Öffentlichkeit(en) und ihre Werte
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
19. bis 21. März 2025 in Berlin
Conference Agenda
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PE01: Journalistische Wertorientierungen im DACH-Raum: Befunde zum Kern und zur Peripherie aus der dritten Welle der Worlds of Journalism Study
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11:00am - 12:30pm
Journalistische Wertorientierungen im DACH-Raum: Befunde zum Kern und zur Peripherie aus der dritten Welle der Worlds of Journalism Study Die Auseinandersetzung mit "Öffentlichkeit(en) und ihren Werten” eröffnet mindestens zwei Perspektiven: Zum einen braucht Gesellschaft Öffentlichkeit(en), um sich über Werte zu verständigen, zum anderen unterliegt bzw. folgt die Herstellung von Öffentlichkeit(en) Wertorientierungen - oder sie tut es nicht und wird dann Gegenstand öffentlicher Debatten. Die kommunikativen Bedingungen der digital(isiert)en Gesellschaft sind immer wieder Gegenstand wie auch Ausdruck der Auseinandersetzung mit diesem reflexiven Zusammenhang (Nassehi 2019; Hepp 2021; Dickel 2022). Wir beschäftigen uns in diesem Panel mit Journalismus - ein Feld/System, das auch in der digital(isiert)en Gesellschaft noch immer eine besondere Bedeutung für die Herstellung von Öffentlichkeit(en) hat und gleichzeitig vor vielfältigen Herausforderungen steht, diese Funktion zu erfüllen. Dies betrifft z. B. die Arbeitsbedingungen im Journalismus, berufliche Autonomie, das journalistische Rollenselbstverständnis, die virulente Frage, wie “objektiv” journalistische Berichterstattung ist, sein kann und sollte, bezieht sich aber auch auf sog. periphere Akteure (Autor:innen 2022), die bis vor wenigen Jahren noch weitgehend unter dem Radar einer auf den professionell-redaktionell organisierten Journalismus fokussierten Journalismusforschung operierten, in der öffentlichen Kommunikation aber zunehmend an Bedeutung gewinnen. Grundlage unserer Beschäftigung mit diesen Themen sind Befunde aus der dritten Befragungswelle unter hauptberuflichen Journalist:innen der Worlds of Journalism Study (WJS3); in diesem Panel konzentrieren wir uns auf die Daten aus den DACH-Ländern (N= 3.256). Das Panel bündelt Vorträge, die im Hinblick auf das Tagungsthema “Öffentlichkeit(en) und Werte” besonders relevant sind, da sie zeigen, wie sich abstrakte Werte, die gesellschaftlich für die Herstellung von Öffentlichkeit(en) gelten (sollen), in konkreten journalistischen Normen bzw. Selbsterwartungen zeigen: Das betrifft die beobachtbare Erweiterung des journalistischen Rollenselbstverständnisses und der sich darin zeigenden Wertorientierungen, journalistische Epistemologien sowie den erstmals im Rahmen der WJS möglichen Vergleich von Einstellungen und Rollenselbstverständnissen zwischen journalistischem Kern und der Peripherie. Alle Vorträge im Panel eröffnen einen komparativ-vergleichenden Blick über die drei DACH-Länder. Der erste Vortrag gibt eine Einführung in die WJS3: in die Themenschwerpunkte und Datengrundlagen, vor allem aber in die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die mit der empirischen Vermessung eines sich zunehmend fluide organisierenden Journalismus im Kern und in der Peripherie verbunden sind. Der zweite Vortrag setzt sich mit dem journalistischen Rollenselbstverständnis auseinander und bietet einen DACH- und einen Zeitvergleich zwischen der zweiten und der aktuell dritten Welle der WJS an. Gezeigt wird, dass in der gesamten DACH-Region heute mehr Wert auf die journalistische Kontrollfunktion gelegt wird als noch vor zehn Jahren und gleichzeitig der Wille, gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, abgenommen hat. Im dritten Vortrag liegt der Fokus auf journalistischen Epistemologien, die in der Form erstmals im Rahmen der WJS abgefragt wurden. Es wird deutlich, dass deutsche Journalist:innen optimistischer