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Sitzungsübersicht
Sitzung
Mi2.4: Symposium
Zeit:
Mittwoch, 25.09.2024:
13:00 - 14:30

Chair der Sitzung: Anne Schröter, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ort: EF 50 Raum 4.321


Selbstvergewisserung der Sonderpädagogik als eine kritische, differenzpädagogische Teildisziplin der Erziehungswissenschaft


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Präsentationen

Selbstvergewisserung der Sonderpädagogik als eine kritische, differenzpädagogische Teildisziplin der Erziehungswissenschaft

Chair(s): Schröter, Dr. Anne (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Diskutant*in(nen): Schröter, Dr. Anne (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Was ist das Spezifische an der Sonderpädagogik, was hält sie zusammen und was macht sie als erziehungswissenschaftliche Teildisziplin aus? Das Symposium widmet sich der Selbstvergewisserung der Sonderpädagogik als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. Theoriegeschichtlich betrachtet liegt ihr Ursprung in der Entdeckung der Bildbarkeit behinderter Menschen und damit in der Ausdifferenzierung des Faches durch die Suche nach Lernmöglichkeiten. Es galt, gemeinsam mit behinderten Menschen zu probieren, wie dieses Lernen gestaltet werden kann. Bevor behinderte Menschen also zu Adressat*innen von Sonderpädagogik werden konnten, haben Pädagog*innen von ihnen gelernt, um das Spezifische des Faches überhaupt erst herauszuarbeiten. Damit bestimmt sie sich durch den jeweiligen Forschungsgegenstand im Kontext von Behinderung und bildet eine Fachsystematik aus, die mit der Leitidee der jeweiligen Zeit verbunden ist und daher auch den Grundgedanken und Grundbegriffe des Faches beeinflusst (Lindmeier 2004, 515). Es ging historisch gesehen und geht gegenwärtig darum, Wissen für die Erziehungswissenschaft darüber zur Verfügung zu stellen, wie Personen mit Behinderung im Allgemeinen und im Autismus-Spektrum im Speziellen lernen und wie Pädagogik bzw. Schule gestaltet sein muss, damit dies gelingen kann. Das geschieht aktuell wieder mit der Frage nach dem Einbezug der Perspektive von behinderten Menschen (unter Berücksichtigung von Mehrdimensionalität) in differenztheoretisch reflektierter Sonder-/Pädagogik (Emmerich & Hormel 2013, Tervooren & Pfaff 2018, Lindmeier 2019, Imholz 2023) und damit in Theoriebildung (Schuppener et al, 2021, Lindmeier & Imholz 2024) wie auch in Lehrformaten/Zertifikatskurs Pädagogik im Autismus-Spektrum (Freiraum-Projekt des Arbeitsbereichs Pädagogik im Autismus-Spektrum, MLU). Überlegungen zur intra- wie auch interdisziplinären Ausgestaltung der Sonderpädagogik zu einer Differenzpädagogik sind daher sehr interessant und sollen im Symposium entfaltet werden.

Im ersten Beitrag wird dem Potenzial eines differenztheoretischen Fokus in der Sonderpädagogik nachgegangen und die interdisziplinäre Bereicherung von unterschiedlichen Differenzpädagogiken erörtert. Im zweiten Beitrag werden die daraus folgenden praktischen Schlussfolgerungen für institutionelle sonder-/pädagogische Settings aufbauend auf mehrere Studien diskutiert. Der dritte Beitrag nimmt die diversitätsbewusste Hochschulbildung in den Blick, indem gemeinsam mit autistischen Dozierenden ein partizipatives Lehrprojekt („Autistische Dozierende für die inklusive Lehrkräftebildung (AutDiL)“) vorgestellt und reflektiert wird.

 

Beiträge des Symposiums

 

Sonderpädagogik als kritische Differenzpädagogik im Kontext Nicht_Behinderung?

Imholz, Dr. Susanne, Lindmeier, Prof. Dr. Christian
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der Beitrag geht der Frage des Potenzials eines differenztheoretischen Fokus in der Sonderpädagogik nach. Zu beleuchten sind im Kontext einer differenztheoretisch reflektierten, diversitätsbewussten Pädagogik der Nicht_Behinderung (Lindmeier 2019, Imholz 2023) einerseits intradisziplinäre Gemeinsamkeiten der sonderpädagogischen Fachgebiete als ‚distinct pedagogies‘ (Norwich & Lewis 2005) wie auch andererseits die gegenseitige inhaltliche, interdisziplinäre Bereicherung der unterschiedlichen Differenzpädagogiken (im Kontext natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit, Gender und Sozialpädagogik) und sie beeinflussende Nachbardisziplinen sowie Studies (Postcolonial Studies, Disability Studies (in Education), Gender Studies, …). Im transdisziplinären Sinne voneinander zu lernen und sich miteinander in kritisch reflexiver Weise weiterzuentwickeln ist von Bedeutung, v.a. auch da der Mehrdimensionalität pädagogischer Adressat*innen durch die alleinige Berücksichtigung abgeschlossener Kategorien nicht entsprochen werden kann, sondern nur durch die Erfassung des subjektiven So-seins in seiner Intersektionalität, Hybridität und Fluidität. Differenz- und Diversitätsbezüge wandern zwischen den Disziplinen (Walgenbach 2014) und bereichern sich somit gegenseitig. Eine Sonderpädagogik, die sich als eine kritische Differenzpädagogik (neben anderen Differenzpädagogiken) versteht, kann sich macht- und differenzanalytisch ausrichten und die Erziehungswissenschaft in ihren Differenz- und Diversitätsbezügen ergänzen.

