Öffentlichkeit(en) und ihre Werte
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
19. bis 21. März 2025 in Berlin
Conference Agenda
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PE03: Die Energiewende als Brennglas öffentlicher Werteaushandlungen
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2:00pm - 3:30pm
Die Energiewende als Brennglas öffentlicher Werteaushandlungen Die Energiewende, der Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern, ist ein langjähriger technologischer, politischer und wirtschaftlicher Transformationsprozess, welcher bereits intensiv von anderen Fachdisziplinen begleitet wird. Dabei berührt die Energiewende grundlegende gesellschaftliche Werte und stellt eine kommunikative Herausforderung dar. Denn in der öffentlichen Diskussion um die Energiewende bündeln sich wie in einem Brennglas die Auseinandersetzung über zentrale Werte unserer Zeit wie Gerechtigkeit, Partizipation, Nachhaltigkeit und auch Machtverteilung. Die Art und Weise, wie öffentlich über die Energiewende diskutiert wird bzw. wie verschiedene Akteur*innen die Energiewende framen, beeinflusst das Verständnis und die Akzeptanz einzelner Technologien (Benighaus & Bleicher, 2019). Die Umsetzung der Energiewende berührt auch Fragen zu öffentlicher Beteiligung an Entscheidungsprozessen und ist mit der Verteilung von Kosten und Nutzen der Umstellung des Energiesystems verknüpft (Cozen et al., 2018). In der medialen Debatte dominieren dabei häufig emotionale und ideologisch geprägte Argumente über sachliche Diskussionen. Gleichzeitig berufen sich beide Seiten häufig auf dieselben Werte wie z.B. dem Umweltschutz (Banita, 2023). Dabei kritisieren Teile der Bevölkerung die Rolle der Medien in diesen Aushandlungsprozessen: Es wird bezweifelt, ob die Medien bei der Berichterstattung über die Energiewende zentrale journalistische Normen wie Richtigkeit, Glaubwürdigkeit, Ausgewogenheit und Unparteilichkeit einhalten (Arlt et al., 2022). Zwar gibt es vereinzelt Beiträge, die sich mit dem Themenkomplex Energiewende auseinanderzusetzen (z.B. Arlt et al., 2022), doch kann konstatiert werden, dass das Thema Energiewende in unserem Fach bislang eher ein Nischendasein fristet. Zudem dominieren in den meisten Studien vor allem Fragen des Krisennarrativs. Eine intensivere Beschäftigung mit der Wertedebatte steht daher noch aus (Cozen, 2018). Dieses Panel greift diese Lücke auf und verdeutlicht anhand unterschiedlicher Beispiele aus der Energiewende, wie öffentliche und mediale Wertedebatten zu diesem Thema geführt werden. Das Thema wird dabei am Beispiel verschiedener erneuerbarer Technologien aus unterschiedlichen kommunikationswissenschaftlichen Perspektiven betrachtet. Nach einer Einführung der öffentlichen Akzeptanzdebatte am Beispiel von Windenergie folgen wir dem klassischen Kommunikationsprozess von Akteur*innen über Medieninhalten hin zur Nutzung und Rezeption. Im Verlauf dieses Prozesses wird deutlich, dass Medien nicht nur als Informationsquellen und strategische Vernetzungsmedien fungieren, sondern aktiv an der Konstruktion und Priorisierung von Werten beteiligt sind, die den gesellschaftlichen Diskurs über die Energiewende prägen. Die Energiewende ist somit nicht nur ein technologischer, sondern auch ein zentraler kommunikativer Prozess, der tiefe Einblicke in die Wertedebatten unserer Zeit bietet und als Blaupause für gesellschaftliche Wertdebatten dienen kann. Literatur: Arlt, D., Schaller, S., & Wolling, J. (2022). Die Energiewende aus Sicht der Bevölkerung. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. https://doi.org/10.22032/dbt.51678 Banita, G. (2023). Vom Winde verdreht? Mediale Narrative über Windkraft, Naturschutz und Energiewandel (60; Otto brenner Stiftung (OBS) - Arbeitspapier). Benighaus, C., & Bleicher, A. (2019). Neither risky technology nor renewable electricity: Contested frames in the development of geothermal energy in Germany. Energy Research & Social Science, 47, 46–55. https://doi.org/10.1016/j.erss.2018.08.022 Cozen, B., Endres, D., Peterson, T. R., Horton, C., & Barnett, J. T. (2018). Energy Communication: Theory and Praxis Towards a Sustainable Energy Future. Environmental Communication, 12(3), 289–294. https://doi.org/10.1080/17524032.2017.1398176 Presentations of the Symposium Lokale Akzeptanz von Windkraft: Ein Vergleich von Befürchtungen vor und Erfahrungen nach der Installation Die Akzeptanz von Windkraftanlagen im Lebensumfeld ist oft gering und wird in der Öffentlichkeit mit wertebasierten Befürchtungen negiert, wonach Windräder negative Folgen für Gesundheit, Lebensqualität, Umwelt oder Wirtschaft haben könnten. In der durchgeführten Bevölkerungsumfrage wurde verglichen, ob sich diese Befürchtungen von Personen, in deren Lebensumfeld (noch) keine Windkraftanlagen stehen, in den Erfahrungen jener Personen spiegeln, die in der Nähe installierter Anlagen leben. Dazu stellte der Fragebogen wertebasierte Befürchtungen inhaltsgleich formulierten Erfahrungen gegenüber. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Existenz lokaler Windkraftanlagen keinen Akzeptanzeinbruch verursacht. Für keine der abgefragten Wertedimensionen, aus denen sich Befürchtungen speisen, wurden höhere Zustimmungswerte bei Personen mit Windkraft-Erfahrungen gemessen. Regressionsanalytisch zeigte sich, dass Befürchtungen/Erwartungen bezüglich Gesundheit und Lebensqualität, wirtschaftlichen Nachteilen und der Fairness die Akzeptanz besonders beeinflussen. Die Ergebnisse implizieren, dass der mediale und politische Diskurs um lokale Windkraft vielfach ‚falsche‘ Befürchtungen betont und damit die Aushandlung der Energiewende vor Ort erschwert. Diskurstheoretische und praktische Schlussfolgerungen für Öffentlichkeit und Medien- und Kommunikationswissenschaft wollen wir auf der Tagung diskutieren. Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven auf Akteur*innen der Energiewende Der 2. Vortrag legt den Fokus auf die Akteur*innen der Energiewendekommunikation und zeigt, wie diese aus verschiedenen kommunikationswissenschaftlichen Blickwinkeln betrachtet werden können. Dabei stehen Perspektiven der Mediensoziologie, Journalismusforschung und der Strategischen Kommunikation im Fokus. Für diese Bereiche präsentieren wir exemplarische Befunde aus drei Studien, die Akteur*innen und deren Kommunikation mit besonderem Blick auf deren Wertvorstellungen fokussieren: 1. Für die Mediensoziologie präsentieren wir eine Studie, in der wir Akteursnetzwerke der Wasserstoffindustrie, -politik und -wissenschaft mit der Triangulation einer quantitativen Befragung und qualitativen Interviews sowie Beobachtung auf Wasserstoffveranstaltungen analysieren; 2. für die Journalismusforschung stellen wir eine Studie vor, in der durch eine qualitative Framinganalyse deutscher Berichterstattung zu Wasserstoff die Repräsentation relevanter Akteur*innen untersucht wird; 3. für die Strategischen Kommunikation präsentieren wir eine Studie, in der Legitimationsstrategien und die Wertekommunikation verantwortlicher Organisationen dreier regionaler Energieprojekte mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse exploriert werden. Im Zusammenbringen der Ergebnisse zeigen wir 1) die Bandbreite der für