eingestellt sind in Bezug auf ihre Fähigkeit, einen neutralen Standpunkt einzunehmen, während ihre Kolleg:innen aus Österreich und der Schweiz öfter davon ausgehen, dass Wahrheit zwangsläufig von “den Mächtigen” geprägt wird. Mit dem vierten Vortrag stellen wir ein Novum im Rahmen der WJS vor: ein Vergleich zwischen Befunden aus dem professionellen Kern mit der sog. Peripherie des Journalismus. Deutlich wird, dass wir es in beiden Bereichen mit z. T. unterschiedlichen journalistischen Wertorientierungen zu tun haben, insofern periphere Akteure sich insgesamt aktivistischer und weniger an “Objektivität” orientiert zeigen als dies für Journalist:innen im professionellen Kern gilt. Presentations of the Symposium Journalismus im Kern und an der Peripherie: Von den Schwierigkeiten, (repräsentative) Daten zu gewinnen - und warum es sich trotzdem lohnt Seit mehr als 20 Jahren befindet sich der Journalismus im Krisenmodus: Ökonomische Umwälzungen, Arbeitsverdichtung, technologischer Wandel und nicht zuletzt externe Anfeindungen haben den Druck auf Journalist:innen enorm erhöht. Welche Auswirkungen hat der Wandel auf die Profession? Wie haben sich die Rahmenbedingungen verändert und was macht das mit den Einstellungen und Wertorientierungen der Medienschaffenden? Empirische Antworten liefert die globale Studie Worlds of Journalism. Mehr als acht - ereignisreiche - Jahre nach der letzten umfassenden Bestandsaufnahme gibt die aktuelle Teilstudie für Deutschland, Österreich und die Schweiz Einblicke in Zustand und Wandel des deutschsprachigen Journalismus. Die Datengrundlage bilden 3.256 standardisierte Interviews aus den Jahren 2022 und 2023. Nach einem Überblick über die wichtigsten Merkmale des untersuchten Samples behandelt der Vortrag v. a. die methodischen Herausforderungen: Wir erläutern den Prozess von der Grundgesamtheitserhebung bis zur Stichprobenziehung und stellen Verfahren zur Überbrückung unvermeidlicher Informationslücken vor. Im Bewusstsein, dass journalistische Transformation und professioneller Wertewandel verstärkt von den Rändern des Berufsfeldes stimuliert werden, wurde in den DACH-Ländern erstmals eine ergänzende – nichtrepräsentative – Befragung mit 358 Personen aus der journalistischen Peripherie durchgeführt, deren methodische Anlage wir ebenfalls vorstellen. Journalistisches Rollenselbstverständnis als Wertorientierungen im Wandel: Befunde aus dem DACH-Raum Journalist:innen übernehmen als zentrale mediale Akteur:innen eine tragende Rolle bei der Prägung von Wertstrukturen und -orientierungen in der (Medien-)Öffentlichkeit. Aber auch ihr Rollenverständnis umfasst als wesentlichen Bestandteil journalistischer Kultur normative Ansprüche und Vorstellungen ebenso wie die Erfüllung gesellschaftlicher Funktionen in der journalistischen Praxis (Hanitzsch 2007: 371). Dass diese Rollen in verschiedenen journalistischen Kontexten unterschiedlich aufgefasst und ausgeübt werden, ist angesichts eines zunehmend ausdifferenzierten Mediensystems (Jarren et al. 2017: 37f) wenig überraschend. Die dritte Welle der Worlds of Journalism Study gestattet es durch die doppelte Vergleichsebene nun, neben länderspezifischen Unterschieden auch den Wandel von journalistischen Wertorientierungen in der DACH-Region sichtbar zu machen. Auffallend ist etwa, dass es für Journalist:innen aller drei Länder deutlich wichtiger geworden ist, die Mächtigen zu kontrollieren. Gleichzeitig hat der Wille, allgemein Einfluss auf gesellschaftliche Debatten und Wandel zu nehmen, abgenommen. Interventionismus zeigt sich nun vielmehr darin, dass Journalist:innen das Publikum zu informiertem Handeln befähigen und aktivieren wollen. Diese Ergebnisse spiegeln Veränderungen der persönlichen Wertorientierungen der Journalist:innen sowie indirekt der kontextspezifischen gesellschaftlichen Erwartungen an den Journalismus wider (Autor:innen 2019: 