Vor dem Hintergrund der aktuellen Befundlage großer Bildungsvergleichsstudien gewinnen effektive Lehr-Lernsettings immer mehr an Bedeutung. Als eine vielversprechende Maßnahme, solche Lehr-Lernsettings zu etablieren, werden zunehmend digitalisierte und adaptive Unterrichtsformate angestrebt. Hierbei ist für ein nachhaltiges und vernetztes Lernen fächerübergreifender Unterricht zentral. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf eine gemeinsame Fachsprache und die Entwicklung von Kooperationsformen aus (Hempel, 2016), sowohl zwischen Lehrkräften als auch zwischen Schule und Wissenschaft. Hierauf müssen die Beteiligten entsprechend vorbereitet werden. Dazu bietet insbesondere der vom BMBF geförderte Kompetenzverbund lernen:digital eine zielgerichtete Möglichkeit zur Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit, welche hier als fächer-, standort- und projektübergreifende Kooperationen von lehrkräftebildenden Akteur*innen und Lehrkräften verstanden wird.
Interdisziplinarität spielt hierbei auch für die Planung und Gestaltung von Fortbildungen eine Rolle. Zwischen den Fachbereichen KuMuS und MINT bedeutet dies, dass Fachkulturen lernen müssen, miteinander in Austausch zu treten und gemeinsame Kompetenzmodelle und Begriffsverständnisse zu entwerfen. Der Bedarf an systematischer Fort- und Weiterbildung wird zusätzlich durch eine gesteigerte Heterogenität der Lehrkräfte bezüglich ihrer digitalisierungsbezogenen Kompetenzen verstärkt (Prasse et al., 2017).
Wie kann innerhalb der Fachspezifika trotz dieser Differenzen eine fächer-, standort- sowie projektübergreifende Kooperation gelingen? Bei dieser Frage geht es weniger um einen kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern vielmehr um die Fokussierung unterschiedlicher fachgeprägter Perspektiven auf gemeinsame Elemente der Kompetenzentwicklung. Die zunehmende Relevanz von Kooperation zu digitalisierungsbezogenen Themen für die Förderung medienbezogener Kompetenzen Lernender (Lorenz, Endberg & Bos, 2019) kann hierbei eine Chance sein, bringt aber auch verschiedene Hürden mit sich, die eine solche Zusammenarbeit potenziell erschweren. Das von uns vorgeschlagene Format des Conversation Café dient dazu, bestehende Hemmschwellen für interdisziplinäre Kooperationen abzubauen und eine Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu schaffen (s.u.).
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist vor allem dann schwer, wenn der Einsatz digitaler Technologien und damit das fachbezogene Verständnis unterschiedlich ist. So wird beispielsweise in einigen Unterrichtsfächern Digitalisierung als Substitution oder Unterstützung bestehender Kontexte genutzt (Kramer et al., 2019), während in anderen Fächern digitale Medien auch zur Schöpfung neuer Inhalte verwendet werden (Hoene, 2018). Dieses differierende Verständnis und die unterschiedliche Nutzung digitaler Medien wird auch bei lernen:digital in den Projekten KuMuS-ProNeD und MINT-ProNeD deutlich. Die Projekte in den interdisziplinären Kompetenzzentren Musik/Kunst/Sport sowie Mathematik/Informatik/Naturwissenschaften/Technik wurden als Schwesterprojekte konzipiert, in denen deutliche Überschneidungen in Gestaltung und Umsetzung vorgesehen sind. Ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Fachsprache, besonders auch bezüglich Digitalisierung, ist bei beiden Projekten eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche interdisziplinäre Kooperation. Dies betrifft zum einen die Gestaltung von Fortbildungen, in denen digitale Technologien verwendet werden. Diese wurden bisher oftmals fachunabhängig konzipiert, was möglicherweise die zielgerichtete Anwendung in einem spezifischen Fach erschwert, wenn kein gemeinsames Begriffsverständnis vorliegt.
In der bisherigen Projektarbeit kristallisierten sich zudem gerade sowohl für die Bedarfsanalysen als auch die Evaluationen erste Unterschiede bezüglich der Begriffsverständnisse heraus. Nicht nur die Bedarfe unterscheiden sich hier und müssen z.T. unterschiedlich erhoben werden, auch die fachspezifische Verwendung von Begrifflichkeiten führt zum Einsatz unterschiedlicher statt parallelisierter Skalen innerhalb der Evaluation. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen, zu benennen und kooperative Ansätze zu etablieren.
Um hierfür methodisch tragfähige Lösungen zu finden und rechtzeitig eine gemeinsame Fachsprache zu entwickeln, müssen im Vorfeld einerseits gemeinsame Arbeitsweisen und Begriffsdefinitionen gefunden werden und andererseits Unterschiede rechtzeitig kommuniziert werden. Ausgehend von diesen (potenziellen) Differenzen wird in einem kommunikativen Format, einem Conversation Café, in gestützten Diskussionen Raum für Austausch geschaffen. Durch Leitfragen sollen Erfahrungen und Wege einer fächer-, standort- und projektübergreifenden Kooperation besprochen und reflektiert werden. Anschließend werden die Ergebnisse der Diskussionen gesammelt und damit Good-Practice-Beispiele für fächer-, standort- und projektübergreifende Kooperationen, insbesondere mit Blick für Bedarfsanalysen und Evaluationen, abgeleitet. Das Austauschformat zielt somit darauf ab, Strukturen für zukünftige interdisziplinäre Zusammenarbeiten anzustoßen.