübersicht
Sitzung
S10: Schulentwicklung: Verbindungslinien zwischen Distributed Digital Leadership und Digitale Kommunikation an Schule
Zeit:
Montag, 30.09.2024:
15:30 - 17:00

Chair der Sitzung: Rudolf Kammerl
Chair der Sitzung: Jasmin Bastian
Ort: H08

Hörsaal Erdgeschoss Quergang

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Präsentationen

Digitalitätsbezogene Schulentwicklung: Verbindungslinien zwischen Distributed Digital Leadership und Digitaler Kommunikation an Schulen

Chair(s): Rudolf Kammerl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland), Jasmin Bastian (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Diskutant:in(nen): Ulrike Krein (Johannes Gutenberg Universität Mainz)

Unsere Gesellschaft ist durch digitale Transformationsprozesse gekennzeichnet, die mit Konzepten der tiefgreifenden Mediatisierung, Kultur der Digitalität und Postdigitalität diskutiert werden und zu umfangreichen Veränderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen führen. Einerseits ist im Bildungssystem das Primat des Pädagogischen zu berücksichtigen, zum anderen sind bei der Schulentwicklung größere Anstrengungen erforderlich, um auch im internationalen Vergleich den Anschluss nicht zu verlieren. Dazu bedarf es Führungspersonen, die im Sinne einer Digital Leadership den Wandel aktiv gestalten können. Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle – sowohl auf individueller Ebene, etwa im Kompetenzprofil von Leaders, als auch auf organisatorisch-schulkultureller Ebene, beispielsweise hinsichtlich der Gestaltung des digitalen Kompetenz- und Kooperationskonzepts.

Das BMBF-Verbundprojekt LeadCom geht der Frage nach, wie Schulleitungen und mit Schulentwicklung befasste Lehrkräfte durch Fortbildungen zur Distributed Digital Leadership und der damit verbundenen Veränderung der Kommunikations- und Kooperationspraxis an Schulen unterstützt werden können. Das Symposium diskutiert diese Frage auf folgenden Ebenen:

(1) Auf Ebene der digitalen Schulentwicklung soll die Entwicklung und nachhaltige Verankerung von Konzepten zur systematischen Steuerung von digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen auf Schulebene unterstützt werden. Dies erfordert (a) Konzepte zur Gestaltung einer entsprechenden digitalen Kommunikations- und Kollaborationskultur an Schulen und (b) die Stärkung einer Digitale Leadership in diesem Bereich.

(2) Auf Ebene der Kommunikations- und Kooperationsentwicklung soll eine Veränderung der Kommunikations- und Kooperationspraxis gestärkt werden, die nicht technologie-getrieben sondern pädagogischen Konzepten folgt, und zwar sowohl schulintern (z. B. Kollegium-Schulleitung, Lehrende-Schüler:innen) als auch mit außerschulischen Akteur:innen (z.B. Schule-Elternhaus).

(3) Auf Ebene der Personalentwicklung soll die systematische Kompetenzentwicklung von Digital Leadern bzgl. digital vermittelten Kommunikations- und Kollaborationsprozessen gefördert werden. Dies umfasst die schulinterne digitalisierungsbezogene Fort- und Weiterbildung im Hinblick auf digitale Kommunikation und Kollaboration aber auch partnerübergreifende Maßnahmen für den Verbund des Kompetenzzentrums sowie darüber hinaus.

