Veranstaltungsprogramm

Eine Übersicht aller Sessions/Sitzungen dieser Veranstaltung.
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Sitzungsübersicht
Sitzung
Einzelbeiträge 4-4
Zeit:
Dienstag, 01.10.2024:
10:30 - 12:10

Ort: Gebäude A2 2 – Raum 1.20.1


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Präsentationen
10:30 - 11:05

„Wir haben aber keinen Anrufbeantworter“ Woran Förderprojekte an Grundschulen scheitern und wie sie gelingen können: Erfahrungen aus dem Projekt „FUN – Förderung und Nachhilfe“

Claudia Kastens1, Maria Opfermann1, Esther Dominique Klein2, Anne Buttcheryt1, Martin vanWickeren1

1Bergische Universität Wuppertal; 2Technische Universität Dortmund

Während der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die unterschiedlichen Phasen von Distanzbeschulung negative Auswirkungen auf die Leistung und Leistungsentwicklung bei Grundschulkindern haben würden (UNESCO, 2022). Schon im Juni 2021 hat die SWK der KMK in ihrer Stellungnahme Kriterien dazu definiert, wie Förderprogramme konzipiert sein sollten, um diese Effekte kompensieren zu können: es soll eine Konzentration auf besonders vulnerable Gruppen erfolgen, gefördert werden soll insbesondere an und vor Übergängen, die Förderung von Basiskompetenzen soll priorisiert werden, pädagogisches Personal, welches zur Förderung eingesetzt wird, soll entsprechen qualifiziert und begleitet werden, Fördermaßnahmen sollen durch Evaluation und Monitoring überprüft werden. Bereits in ihrer Stellungnahme benennt die SWK dabei Lehramtsstudierende als geeignete Personen zur Durchführung solcher Förderangebote. Eine Möglichkeit nachhaltige Maßnahmen zur fachlichen Qualifizierung und Begleitung der Studierenden zu entwickeln, bieten Lehrprojekte, in denen Studierende Leistungspunkte für ihr Studium erwerben können. Im Bachelorstudium der Bergischen Universität Wuppertal existierte bereits ein Wahlpflichtmodul „Heterogenität und individuelle Förderung“, welches vorsieht, dass Studierende sich mit der Erstellung und praktischen Umsetzung einer Fördermaßnahme für Grundschulkinder befassen. Das Seminar erstreckt sich über zwei Semester und setzt sich zusammen aus einem theoretischen Teil, in welchem die Studierenden Wissen zu theoretischen Grundlagen, Diagnostik und (adaptiven) Fördermöglichkeiten erwerben, und einem darauffolgendem praktischen Teil, in dem die vorher erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen im Rahmen von Fördermaßnahmen umgesetzt werden.

Seit dem Sommersemster 2021 wurden etwa 600 Kinder durch 200 Studierende gefördert, die zuvor für die Förderung von (Corona-bedingten) Lernrückständen in basalen Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen) ausgebildet wurden. Die Förderung wird von den Studierenden in Tandems geplant und durchgeführt, jedes Tandem betreute dabei maximal 6 Kinder, wobei jedes Kind etwa 30 Stunden zusätzliche Förderung im Schulhalbjahr erhält. Die Studierenden können sowohl gängige Methoden zur Förderung (bspw. method of repeated readings) umsetzen als auch stärker spielerische Zugänge entwickeln oder adaptieren. Das Förderangebot wird seit dem Wintersemester 2021 nicht mehr als Ferienangebot, sondern während des laufenden Schuljahres umgesetzt. Die Angebote finden ergänzend zum Unterricht statt und sollen diesen nicht ersetzen.