135). Literatur: Autor:innen 2019 Hanitzsch, T. (2007). Deconstructing journalism culture: Toward a universal theory. Communication theory, 17(4), 367-385. Jarren, O., Klinger, U., Gapski, H., Oberle, M., & Staufer, W. (2017). Öffentlichkeit und Medien im digitalen Zeitalter: zwischen Differenzierung und Neu-Institutionalisierung. Journalistische Epistemologie: Was Journalist:innen im DACH-Raum über die (Un-)Möglichkeit von Objektivität denken Der Journalismus ist eine der einflussreichsten Institutionen für Wissensproduktion in modernen (Medien-)Gesellschaften (Ekström & Westlund, 2019: 2) und prägt damit unweigerlich den Umgang mit und die Einordnung von Informationen in der Öffentlichkeit. Die epistemologischen Sichtweisen von Journalist:innen bestimmen demzufolge maßgeblich, ob und wie die Medien eine objektive und wertfreie Darstellung der Wirklichkeit leisten können (Hanitzsch, 2007:376). Dabei kann die Berichterstattung – im Versuch, die Realität objektiv darzustellen – etwa durch Faktenbezug gekennzeichnet sein, oder aber mehr auf Interpretation, Kontextualisierung oder den persönlichen Standpunkt der Journalist:innen ausgerichtet sein. Erstmals ermöglichen die Daten der dritten Welle der Worlds of Journalism Study nun den Vergleich epistemologischer Sichtweisen in der DACH-Region und damit unterschiedliche Vorstellungen von der (Un-)Möglichkeit von Objektivität im Journalismus. Während in allen drei Ländern moderate Zustimmung dafür herrscht, dass es möglich sei, die objektive Realität abzubilden, ist auffallend, dass Journalist:innen aus Österreich und der Schweiz deutlich pessimistischer gegenüber der Aussage sind, dass es möglich sei, persönliche Überzeugungen aus der Berichterstattung auszuklammern, als ihre deutschen Kolleg:innen. Ebenso auffällig ist, dass in Österreich und der Schweiz deutlich stärker davon ausgegangen wird, dass die Wahrheit zwangsläufig von den Mächtigen geprägt wird. Literatur: Ekström, M., & Westlund, O. (2019). Epistemology and journalism. Oxford University Press. Hanitzsch, T. (2007). Deconstructing journalism culture: Toward a universal theory. Communication theory, 17(4), 367-385. Die transformative Kraft der journalistischen Peripherie: eine vergleichende Analyse von Rand- und Kernbereichen im Berufsfeld Journalismus Periphere Akteure und ihre Bedeutung für die Transformation des Journalismus finden in der Journalismusforschung zunehmend Beachtung (Schapals 2022). Dabei ist deutlich geworden, dass es sich hierbei um eine äußerst heterogene Gruppe handelt, was ihre empirische Erforschung vor erhebliche Herausforderungen stellt (Autor:innen 2022). In diesem Vortrag präsentieren wir erstmals Ergebnisse einer Befragung von über 350 peripheren Medienschaffenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und kontrastieren ihre Einstellungen mit denen der Journalist:innen aus der Kernbefragung (WJS3). Bei den Rollenselbstverständnissen zeigt sich, dass es peripheren Akteuren wichtiger ist, für sozialen Wandel einzutreten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und das Publikum zu bilden, während Watchdog-Rollen und unparteiisches Beobachten im Vergleich zum Kern als deutlich weniger wichtig beurteilt werden. Aus den epistemischen Vorstellungen wird deutlich, dass periphere Akteure der Subjektivität in der Berichterstattung ein größeres Gewicht beimessen. Sie zeigen sich insgesamt aktivistischer, aber auch lösungsorientierter als Journalist:innen aus dem Kern des Berufsfeldes, die stärker für “Objektivität” und Unabhängigkeit stehen. Im Ländervergleich unterscheiden sich Peripherie und Kern in der Schweiz stärker als in Österreich und Deutschland. Literatur: Autor:innen 2022 Schapals, A. K. (2022). Peripheral actors in journalism: Deviating from the norm? Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003144663
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