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S01: Im Fallen lernen!? - Kritisch-reflexive Bild(ungs)praxen im Kunstunterricht
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Im Fallen lernen!? — Kritisch-reflexive Bild(ungs)praxen im Kunstunterricht Digitalität evoziert neue Formen des Denkens und Handelns, wobei dies im Kontext von Schule und (Kunst-)Unterricht notwendiger Weise Transformationsprozesse impliziert und sich die Frage nach der „nächsten Kunstpädagogik“ (vgl. Meyer 2013) aufdrängt. Der durch die Digitalisierung verbundene kulturelle Wandel kann durchaus als Krisensituation beschrieben werden, da vertraute mediale Repräsentationsformen zur Disposition stehen. Zwar ist bereits in der Vergangenheit der dokumentarische Wert bildgebender Verfahren kritisch dekonstruiert worden; doch ist eine algorithmisch verfasste Fortschreibung medialer Praxen dagegen ein kaum zu kontrollierendes Phänomen und zieht Unsicherheiten und massive Orientierungsprobleme nach sich. Eine Kunstdidaktik „von Kunst aus“ (Sturm 2011) hat in diesem Zusammenhang die Potentialität, die erforderlichen Neujustierungen, Konkretionen und Differenzierungen vorzunehmen, da sie implizite Routinen dekonstruiert und prospektive Entwicklungen befördert. Ein zentrales Moment ist hier die Ästhetische Erfahrung mit dem Ziel einer kritischen „civic digital literacy“ (Mihailidis, 2018). Die Etablierung und Entwicklung bildliteraler Kompetenzen (vgl. Duncker / Lieber 2013) ist seit den 1960er Jahren eine der zentralen Zielsetzungen der Kunstpädagogik. Dabei geht es nicht allein darum, Bilder der Kunst und Alltagskultur einzuordnen und semantisch zu dekodieren, sondern um eine kritische Reflexion im Hinblick auf deren Produktion, Distribution und gesellschaftliche Relevanz. Darauf bezogene Theorien thematisieren nicht allein die verschränkte Responsivität bildbezogener Kommunikation, sondern auch die wirkmächtige Materialität des künstlerischen Materials (vgl. Bredekamp / Schäffner 2020 und Didi-Huberman 2000). Die heutige „Kultur der Digitalität“ (Stalder 2016) impliziert eine spezifische Morphologie von Bildprogrammen, die traditionelle Formen und Methoden technologisch transformieren, und neue heuristische Problemfelder produzieren (vgl. Bjarnason 2024; vgl. Huwer et al. / van Ackeren et al., 2019). Kennzeichen einer postdigitalen Kunst sind Hybridität, Intermedialität und Interkommunikation. Eine durchdigitalisierte Gesellschaft beansprucht demnach einen erweiterten Bild- und Materialbegriff. Richtungsweisend für diesen Kanon sind ästhetische Konzepte wie Adornos »Verfransung« oder Ecos »Offenes Kunstwerk«, da sie die Pluralität der Kunst und die Komplexität der Gegenwart diskutierbar machen. In Anlehnung an Agambens Idee des Zeitgenossenschaftlichen verhält sich Kunst – und idealerweise Kunst und ihre Bildung im Kunstunterricht – gegenwartsbezogen sofern sie sich kon-temporär, also ‚mit ihrer Zeit‘ – verhält, um so zu prüfen, welche Widersprüchlichkeiten bzw. Widerstände an der durchdigitalisierten Zeit zum Vorschein kommen (vgl. Agamben 2009; Winkler 2022). Eine daraus resultierende Ästhetik der intermedialen Referenzialität verhandelt in einer individualisierten Gesellschaft solche Paradigmen auf transformative Weise neu. Sofern wird die Theorie der Gegenwartskunst von Rebentisch relevant, da sie zum einen Ästhetische Erfahrung als dynamischen Prozess (vgl. Rebentisch 2013) und zum anderen Reflexion als Teil des politischen Potenzials von Kunst (vgl. Rebentisch 2013 und Fischer-Lichte et al. 2010: 251ff) proklamiert. In der unterrichtlichen Praxis erfordert dies eine adäquate Form der Bereitstellung von digitalisierungsbezogenen Erfahrungsräumen