National wie international wird der Begriff Schulleitung oder School Leader(ship) keineswegs einheitlich verwendet (Krein 2023). Länderspezifisch kann er sich sowohl auf eine Einzelperson beziehen als auch auf eine Gruppe von Personen und neuer Formen der Schulleitung, z. B. die erweiterte Schulleitung bzw. das Konzept der Distributed Leadership (Schiefner-Rohs 2019). Da in der Schulpraxis ein erheblicher Teil der Schulentwicklung auf einer ‘mittleren Ebene’ (z. B. Abteilungen, Jahrgangsstufen, Schulformen, Fächer, Fächergruppen etc.) stattfindet, ist es zentral, im Rahmen von Forschungs- sowie Entwicklungsvorhaben diese Formen der Schulleitung mit zu berücksichtigen (Anders et al. 2021). Im Hinblick auf die Bewältigung spezifischer Führungsaufgaben im Kontext der digitalen Transformation bedarf es außerdem einer Führung im Sinne einer Digital Leadership (Creusen et al. 2017; Kane et al. 2019). Das noch unscharf konturierte Konzept findet immer stärker Eingang in den schulbezogenen öffentlichen Diskurs und steht in Zusammenhang mit den Aufgaben schulischer Führungspersonen im Kontext der digitalen Transformation der Organisation (vgl. Creusen et al. 2017). Der Begriff Leadership ist dabei eher auf die Schule als Gesamtorganisation ausgerichtet (Anders et al. 2021), und zielt darauf ab, zukunftsgerichtet neue Möglichkeiten zu eröffnen, indem eine Vision erarbeitet, andere „empowered“ werden und die Veränderung so implementiert wird (Kotter 2001). Kane et al. (2019) betonen dabei, dass vor allem transformative Visionen und eine vorausschauende Perspektive aber auch die Digitalkompetenz und eine hohe Anpassungsfähigkeit im Sinne der Innovationsfähigkeit und Offenheit wichtige Teile der Führungskompetenz sind. Leadership ist dabei unabhängig von einer hierarchischen Konstellation.

Im Rahmen des Symposiums wird die Frage diskutiert, welche Verbindungslinien zwischen der Trias Distributed Digital Leadership – Digitaler Kommunikation – Personalentwicklung gezogen werden können. Dabei adressieren die Symposiumsbeiträge die folgenden Felder:

- Wie können die Konzepte Digital Leadership und Distributed Leadership zu einer Distributed Digital Leadership zusammengebracht werden?

- Wie gestalten sich Kommunikationspraktiken von Schulleitungen und mit digitaler Schulentwicklung betrauter Lehrkräfte im Kontext der zunehmenden Digitalisierung?

- Wie können Schulleitungen und mit digitaler Schulentwicklung betraute Lehrkräfte auf diese Aufgaben vorbereitet werden?

 

Beiträge des Symposiums

 

Distributed Digital Leadership an Schulen

Karl Wilbers
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Theoretischer Hintergrund

Blickt man auf Diskurse um Digitalisierung (in) der Schule wird schnell augenscheinlich, dass Schulleitende als Promotor:innen für Schule und Schulentwicklung eine entscheidende Rolle einnehmen (u. a. Eickelmann, 2010; Fullan, 1998; Hallinger & Heck, 1998; Leithwood, Harris & Hopkins, 2020; Pietsch & Tulowitzki, 2017; Prasse, 2012).

Der Zusammenschluss dieser beider Konstrukte, „Distributed Digital Leadership“ (Schiefner-Rohs, 2019), kann dabei als Charakteristikum des Handelns von Schulleiter:innen im digitalen Wandel angesehen werden, da durch digitalisierungsbedingte Transformationsprozesse Tätigkeiten und Kompetenzen erforderlich werden, die nicht mehr nur von einer Person getragen werden können (Schiefner-Rohs, 2019). Doch obwohl in der Literatur darauf verwiesen wird, dass das umfangreiche Aufgabenspektrum von Schulleitenden (nicht nur) in Deutschland nicht mehr nur von einer Person bewältigt werden kann und dieses im Kontext von Digitalisierung an Komplexität gewinnt (Krein, 2024; Schiefner-Rohs, 2016), liegt bislang keine Arbeit vor, die die benannten Führungskonzepte systematisch in Bezug zueinander setzt und damit versucht, der Frage nachzugehen, was genau unter Distributed Digital Leadership verstanden werden kann.

Fragestellung

Der Beitrag verfolgt die folgende Fragestellung: Wie kann die digitale Schulentwicklung durch eine Schulleitung nach dem Modell des distributed digital leadership unterstützt werden? Diese Hauptfrage kann in zwei Teilfragen unterteilt werden: Wie können die Führungsvorstellung von digital leadership und distributed leadership zu einem kohärenten Modell zusammengeführt werden? Wie kann dieses Modell an Schulen in Deutschland implementiert werden.

Methode

Im Rahmen des Projekts LeadCom erfolgt zunächst in einem eigens dafür vorgesehenen Arbeitspaket ein Review der nationalen und internationalen Literatur durch ein standortübergreifend besetztes Team. Dieser Teilschritt mündete in ein Arbeitspapier. Im nächsten Schritt erfolgt die Validierung dieser Vorstellung vor dem Hintergrund der Ziele aller anderen Teilprojekte in LeadCom.