Energiewendekommunikation beteiligten Akteur*innen auf, 2) die Relevanz verschiedener Medien für die Kommunikationsprozesse und 3) die relevanten Werte, die in der Kommunikation verhandelt werden. Framing oberflächennaher Geothermie: Das hässliche Entlein der Zukunftstechnologien? Geothermie stößt im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien auf geringere Akzeptanz. Dies ist auf fehlendes Wissen und mangelnde Erfahrung mit der Technologie in der Bevölkerung zurückzuführen. Zudem war die öffentliche Darstellung der tiefen Geothermie häufig von Negativbeispielen geprägt. Diese quantitative Framinganalyse (n = 501) untersucht den öffentlichen Diskurs über oberflächennahe und tiefe Geothermie der vergangenen zehn Jahre (2014-2024) in regionalen und überregionalen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien in Deutschland (FAZ, SZ, Bild, WELT, MDR, LVZ, Sächsische Zeitung, Freie Presse, DNN) mit Blick auf dort adressierte Werte. Die Ergebnisse zeigen, dass kaum Differenzierung zwischen Vor- und Nachteilen tiefer und oberflächennaher Geothermie erfolgt. Die mittels einer hierarchischen Clusteranalyse identifizierten Frames geben Aufschluss über das mediale Aushandeln von Risiken und Nutzen der Technologie, ihre Ablehnung und Akzeptanz und ihr Potenzial für die regionale Entwicklung und Energiepolitik. Meist wird nur anlassbezogen (Einzelprojekte, GEG-Gesetz) berichtet. Eine differenzierte Einordnung der Technologie in den größeren Kontext der Energiewende findet kaum statt. Die Ergebnisse zeigen, dass Werte wie Umweltschutz (insbesondere CO2-Neutralität) und die Bekämpfung des Klimawandels in der Diskussion um Geothermie weniger Beachtung finden. Vor allem in den letzten Jahren stehen stattdessen der regionale und ökonomische Nutzen im Vordergrund der Berichterstattung. Glaubwürdig und ausgewogen? Die wahrgenommene Einhaltung journalistischer Normen und deren Folgen für die Beurteilung gesellschaftlicher Wertvorstellungen im Kontext der Energiewende Medien sind eine zentrale Quelle für die Bevölkerung, um sich über die Energiewende und die damit verbundenen Wertediskurse zu informieren. Die Forschung legt jedoch nahe, dass die bloße Mediennutzung nicht ausreicht, um zu erklären, wie sich die Menschen zu den Wertedebatten positionieren. Entscheidend ist vielmehr, wie die vermittelten Informationen von den Menschen aufgenommen, interpretiert und bewertet werden (Arlt et al., 2020; Matthes et al., 2010). Auch im Kontext der Energiewende ist zu erwarten, dass die wahrgenommene Einhaltung journalistischer Werte wie etwa eine unverzerrte Berichterstattung eine bedeutsame Rolle spielen. Ausgehend davon werden im Beitrag zwei Fragestellungen beantwortet: 1) Wie hängt die Nutzung von Medien mit der wahrgenommenen Berichterstattungsqualität über die Energiewende (Glaubwürdigkeit, Richtigkeit und Angemessenheit) zusammen? 2) Wie hängen Mediennutzung und Berichterstattungsqualität (als Mediator) mit der Wahrnehmung des Schutzes / der Bedrohung von Werten bei der Ausgestaltung der Energiewende (u.a. Natur- und Klimaschutz, Schutz von Gesundheit und Leben, Gerechtigkeit bei der Kostenverteilung) zusammen? Die Fragen werden anhand von Daten einer dreiwelligen Panelbefragung (n=2701) zur Energiewende beantwortet, die von Juni 2023 bis Juni 2024 durchgeführt wurde. Erste Auswertungen zeigen, dass die Mediennutzung, vor allem aber die wahrgenommene Einhaltung journalistischer Normen mit der Wahrnehmung des Schutzes / der Bedrohung von Werten bei der Ausgestaltung der Energiewende zusammenhängen.
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