und -möglichkeiten, welche die spezifischen Bedingungen postdigitaler Bild- und Kunstproduktionen berücksichtigt. Voraussetzung wäre des Weiteren eine kritische Bestandsaufnahme kunstpädagogischer Praxen, da auch diese sich zumeist an einem traditionellem Kunst- und Bildkanon orientieren. Der umfänglichen Neukonfiguration von Kunstunterricht liegt ein transformatorisches Verständnis von Lehre und Lernen zugrunde (vgl. Kortenkamp & Goetz, 2018 und Koller 2011), und beinhaltet die Veränderung der Lehr- und Lernmethoden, die das Erlernen, Anwenden und Reflektieren technologischer Kompetenzen, sowie deren kollaborativen, interaktiven und partizipativen Einsatz umfasst. Zielsetzung ist die Etablierung von digitalisierungskritischen Überzeugungen (vgl. Buchner 2021).Das geplante Symposium befasst sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, wie künstlerische Episteme der Gegenwart in den Kontext einer digitalen Bildung im Kunstunterricht ihr kritisch-reflexives Potential entfalten, wobei dem Moment der Ästhetischen Erfahrung eine zentrale Bedeutung anerkannt wird. Die Beiträge dieses Symposiums befassen sich aus theoretischer, konzeptioneller und explorativ empirischer Perspektive mit diesem Themenkomplex und machen Vorschläge für die Konzeption von Fortbildungsprodukten. Beiträge des Symposiums Transformation und Transfer – Konzeptionen eines kritisch-reflexiven und gestaltenden Umgangs mit KI im Kunstunterricht „Eine ästhetische Bildung lehrt die Geisteswissenschaften, dass alle Fächer ‚kontaminiert‘ werden“ (Spivak 2012: 9)
Das Besondere der Kunst und ihrer Künste besteht in ihrem Potenzial auf mannigfaltige Weise Themenfelder, Materialien, Konzeptionen und Diskurse mit politischen, ökologischen und technologischen Problemstellungen zu verknüpfen, um derart neue agile Ansätze oder feinsinniges Denkhandeln zu initiieren (vgl. Spivak). Kunst vermag komplexe Verstrickungen und Ambiguitäten der Digitalisierung, der kapitalistischen Wertschöpfungen und Nekropolitiken differenziert aufzuspüren, produktive Kräfte zu vitalisieren und utopische Potentiale sichtbar zu machen (Winkler 2023). Es geht also auch um eine Veranschaulichung von gesellschaftlichen Problemlagen, Interessen und Machtverhältnisse mit den Mitteln der Kunst. In diesem Sinne befasst sich dieser Beitrag mit der Kraft des experimentellen Arbeitens ‚von Kunst aus‘ (Sturm 2011) und mit Formen ästhetischer Urteils- und Meinungsbildung, um eine ‚Critical Media Literacy‘ evidenzbasiert zu ermitteln. In diesem Sinne befasst sich dieser Beitrag mit der Kraft des experimentellen Arbeitens ‚von Kunst aus‘ (Sturm 2011) und mit Formen ästhetischer Urteils- und Meinungsbildung, um eine ‚Critical Media Literacy‘ evidenzbasiert zu ermitteln. Ziel dieser Untersuchung ist es, validierte Gelingensbedingungen für Fort- und Weiterbildungsmodule für das Fach Kunst zur Disposition zu stellen. Die Musikerin Holly Herndon veröffentlichte im Jahr 2019 das Album ‚Proto‘. Vermittels der K.I. ‚Spawn‘ untersucht Herndon die Mensch-Maschine-Relation, welches von ‚Schönheit‘ – einer hybriden, prozessualen, schwingenden, sich aufbauenden und weiterentwickelnden Interaktion – geprägt ist. Lustvoll erprobt sie dabei experimentelle Verfahren der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen, technologischen Problemstellungen. Sie bewegt sich dabei an den Rändern des Unmöglichen, am Abseits des Herkömmlichen um hier das Neue aufzuspüren. So konterkariert sie das herkömmliche Verständnis von Digitalität und ermöglicht eine kritische Distanzierung (vgl. Klein 2019: 16; Winkler 2023). Herndons Technikeinsatz ist somit ein protoptypisches Exempel der produktiven und selbstbewussten