Ergebnisse

Vorgestellt wird ein gemeinsam erarbeitetes Verständnis von digital distributed leadership, einschließlich Hinweise zur Implementierung.

 

Digitale Kommunikation im schulischen Kontext – Innovativ und bildend?

Jasmin Bastian1, Rudolf Kammerl2
1Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Ob WhatsApp, Zoom oder digitale Lernplattform – immer häufiger werden digitale Medien an deutschen Schulen zur Kommunikation und Kollaboration genutzt. Welchen Vorstellungen einer guten Kommunikationspraxis folgt diese Entwicklung? Leitet sie sich lediglich ab aus den gewandelten Medienpraktiken in der Freizeit und im Berufsleben oder gestalten Schulen spezifische Formen digitaler Kommunikation, mit denen sie pädagogische Konzepte realisieren? Welche Bedeutung haben bei diesen Medienpraktiken pädagogische Leitbilder, wie sie in der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ formuliert und in den Medienbildungskonzepten der Schulen konkretisiert werden sollten? Diesen Leitfragen geht der Beitrag anhand von zwei zentralen Fragestellungen nach: Zum einen wird beleuchtet, inwiefern digitale Kommunikation genutzt wird, um die Lehrkräfte-Eltern-Kommunikation weiterzuentwickeln. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, inwiefern die schulbezogene Kommunikation das Digital Wellbeing schulischer Akteure adressiert.

Vorarbeiten zur digitalen Kommunikation zwischen Schule und Eltern weisen u.a. darauf hin, dass die Nutzung digitaler Medien u.a. der subjektiven Wahrnehmung von Vorteilen bzw. Herausforderungen folgt (Bastian & Prasse 2021). Im Beschluss der KMK (2018, 6) wird die Etablierung weiterer «Kontaktmöglichkeiten, auch auf elektronischem Wege» als eine «wichtige Voraussetzung für den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen […] über Elternabende und Sprechstunden hinaus» benannt. Abgesehen davon werden zur Zusammenarbeit von Eltern und Schule jedoch keine Empfehlungen zur digital unterstützten Kommunikation und Zusammenarbeit gegeben. Es stellt sich die Frage nach den Potentialen der Digitalisierung in Bezug auf den Informationsfluss und die Vernetzung zwischen Elternhaus und Schule.

Digitalisierungsbezogene Schulentwicklung steht einerseits im unmittelbaren Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung. Diese wird mit unterschiedlichen Rahmentheorien adressiert, z. B. als Kultur der Digitalität, tiefgreifende Mediatisierung oder Post-Digitalität. Gemeinsam ist den Ansätzen, dass auf der Meta-Ebene ein Transformationsprozess beschrieben wird, der alle Lebensbereiche umfasst. Dabei ändern sich die Medienensembles der Privathaushalte der Herkunftsfamilien und die Medienrepertoires der Kinder und Jugendlichen schneller als das Medienensemble der Schulen. Das Medienhandeln der Schüler:innen ist stark geprägt von ihren Freizeitaktivitäten und steht im Spannungsfeld mit Schulen und deren Lernumgebungen (Kammerl et al. 2022, Rummler et al. 2021). Mit dem Ansatz der kommunikativen Figurationen können diese Relationen und Entwicklungen kommunikationstheoretisch eingeordnet und analysiert werden (Kramer et al 2023). Empirisch zeigt sich, dass ein verstärkter Einsatz digitaler Medien an Schulen keineswegs notwendiger Weise die digitalen Kompetenzen der Schüler:innen fördert (Dertinger 2023) oder von den Lehrkräften als Bereicherung oder Unterstützung erlebt wird (Gradl 2022).

Hohe Bildschirmzeiten werden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie „Internetsucht“ in Zusammenhang gebracht und sind auch im Berufsalltag problematisiert. Ein Bewusstsein über Belastung- und Entlastungsfaktoren sind deshalb wesentlich für eine nachhaltige Gestaltung der Formen digitaler Kommunikation im Schulalltag und bei der Gesundheitsförderung von Schüler:innen, Lehrkräften und Schulleitungen. Die KMK benennt „Schützen und sicher agieren: Gesundheit schützen“ als einen Teilbereich der zu fördernden digitalen Kompetenzen. Anhand von Ergebnissen der Bedarfsanalysen und der Auswertung des Forschungsstandes gehen wir der Frage nach, wie Fortbildungen dazu beitragen können, die (Selbst- und Fremd-) Regulierung bei Schulleitungen, Lehrkräften und Schüler:innen zu fördern, etwa i. S. von Well-Being als Vermeidung von emotionaler Erschöpfung, arbeitsbezogenem Stress und medienbezogenen Verhaltensstörungen.