 

Praktische Implikationen einer differenztheoretisch reflektierten Sonder-/Pädagogik

Grummt, Dr. Marek
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Diversität und Differenz beeinflussten die professionelle und disziplinäre Entwicklung der Sonderpädagogik über Jahrzehnte (Lindmeier 2019). Doch das Diversitätsbewusstsein selbst zum pädagogischen Gegenstand zu erheben, ist eine Entwicklung der jüngeren Geschichte – unter anderem mit den Leitgedanken der Inklusion um die Jahrtausendwende herum. Während in wissenschaftlichen Diskursen die Reflexion über die Hervorbringung und Aufrechterhaltung von Differenzen umfassend bearbeitet wird (siehe erster Beitrag des Symposiums), spielen praxisbezogene Schlussfolgerungen nur eine untergeordnete Rolle. Im Beitrag wird vor allem eine Diversitätsdimension besonders ins Zentrum gerückt, die in der Sonderpädagogik bisher nur am Rande betrachtet wird: Neurodiversität. Es werden ausgehend von zwei qualitativ-inhaltsanalytischen Studien des Arbeitsbereiches Pädagogik im Autismus-Spektrum der MLU Halle-Wittenberg (Lindmeier, Grummt, Semmler, 2021; Lindmeier, Sagrauske, Quast & Grummt, 2024) sowie einer qualitativ-rekonstruktiven Studie (Grummt, i.V.) Schlussfolgerungen für eine diversitätsbewusste und auch diversitätsreflexive Sonder-/Pädagogik gezogen. Das Ziel des Beitrages ist es – aufbauend auf die Überlegungen des ersten Vortrags im Symposium – zu diskutieren, welche Bedeutung die vorgestellten praktischen Implikationen und Studienergebnisse für die Sonderpädagogik als eine kritische, differenzpädagogische Teildisziplin der Erziehungswissenschaft haben.

 

Inklusionsorientierte Lehrkräftebildung im Rahmen des Projektes „AutDiL“

Schipp, Carina, Starke, Sylke
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Von den Überlegungen einer diversitätsbewussten Pädagogik ausgehend und im Anschluss an die Bedeutung der praktischen Implikationen, müssen vor allem verstärkt transdisziplinäre Ansätze in der Hochschulbildung in den Blick genommen werden. Insbesondere in der Lehrkräftebildung stellt der Einbezug von Lehrenden die auch Expert*innen in eigener Sache sind, eine große Chance dar, gleichwohl partizipative Lernerfahrungen im regulären Hochschulbereich im deutschsprachigen Raum nur ansatzweise existieren (Goldbach, Leonhardt & Staib 2020). Dieser Beitrag möchte einerseits Fragestellungen diskutieren, wie die bisher an Hochschulen gelebte Praxis über Menschen mit Behinderungserfahrungen zu sprechen, aufgebrochen werden kann (Goldbach et al. 2020). Andererseits sollen erste Erfahrungen aus dem Projekt „Autistische Dozierende für die inklusive Lehrkräftebildung (AutDiL)“ gemeinsam mit Vertreter*innen der am Projekt beteiligten autistischen Dozierenden vorgestellt und reflektiert werden. Autistische Menschen spielen in universitärer Lehre nur als Adressat*innen von Pädagogik eine Rolle. Nach dem Motto „Nichts über uns, ohne uns“ werden im Rahmen des Projektes an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erwachsene Autist*innen in die Lehrerkräftebildung einbezogen – sowohl im sonderpädagogischen Lehramt als auch im Rahmen eines lehramtsübergreifenden Zertifikatskurses ‚Pädagogik im Autismus-Spektrum‘. Ziel ist es, dass zukünftige Lehrkräfte darauf vorbereitet werden, mit Verschiedenheit selbstverständlicher umzugehen, (Un-)Sichtbarkeiten und fähigkeitsbezogene Diskriminierungen zu hinterfragen sowie physische und psychische Barrieren im Schulsystem und im Alltag aufzudecken. Darüber hinaus wird eine strukturelle Einbindung von autistischen Menschen in die akademische Lehre im Rahmen der Lehramtsausbildung über das Projekt hinaus angestrebt. Es gilt also nicht nur den Schüler*innen Diversitätssensibiltät zu vermitteln, sondern auch Diversität in der Lehrer*innenschaft abzubilden.



 
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