Aneignung von Technologien. Dieses Verfahren war Gegenstand eines kunstbezogenen Lehrforschungsprojektes an der Uni Potsdam im Rahmen des BMBF geförderten Verbundprojektes DigiProSMK. Studierenden des künstlerischen Lehramtes involvierten Schüler*innen im Rahmen des künstlerisch-edukativen Projektes – „Utopia, Schlaraffenland und die Insel, auf der ich gern zu Hause wäre. Mit K.I. eine Welt erleben und erschaffen, die es jetzt noch nicht gibt“ – mit Möglichkeit der kunstbezogenen Auseinandersetzung mit einer digitalisierten Lebenswelt. Das Projekt wurde mithilfe triangulierter Methoden praxeologisch beforscht. Die analysierten Daten wurden mittels teilnehmender Beobachtung (Kochinka 2010), sowie video- und fotografischer Verfahren erhoben. Weitere Daten wurden im Anschluss in Form einer leitfragenorientierten Gruppendiskussion (Lehrer*innen, Studierende) erhoben, und mithilfe der dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 1999) analysiert und Sinnstrukturen rekonstruiert. Die Ergebnisse geben einen Einblick in die Relevanz medienkritischer künstlerisch-edukativer Strategien und ermöglichen die Identifizierung von Gelingensbedingungen eines künstlerischen Unterrichtes vor. Es wird deutlich, dass die ästhetische Erfahrung, das zentrale Element einer kritisch-ästhetischen Urteils- und Meinungsbildung des Unterrichtsgeschehens darstellt und somit eine zeitbezogene Kunstpädagogik zu initiieren weiß. Demnach wird das utopische Potenzial künstlerisch-edukativer Strategien im kritischen Umgang mit Künstlicher Intelligenz sichtbar und kann produktiv in Fort- und Weiterbildungsmodule eingespeist werden. „Maker Space als Chance für digitale, hochimmersive Medien im Kunstunterricht“ - Analyse von halboffenen Leitfaden-Interviews mit Lehrkräften sowie von Lernportfolios von Studierenden mittels dokumentarischer Methode Lehr-Lern-Settings mit digitalen, hochimmersiven Medien, konfrontieren (angehende) Lehrkräfte mit umfangreichen Transformationsprozessen innerhalb von schulischen Lernarrangements. Dies verstärkt sich dann, wenn sie nicht nur als innovatives künstlerisches Werkzeug sondern vielmehr als Anlass zur Um- und Neugestaltung verstanden werden (Przybylka 2022), die an unterschiedliche Grade der Hybridisierung und Synthetisierung analoger und digitaler Realitäten jugendkultureller Lebenswelten als Teil eines identitätsbildenden Bildhandelns (Brönnecke 2024) anknüpfen. Immaterielle Erzeugnisse künstlerischer Handlungspraxis verlangen neue Formen der sensitiven Auseinandersetzung mit Material (Brenne & Brönnecke, 2021), die auf einer intuitiven, phygitalen (Scorzin 2023) Interaktion zwischen Hand und technischer Schnittstelle, als direkter Verbindung zwischen Produzierenden bzw. Rezipierenden und Artefakt beruht. Der Beitrag skizziert erste Erkenntnisse der iterativen Fortbildungsentwicklung zu digitalen, hochimmersiven Medien aus kunstdidaktischer Perspektive, die mit dem Fokus auf Transformationsprozesse von Lernarrangements identifiziert werden konnten. So zeigt sich, dass (angehende) Kunstlehrkräfte im Sinne von „How to XR”, zunächst selbst als Lernende agieren müssen, um technische Handlungskompetenzen zu erlangen. Erst dann können Erkenntnisse aus freiem, künstlerisch-explorativem Handeln diskutiert und in konkrete, kompetenzorientierte Lernszenarien für Schüler:innen überführt werden, in denen z.B. Fragen des Raum–Zeit–Verhältnisses (Hall 2021), der (Selbst-)Verortung und Identitätsbildung (Brönnecke 2024), einer ambiguitätssensiblen Haltung sowie Zugänge zu einer demokratischen Teilhabe und Mitgestaltung an Gesellschaft sowie Fragen der Körperwahrnehmung und Präsenz in phygitalen Räumen verhandelt werden können. Auf