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Soziale und personale Einflussfaktoren auf Einstellungen der Allgemeinbevölkerung zur schulischen Inklusion
Rüger, Lea; Scheer, Prof. Dr. David
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Einstellungen zur schulischen Inklusion werden national wie international viel beforscht. Die Studien fokussieren meist direkt involvierte Akteur*innen der schulischen Inklusion, nämlich (angehende) Lehrkräfte, Eltern und Schüler*innen, und bewegen sich damit stark innerhalb der pädagogischen Disziplin(en). Es gibt bislang nur wenige Studien, die anstelle dieser Zielgruppe die Einstellungen in der Allgemeinbevölkerung betrachten und dabei auf interdisziplinäre Zugänge setzen.
Einstellungen in der Allgemeinbevölkerung können Aufschluss darüber geben, inwieweit politische Entscheidungen zur Förderung oder Einschränkung inklusiver Praktiken akzeptiert werden und ob sich möglicherweise gesellschaftliche Veränderungen abzeichnen (Burge et al., 2008; Jury et al., 2021; Tempel, 2022). Es kann angenommen werden, dass positive Einstellungen in der Bevölkerung die Entwicklung von einem separierenden hin zu einem inklusiven Schulsystem bzw. die Akzeptanz und damit den Erfolg solcher Entwicklungen unterstützen. Deshalb sind nicht nur die Einstellungen selbst von Interesse, sondern auch Faktoren, die Varianz in den Einstellungen der Allgemeinbevölkerung aufklären. Insbesondere gilt es, Einflüsse zu identifizieren, die nicht im schulischen Kontext, sondern in der Gesellschaft zu verorten sind und den Weg in ein inklusives Bildungssystem behindern.
Ausgehend vom nationalen und internationalen Forschungsstand werden erste Ergebnisse einer eigenen Erhebung präsentiert. In einem methodisch interdisziplinär verorteten Vorhaben wurden Erhebungsinstrumente aus der sonder- und inklusionspädagogischen Einstellungsforschung mit Items aus der politik- und sozialwissenschaftlichen Forschung kombiniert, um Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und schulbezogenen Einstellungen analysieren zu können.
Entwicklung und Evaluation eines Kurzfragebogens zur Erfassung der Einstellung zu Kindern mit Lernstörungen
Kißler, Christian; Kuhn, Jörg-Tobias
TU Dortmund
Hintergrund. In ihrer pädagogischen Praxis haben Lehrkräfte regelmäßig mit Kindern mit Lernstörungen (z.B. Rechen- und Lesestörungen; KmL) umzugehen. Die Einstellung zu KmL sowie das Wissen über Lernstörungen können das pädagogische Handeln prägen und so die Entwicklung von Kindern beeinflussen. Quereinsteiger:innen ins Lehramt weisen oft hohe fachliche Kompetenzen auf, wurden aber im Studium meistens nicht pädagogisch ausgebildet.
Fragestellung & Zielsetzung. Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen Einstellung zu KmL, Wissen über Lernstörungen und Studienfach (Pädagogische Studienfächer vs. MINT-Studienfächer)? Zur Beantwortung dieser Frage wurde theoriebasiert ein Fragebogen zur Erfassung der Einstellung zu KmL entwickelt (31 Items), der Einstellungen auf drei Ebenen erfassen soll: kognitiv, affektiv, behavioral.
Methode. Die Stichprobe (n=846) wurde zufällig in 2 Teilstichproben aufgeteilt. Eine Teilstichprobe wurde für eine explorative Faktorenanalyse (EF) verwendet, die andere Teilstichprobe wurde für eine konfirmatorische Faktorenanalyse (KF) genutzt. Mit einer Mixtur-Modell-Analyse sowie Gruppenvergleichen (z.B. t-Tests) wurde explorativ überprüft, ob Studierendengruppen bestehen, die sich bezüglich ihrer Einstellung/ ihres Wissens unterscheiden.
Ergebnisse. Die EF führte zu einem Kurzfragebogen mit neun Items: Die resultierende 3-Faktorenstruktur spiegelt die theoretisch angenommene Skalenstruktur (kognitiv, affektiv, behavioral) wider. Die Qualität des Kurzfragebogens ist als gut zu bewerten (Kennwerte der KF: CFI: .98, TLI: .97, RMSEA: .05, SRMR: .03). Studierende in pädagogischen Studiengängen weisen im Vergleich zu Studierenden in MINT-Studiengängen tendenziell eine positivere Einstellung gegenüber KmL sowie mehr Wissen über Lernstörungen auf.
Diskussion & Implikationen für Theorie/ Praxis. Mit dem Kurzfragebogen kann die Einstellung zu KmL systematisch und effizient erfasst werden. Anhaltspunkte für Fortbildungsbedarf könnten so identifiziert werden.
"Du hast gar nicht gefragt, ob du rein darfst" - (Sonder-)pädagogische Interaktionsprozesse zwischen Partizipation und Restriktion
Meyn, Jessica1,2; Birnbacher, Magdalena1
1Universität Hamburg; 2Leuphana Universität Lüneburg
Der Vortrag bezieht sich auf zwei ethnografische Studien, die Interaktionen in unterschiedlichen (sonder-)pädagogischen Feldern erforschen: Das laufende Promotionsprojekt von Birnbacher untersucht Unterstützungs- und Aushandlungsprozesse im Kontext von komplexer Behinderung in institutionalisierten Wohnangeboten. Im Rahmen der abgeschlossenen Dissertation von Meyn wurden Klassenräte inklusiver Grundschulklassen beobachtet und im Hinblick auf die Partizipationschancen von Schüler:innen (mit/ohne Behinderung) analysiert.
Der Vortrag führt die Ergebnisse der jeweiligen Studien zusammen und rückt die Interaktionsregeln beider Felder in den Fokus. Wenngleich schulische und außerschulische Bereiche innerhalb der Sonderpädagogik (intradisziplinär) bislang meist getrennt betrachtet werden, zeigen sich starke Überschneidungen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von interaktiv wirksam werdenden Restriktionen, die die Partizipationsmöglichkeiten der Adressat:innen - entgegen der pädagogischen Intention - einschränken. Sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen ‚erforderlicher‘ Regulation und Überreglementierung. Feldübergreifend lässt sich dies anhand von Essenssituationen veranschaulichen, die in den Wohnangeboten alltagsprägend sind und in den Klassenräten als Sanktionsspiralen (erneut) auf die "Vorderbühne" (Goffman 1969) geraten können.
Ein methodischer Vorteil der Ethnografie - gerade in sonderpädagogischen Feldern - liegt darin, nicht-lautsprachliche Interaktionen mittels Beobachtung versprachlichen zu können (vgl. Hirschauer 2001). Dies ermöglicht Zugänge zu Bereichen, deren Akteur:innen oftmals von den Methoden qualitativer Sozialforschung ausgeschlossen sind. Gleichzeitig werden in den beobachteten Feldern nicht nur spezifisch sonder-, sondern auch allgemeinpädagogische Ordnungen mit ihren impliziten Regeln sichtbar. Somit wirkt die Fokussierung auf Behinderung hier wie ein Brennglas für pädagogische Fragestellungen und eröffnet interdisziplinäre Anschlusspunkte.