Von Anbeginn der Projektdurchführung berichteten zahlreiche Schulen einen immensen Bedarf an zu fördernden Kindern, gleichzeitig zeigten sich viele mit der kontinuierlichen Organisation eines solchen Angebots überfordert. Inzwischen findet die Förderinitiative FUN jedes Halbjahr an sieben Grundschulen in Wuppertal statt, an denen gemeinsam mit den Schulen entwickelte Rahmenbedingungen für die Fördermaßnahmen realisiert werden konnten. Hier ist die Förderung in die Organisation der Nachmittagsbetreuung integriert und erfolgt ergänzend zum Unterricht ein- bis zweimal in der Woche. Sie wird in Absprache mit den Klassen- und Fachlehrkräften organisiert (u.a. hospitieren die Studierenden vor Beginn der Förderung in den Klassen und sprechen Förderinhalte ab). An jeder Schule hat sich ein*e Ansprechpartner*in etabliert. Wie die beteiligten Akteur*innen das Verhältnis zwischen Be- und Entlastung bei der Teilnahme an solchen Angeboten wahrnehmen, wird derzeit evaluiert. Hierzu findet derzeit eine Befragung der Schulleitungen und Koordinatoren zu ihrer erlebten Belastung (cognitive load in school leadership) und möglichen Ressourcen und motivationalen Orientierungen statt. Ergebnisse dieser Erhebung und weiteren Indikatoren und Ergebnisse der Projektevaluation werden auf der Tagung präsentiert.



11:05 - 11:40

Begabungsberatung im Kontext von Schulentwicklung auf Einzelschulebene

Carina Jakobs1, Stefanie Schnebel2, Robert Grassinger3

1PH Weingarten, Deutschland; 2PH Weingarten, Deutschland; 3PH Weingarten, Deutschland

Beratung und Begleitung im Kontext der Begabungsförderung spielen eine zentrale Rolle im bildungspolitischen Auftrag an Grundschulen. Diese zielt darauf ab, Bildungschancen zu sichern und ein inklusives sowie gerechtes Bildungsumfeld zu schaffen, das individuelle Begabungen berücksichtig (KMK, 2016; Perleth & Wollersheim, 2022). Die Einzelschule als pädagogische Gestaltungseinheit (Emmerich & Maag Merki, 2014) befindet sich dabei in einem komplexen Beziehungsgeflecht aus intern formulierten pädagogischen Zielen, externen bildungspolitischen Vorgaben und gesellschaftlichen Erwartungen. Dabei steht die Einzelschule vor der Aufgabe, ihre pädagogischen Ansätze entsprechend anzupassen. Eine nachhaltige Begabungsberatung erfordert folglich eine kontinuierliche innerschulische Weiterentwicklung (Rogl, 2016). Diesbezüglich bedarf es eines systemischen Verständnisses der Begabungsberatung, die über die personelle Kompetenz der einzelnen Lehrkraft hinaus geht und Prozesse und Strukturen der Einzelschule berücksichtigt.

Im Rahmen des FUN-Kollegs „Heterogenität gestalten – starke Grundschulen entwickeln“ werden durch eine fallorientierte Einzelfallanalyse im Längsschnitt zwei Grundschulen abgebildet und in ihrem Schulentwicklungsprozess beforscht (Reh & Schelle, 2004). Ein auf die Begabungsberatung zugeschnittenes Analyseinstrument wurde entwickelt, um die Einzelschule in ihren Prozessen und Strukturen abzubilden. Das Analyseinstrument greift den für Schulentwicklungsprozesse relevanten Referenzrahmen zur Schulqualität (Ditton & Müller, 2022) auf und spezifiziert in im Hinblick auf Qualitätsfaktoren einer Begabungs-beratungskonzeption der Einzelschule. Innerhalb des qualitativen Forschungsparadigmas wurden Dokumentenanalysen und leitfadengestützte Interviews durchgeführt, mit der Zielsetzung, relevante Handlungsfelder zu identifizieren und bedarfsspezifische Rückmeldungen zu geben, die als Grundlage für die Ableitung schulspezifischer Entwicklungsmaßnahmen dienen. Die gesammelten Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet (Kuckartz & Rädiker, 2022). Im Rahmen der Tagung werden diesbezüglich erste Ergebnisse aus der Dokumentenanalyse und den Interviews beider Schulen kontrastierend gegenübergestellt und präsentiert.