einer zweiten Ebene sind (angehende) Lehrkräfte mit konkreten Gelingensbedingungen sowie technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen an Schule konfrontiert. Ein Ansatz stellt hier der interdisziplinär ausgerichtete Maker Space, der in Hinblick auf universitäre Lehre bereits durch Prote, Tschiersch und Brendel (2024) beforscht und umfangreich evaluiert wurde. Einige dieser Gelingensbedingungen können auch auf den Lernort Schule übertragen werden, wie etwa Bereitschaft für Transformationen gegenüber offenen Lehr-Lern-Formaten und (technischen) Herausforderungen auf Seiten der Lehrenden. „Körperbilder in digitalen Medienkulturen“ - Analyse von Interviews mit Lehrkräften basierend auf durchgeführten Unterrichtsprojekten Hybride Formen von Körperlichkeit sind zentrale Motive postdigitaler Kommunikationsformen und prägen den Alltag von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf Rollenidentität und Selbstwahrnehmung. Insofern sind Körperbilder ein zentraler und interdisziplinärer Gegenstand von Unterricht. Der Kunstunterricht spielt hier eine bedeutsame Rolle, hat doch die Kunst in ihrer Geschichte mannigfaltige Morphologien und Manifestationen des menschlichen Körpers hervorgebracht. Dies gilt auch für postdigitale Genres wie Glitch-Art, die Körperbilder dekonstruiert und in fluide, transgressive Gebilde transformiert. Der Beitrag charakterisiert diesbezügliche Unterrichtsversuche, auf deren Basis zentrale Essentials von Fortbildungsmodulen identifiziert werden. Zentrales Element der Evaluation der durchgeführten Unterrichtsprojekte, die durch mehrjährig tätige Kunstlehrkräfte begleitet und beobachtet wurden, sind halb-offene leitfadengestützte Interviewstudien, die regelgeleitet inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Dabei liegt der Fokus auf offeneren Haltungen, progressiven Unterrichtselementen sowie manifeste Perspektivwechsel. Dabei wird davon ausgegangen, dass Digitalisierung bereits den privaten Alltag durchdrungen hat und Gegenstand informellen Lernens ist, ohne dass dies bereits Gegenstand der Herausbildung einer kritischen Instanz ist. Dies impliziert einen vertiefenden Einblick in Themen, wie Influencer:innen-Idolisierung, Modehandeln, Fankulturen sowie Social Scoring und Digital Marketing. Auf der technisch-gestalterischen Ebene wurden Methoden wie Videoschnitt, Bildbearbeitung, Meme-Erstellung, 3D-Modellierung und Werkzeuge, wie Freeware, Filter, KI-Anwendungen und Video-Interfaces thematisiert, die ebenfalls Gegenstand informeller und non-formaler Lernprozesse sind. Kunstlehrkräfte sind insofern gefordert, kunstpädagogische Kompetenzen zu aktualisieren und an die neuen Lerngegenstände anzupassen bzw. diese zu modifizieren. Dies (be)trifft akut die Verhandlung einer Ästhetik des Digitalen. Zwar wurden solche Verständnisse bereits breit in Fachdiskursen adressiert und etabliert (Giannetti 2004, Ide 2022, Meyer 2013), doch fehlt es an einer grundständigen unterrichtlichen Implementation. Die analysierten Unterrichtsversuche wurden mit einer achten und zehnten Klasse durchgeführt und erprobten Ansätze des forschenden und selbstregulierten Lernens im Kontext mediologischer Untersuchungen, die in hohem Maße differente Schülerarbeiten evozierte. Gegenstand der vergleichenden Analyse war die Kontrastierung divergenter Kunstbegriffe und künstlerischen Ausdrucksmitteln, wobei Kategorien wie Referenzialität, Experiment und Zufall oder die Verweigerung formaler Konzeption berücksichtigt wurden. Weitere Kategorien bezogen sich auf Formen der Selbstregulation im künstlerischen Prozess, fehlersensible Produktentwicklung (Glitchart, Post-Internetart) und thematische Interdependenzen. |