 

Die Rolle von Promotoren für die Personalentwicklung in digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen

Julia Gerick, Tobias Gottschalk, Daniel Fehrentz
TU Braunschweig

Die digitale Transformation stellt große Herausforderungen an Schule und die in ihr tätigen Akteur:innen und macht gemeinsame Schulentwicklungsprozesse nötig. Digitalisierungsbezogene Schulentwicklung kann dabei in die Dimensionen Organisationsentwicklung, Unterrichtsentwicklung, Personalentwicklung, Kooperationsentwicklung und Kooperationsentwicklung differenziert werden (u.a. Eickelmann & Gerick, 2017). Im Fokus dieses Beitrags steht dabei die Personalentwicklung, da sie insbesondere auf Fragen der Professionalisierung der schulischen Akteur:innen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation fokussiert. Nichtsdestotrotz stehen die fünf Dimensionen in einem engen Zusammenhang und sind alle für erfolgreiche Schulentwicklungsprozesse maßgeblich.

Digitalisierungsbezogene Schulentwicklungsprozesse sind nicht von einzelnen Akteur:innen alleine zu bewältigen. Das Promotorenmodell als ein Modell der Arbeitsteilung in Veränderungsprozessen bietet diesbezüglich einen fruchtbaren Theorierahmen. Promotoren werden dabei als Personen verstanden, die einen „Innovationsprozeß aktiv und intensiv fördern […]“ (Witte, 1973, S. 15f.). Das Modell differenziert zwischen Fach-, Prozess-, Macht- und Beziehungspromotoren (Gemünden & Walter, 1999; Hauschildt & Chakrabarti, 1988, 1999). Der Forschungsstand zeigt, dass dieses Modell aktuell im schulischen Kontext insbesondere im berufsbildenden Bereich erforscht (Hackstein, Ratermann-Busse & Ruth, 2021; Ratermann-Busse, 2022; Wagner & Gerholz, 2022) und insbesondere auf Schulleitungshandeln bezogen wird (u.a. Gerick, Kieseler, Herrmann & Eickelmann, 2024). Dabei bietet es aber auch wichtige Potenziale mit Blick auf (digital) distributed leadership (u.a. LeadCom, in Vorbereitung) und Rollen, die von weiteren schulischen Akteur:innen in Schulentwicklungsprozessen eingenommen werden.

Vor diesem Hintergrund wird die folgende Forschungsfrage adressiert: Welches Promotorenhandeln verschiedener Akteur:innen mit Blick auf die Dimension der Personalentwicklung im Rahmen von digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen lässt sich identifizieren?

Dieser Fragestellung wird mittels Sekundäranalysen nachgegangen, die in einem Teilprojekt des Verbundprojekts LeadCom im vom BMBF geförderten Kompetenzverbund lernen:digital allokalisiert sind. Datengrundlage bilden Transkripte von qualitativen Leitfadeninterviews aus 10 am Forschungsprojekt ‚GuTe DigiSchulen NRW‘ (2020-2022) (Gerick et al., 2023) beteiligten Schulen der Sekundarstufe I. Es liegen Daten aus Interviews mit Schulleitungen, Lehrkräften mit didaktisch-pädagogischer Perspektive (z.B. didaktische Leitung, ein Mitglied der AG Medien o.Ä.), Lehrkräften mit technischer Perspektive (z.B. IT-Koordinator:innen), weiteren Lehrkräften, Schüler:innen sowie Elternvertreter:innen an diesen Schulen vor, die für die Sekundäranalysen herangezogen werden. Die Auswertung erfolgt mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022). Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass Promotorenhandeln sowohl durch die Schulleitung aber auch durch andere Personen, die in digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen involviert sind, identifiziert werden kann und dass innerhalb des Promotorenhandelns verschiedene Aspekte der Personalentwicklung, zum Beispiel die Ermöglichung von Fortbildung, sichtbar werden. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Potenziale für die Unterstützung von Professionalisierungsprozessen schulischer Akteur:innen in der digitalen Transformation im schulischen Bildungsbereich diskutiert.