11:40 - 12:10

Planspiele als Methode zur Professionalisierung angehender Lehrkräfte im Kontext inklusionsbezogener Themen an der Schnittstelle von Grundschulpädagogik und Fachdidaktik

Silke Haas1, Katja Adl-Amini2, Maria Theresa Meßner2

1Universität des Saarlandes, Deutschland; 2Technische Universität Darmstadt, Deutschland

Inklusive Bildung erfordert laut der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) eine entspre-chende Qualifizierung von Lehrkräften aller Lehramtsprofessionen (Moser & Demmer-Dieckmann, 2012), insbesondere im Grundschullehramt als Schulform mit den höchsten In-klusionsquoten (Lütje-Klose, Miller & Ziegler, 2014). Dies kann als Entwicklungsauftrag der universitären Lehrkräftebildung verstanden werden, welche sowohl grundschulpädagogisch als Querschnittsaufgabe umgesetzt als auch fachspezifisch ausgestaltet werden muss (Amrhein & Dziak-Mahler, 2014). Die Schnittstelle dieser beiden Perspektiven ist jedoch in Bezug auf den Inklusionsanspruch nicht widerspruchsfrei. Einerseits orientieren sich Inhalte und Methoden an den jeweiligen fachwissenschaftlich begründeten Lern- und Kompetenz-zielen, andererseits sollen die individuellen Lernbedarfe einer heterogenen Schü-ler*innenschaft berücksichtigt werden (Amrhein & Reich, 2014; Hackbarth & Martens, 2018). Vor dem Hintergrund erscheint es notwendig Lehramtsstudierende dazu anzuregen, eine Verbindung der disziplinär geprägten Wissensbestände zu Inklusion herzustellen und diese an konkreten Beispielen einer komplexen und widersprüchlichen Schul- und Unter-richtspraxis zu reflektieren. Im vorliegenden Beitrag wird das Planspiel als Lehr-Lernmethode vorgestellt, welche es ermöglicht, komplexe Fragen und Dilemmata in Bezug auf eine inklusionsorientierte Lehrkräftebildung aus (grund-)schulpädagogischer sowie fachdidaktischer zu thematisieren. Planspiele simulieren eine Entscheidungssituation, in der konfligierende Positionen zu einem Gegenstand eingenommen werden. Charakteristisch für Planspiele ist die darin erfahrbare Komplexität der „Rekonstruktion von Realsituationen“ (Reinisch, 1980, S. 13). Somit bieten Planspiele das Potential, die Positioniertheit von Lehrkräften im Umgang mit den institutionellen sowie fachlichen Ansprüchen und realen Widersprüchen im Umgang mit Diversität erfahrbar zu machen (z. B. das Spannungsfeld von Individualisierung und Standardisierung von Lernzielen und Leistungsansprüchen) und diese anschließend zu reflektieren. Die aktivierende Methode hat sich vielfach in der Lehr-kräftebildung als wirksam erwiesen (Ade‐Ojo et al., 2022), wird jedoch bisher noch selten eingesetzt (Kadel et al., 2023). Im Projekt „The Next Level“ an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. wurde im Rahmen einer disziplinübergreifenden Vernetzung daher ein Plan-spiel für die inklusionsorientierte Lehrkräftebildung entwickelt (Adl-Amini et al., 2021) und für den fachdidaktischen Kontext adaptiert (Haas et al., i. D.), welches die Simulation von Selektionsentscheidungen im Kontext (grund-)schulpädagogischer sowie fachdidaktischer Leistungs- sowie Inklusionsansprüche, praktischen Handlungsmöglichkeiten und deren Fol-gen bzw. Widersprüche ermöglichen soll. Im Beitrag werden das Planspiel (einschließlich der Adaptation) und Ergebnisse zweier Evaluationsstudien vorgestellt. Dabei wurde zum ei-nen in einem quasi-experimentellen Design (N=125) die Lernwirksamkeit des Planspiels in Bezug auf die Reflexionstiefe und inklusive Einstellungen untersucht (Adl-Amini et al., 2024). Zum anderen wurde anhand von schriftlichem Material (Portfolios) mithilfe der struk-turierenden Inhaltsanalyse hinsichtlich der Frage formativ evaluiert, welche Reflexionstiefe (kodiert nach Hatton & Smith, 1995) die Lehramtsstudierende (N=33) in Bezug auf das Thema Inklusion nach dem Planspiel zeigen (Haas et al., i. D.). Die Ergebnisse weisen da-rauf hin, dass Planspiele die Reflexion von Lehramtsstudierenden anregen und einen posi-tiven Einfluss auf die inklusiven Einstellungen haben können. Die Ergebnisse werden in Be-zug auf die disziplinübergreifende Nutzung der Methode des Planspiels in einer inklusionso-rientierten Lehrkräftebildung diskutiert.