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Sonderpädagogik professionssoziologisch betrachtet: Zur disziplinären Verankerung einer widersprüchlichen Aufgabe
Schnell, Dr. Christiane; Dieckmann, Katharina
Technische Universität Dortmund
Im Rahmen des Beitrags wird die Frage nach dem Verhältnis von Intra- und Interdisziplinarität in der Sonderpädagogik aus einer gendersensiblen und professionssoziologischen Perspektive diskutiert. Leitende These dabei ist, dass die disziplinäre Architektur der Sonderpädagogik stets im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Kontextualisierung und eigenlogischer fachlicher Weiterentwicklung steht. Mit der Durchsetzung von Inklusion als gesellschaftlichem Anspruch, der insbesondere in Bildung und Arbeit realisiert werden soll, wurde die interdisziplinäre Verflochtenheit im Feld der sonderpädagogischen Praxis verstärkt. Für die Sonderpädagogik als wissenschaftliche Disziplin und pädagogische Profession resultiert daraus nicht nur eine Rollenverschiebung, sondern auch eine fachliche Herausforderung: Einerseits gilt es, wechselseitige Anschlussfähigkeit im Verhältnis zu den in der Praxis relevanten Nachbardisziplinen herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Dabei geht es auch darum, eine produktive, dem Auftrag getreue, interdisziplinäre Kooperation in der institutionellen Praxis zu ermöglichen. Andererseits bedeutet es jedoch auch, die innere Substanz der Disziplin gleichermaßen zu bewahren wie reflexiv weiterzuentwickeln. Denn wie alle Professionen konstruiert auch die Sonderpädagogik die soziale und institutionelle Beschaffenheit der gesellschaftlichen Probleme, die sie zu lösen angetreten ist. In diesem Zusammenhang stehen auch Diskriminierungsrisiken in der (sonder)pädagogischen Praxis, auf die hier beispielhaft eingegangen werden soll. Intradisziplinäre Wissensbestände tragen zur Sensibilisierung für mögliche Engführungen und zur Auseinandersetzung mit den normativen Ansprüchen einer zeitgemäßen Sonderpädagogik bei.
Chimäre Pädagogik bei Verhaltensstörungen – intra-, inter- und transdisziplinär. Eine Disziplin im Schnittbereich.
Der Ausdruck Paul Moors «Heilpädagogik ist Pädagogik und nichts anderes» (1974) gilt für die sonderpädagogische Teildisziplin Pädagogik bei Verhaltensstörungen in besonderer Weise. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt um eine sonderpädagogische Disziplin handelt. Innerhalb der Pädagogik bei Verhaltensstörungen sind aktuell primär psychologische Theorien zum Erklären und Verstehen von Verhalten und Erleben vertreten. Der Psychoanalytiker Günther Bittner zählt zu den ersten Professoren dieser Disziplin. Bittner (2019, S. 26) verortet die Pädagogik bei Verhaltensstörungen «im Schnittbereich von Sonderpädagogik, Sozialpädagogik und allgemeiner Erziehungswissenschaft […] und zusätzlich noch von Kinderpsychologie, Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie». Bereits für Bittner ist die Pädagogik bei Verhaltensstörungen «etwas substantiell Verschiedenes von Körperbehinderten-, Geistigbehinderten- usw. pädagogik» (Bittner, 2019, S. 26). Auch beschreibt er sie gar als «schwer umgrenzbares Arbeitsgebiet». Verhaltensstörungen als Gegenstand und Phänomenbereich sind eher als «fächerübergreifende Problemstellung [denn] als ein besonderes Fach zu bezeichnen» (Möckel 1988, S. 16). Der Beitrag möchte die besondere interdisziplinäre Verfasstheit dieser pädagogische Disziplin kritisch reflektieren sowie mit Bezug zur Psychoanalyse als einer Grundlagen- und Bezugswissenschaft den konstitutiv intra-, inter- und transdisziplinären respektive chimärenhaften Charakter der Pädagogik bei Verhaltensstörungen illustrieren. Mit Bezug auf Bittner kann Pädagogik bei Verhaltensstörungen «mit guten Gründen psychoanalytische Pädagogik sein» (ebd., S. 28). Denn mit Bittner können zwei «uneliminierbaren psychoanalytischen Ingredienzen» der Pädagogik bei Verhaltensstörungen benannt werden: I.) der pädagogische Bezug sowie II.) die Annahme eines Unbewussten und damit verbunden die Analyse unbewusster Motive bei Professionellen.
Psychische Störungen bei Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung - Transdisziplinäre Wege zu einer teilhabeorientierten Unterstützung
Grüter, Lena
Universität zu Köln
Psychische Störungen bei Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung gehen mit einem zusätzlichen psychiatrisch-psychotherapeutischen Unterstützungsbedarf einher, so dass neben der (Heil-/Sonder-)Pädagogik weitere Disziplinen in die professionelle Unterstützung einzubeziehen sind. Die professionelle Unterstützung dieser Personengruppe gestaltet sich aufgrund der durch die Doppeldiagnose hervorgerufenen disziplinären Grenzerfahrungen ebenso herausfordernd und komplex wie die Umsetzung der mindestens erforderlichen Kooperation. In diesem Beitrag werden ausgewählte Kernergebnisse aus den einbezogenen Studien (Grüter, im Druck) vorgestellt, die die bislang wenig erforschten Wechselwirkungen dieser Doppeldiagnose auf die Teilhabe im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX multiperspektivisch untersuchen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der aktuellen (Alltags-)Diagnostik und (Alltags-)Unterstützung, die sich in den Untersuchungen als überwiegend teilhabebeeinträchtigend für den Personenkreis herausstellen. Anhand konkreter Beispiele werden zentrale Herausforderungen einer teilhabeorientierten (Alltags-)Diagnostik und (Alltags-)Unterstützung aufgezeigt, die verdeutlichen, warum die bloße Addition disziplinbezogener Wissens- und Erfahrungsbestände nicht ausreicht und warum eine stärkere Ausrichtung auf Teilhabe transdisziplinäre Perspektiven erfordert. Abschließend werden (An-)Forderungen an eine teilhabeorientierte Unterstützung formuliert und diskutiert, die insbesondere das Potenzial transdisziplinärer Perspektiven hervorheben und aufzeigen, an welchen Stellen diese ansetzen können und müssen.