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Chair der Sitzung: Sina Schürer, Universität Münster
Ort:EF 50 Raum 5.418
Schulformempfehlung nach dem Gemeinsamen Lernen – Rechtliche, normative und pädagogische Anforderungen im Konflikt?
Präsentationen
Schulformempfehlung nach dem Gemeinsamen Lernen – Rechtliche, normative und pädagogische Anforderungen im Konflikt?
Schürer, Dr. Sina1; Lintorf, Jun.-Prof. Katrin2
1Universität Münster; 2Universität zu Köln
In Deutschland wechseln jährlich ca. 20.000 Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) von allgemeinen Grundschulen an weiterführende Schulen. Bei der Entscheidung über die weitere Beschulung haben die Eltern in fast allen deutschen Bundesländern ein schulgesetzlich verankertes Recht zur Wahl zwischen Regel- vs. Förderschule, wenn auch nicht der Einzelschule (Steinmetz et al. 2021, AO-SF NRW 2022 § 17). Diese Wahl ist bedeutsam und hat für die Schüler*innen weitreichende Konsequenzen (z. B. unterschiedliche Berufschancen, Klemm, 2010).
Welche Rolle spielen Lehrkräfte bei dieser Entscheidung? Eltern und Schüler*innen sollen „in allen grundsätzlichen und wichtigen Schulangelegenheiten“ beraten werden (SchulG NRW 2022 § 44). Eine solche Angelegenheit ist auch die Schulformwahl (SchulG NRW 2022 § 11; AO-GS NRW 2022 § 8). Dabei befinden sich Lehrkräfte in einem Dilemma. Aus rechtlicher Sicht ist vorgesehen, dass Kinder mit SPF in der Regel in der allgemeinen Schule beschult werden (SchulG NRW 2022 § 20, UN-BRK 2008, übers. 2018). Eine Beschulung in der Förderschule soll nur in Ausnahmefällen erfolgen (Steinmetz et al. 2021). Damit verbietet sich für die meisten Kinder mit SPF eine Empfehlung der Förderschule. Gleichzeitig bestehen weiterhin Förderschulen und bieten ein spezialisiertes Angebot für diese Kinder, während allgemeine Schulen für sonderpädagogische Förderung nicht hinreichend ausgestattet sind (Steinmetz et al. 2021). Bei ihrer Beratungsaufgabe sind Lehrkräfte also gehalten, eine gesetzliche Vorgabe zu erfüllen, deren Prämissen in der Praxis nicht gegeben sind. In unserem Diskussionsforum möchten wir uns mit Ihnen und Prof. Dr. Gino Casale (Universität Wuppertal) und Anna Maria Kannen (Schulamtsdirektorin & Lehrerin im Gemeinsamen Lernen i.R., mittendrin e.V.) über diese Dilemmasituation austauschen, die für Lehrkräfte einen Widerstreit zwischen rechtlichen, regionalen, schulpolitischen und pädagogischen Aspekten darstellt.