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Offenes Format 5: Mehr Gemeinwohl im digitalen Raum? Vier Perspektiven auf die Frage, was die KW zur Entwicklung offener Infrastrukturen beitragen kann und wie Digital Public Value sinnvoll zu quantifizieren wäre
Panelist:innen: Christian Katzenbach, Universität Bremen Birgit Stark, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dennis Frieß, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Svea Windwehr, Electronic Frontier Foundation | ||
Session Abstract | ||
Die Idee ist nicht neu: Unter bestimmten Bedingungen könnte im Digitalen ein offener und nicht kommerzieller Raum für Diskussionen geschaffen werden, der dem Gemeinwohl zuträglich ist. Bereits vor nunmehr mehr als 20 Jahren skizzieren Blumler und Coleman (2001) in ihrer Vision eines „Civic Commons in Cyberspace“ die Potenziale eines solchen durch die Öffentlichkeit getragenen Diskursraumes „Our proposal for a civic commons in cyberspace aims to create an enduring structure which could realise more fully the democratic potential of the new interactive media. This would involve the establishment of an entirely new kind of public agency, designed to forge fresh links between communication and politics and to connect the voice of the peo-ple more meaningfully to the daily activities of democratic institutions. The organisation would be publicly funded but be independent from government“. (S. 16) Diese Vision – so dringlich sie angesichts der dysfunktionalen, durch private Plattformen betriebenen kommerziellen Diskursräume erscheint – ist bis heute allerdings nicht umgesetzt worden. Gerade jetzt könnte hierfür ein „window of opportunity“ vorliegen. Auf Europäischer Ebene wird seit einiger Zeit die Idee eines European Public Space (EPOS) entwickelt. Dieses paneuropäische Projekt zielt darauf ab, einen digitalen Raum für europäische Interessen zu schaffen, der Angebote und Akteure öffentlicher, gemeinwohlorientierter Institutionen in der EU für die Bürger bündelt (Thomaß, 2024). In diesem Zug arbeitet Display Europe bereits daran, eine pan-europäische Nachrichtenplattform aufzubauen, die auf offenen Standards basiert und föderiert ist, mit dem Ziel, eine stärkere europäische Öffentlichkeit zu fördern (Grassmuck, 2024). Zudem haben sich einige öffentlich-rechtliche Medienanbieter mit dem Think Tank New Public von Eli Pariser zusammengeschlossen, in der Initiative "Public Spaces Incubator" (PSI) Tools Interaktionstools für die Ermöglichung konstruktiver öffentlicher Debatten zu entwickeln. Für die Kommunikationswissenschaft bietet dieses Setting ein ideales Feld für evidence-based policy making und eine Möglichkeit, Medienstrukturen aktiv mitzugestalten. Sollte ein solcher Diskursraum öffentlich getragen und finanziert werden, stellt sich zudem die Frage nach der Messung des digitalen Gemeinwohlbeitrags, um den Impact zu quantifizieren und gesellschaftlich zu legitimieren. Bei der Frage nach der Entwicklung gemeinwohlorientierter digitaler Infrastrukturen ist eine Vielzahl kommunikationswissenschaftlicher Expertisen gefragt: Wie sieht eine auf Gemeinwohl und deliberative Diskurse ausgelegte Kommunikationsinfrastruktur aus? Welche Funktionalitäten und Affordances sind nötig, um dysfunktionale, toxische Dynamiken privat-kommerzieller Plattformen zu vermeiden? Welche Akteure sind in diesem Öko-System vertreten bzw. wie selektiv kann es ausgerichtet sein? Wie soll die Governance organisiert sein und wer ist in die Regelsetzung eingebunden? Welche medienpolitischen Weichenstellungen sind notwendig, um eine solche Entwicklung zu ermöglichen? Wie gelingt es, ein offenes und für viele Menschen zugängliches Netzwerk zu schaffen, das nicht nur wenigen (Eliten) dient? Wie wäre zu evaluieren, ob ein digitaler Diskursraum die erwünschten Effekte hervor-bringt? Welche Methoden und Metriken eigenen sich für die Quantifizierung von Digital Public Value? Im Sinne einer wertorientierten Gestaltung des Mediensystems wollen wir in einem Workshop bzw. Diskussionsformat ein Verständnis für die Rolle gemeinwohlorientierter Plattformen und Ökosysteme entwickeln und Wege zur praktischen Umsetzung solcher Modelle diskutieren. Format-Idee: Wir nähern uns den Fragen anhand von vier Perspektiven: Die Perspektive der (1) Regulierung bzw. Governance von Diskursräumen, die Sicht der (2) Medien- bzw. Digitalpolitik, die Perspektiven und Bedarfe der (3) Zivilgesellschaft sowie dem möglichen Design gemeinwohlorientierter Diskursräume durch (4) kommunikationswissenschaftliche Evidenz zu Diskursqualitäten in Social Media. Für alle vier Perspektiven werden Expert:innen aus der Praxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingeladen, die (im Workshopformat) interaktiv mit den Panel-Teilnehmer:innen Lösungen entwickeln. |