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Sitzungsübersicht
Sitzung
Einzelbeiträge 4-3
Zeit:
Dienstag, 01.10.2024:
10:30 - 12:10

Ort: Gebäude A2 2 – Raum 1.27


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Präsentationen
10:30 - 11:05

Professionalisierung durch forschungsmethodische Bezüge? Effekte eines Research-based-Blended-Learning-Ansatzes auf Forschungskompetenzen angehender Grundschullehrkräfte

Christian Elting, Miriam Hess, Romy Strobel, Vanessa Kutter, Elias Stubenvoll

Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Deutschland

In der gegenwärtigen Professionalisierungsdebatte zur Sicherung von Mindeststandards zeigt sich die Notwendigkeit forschungsmethodischer Bezüge in der Grundschullehrkräftebildung: Zwar besteht normativ Konsens (z.B. KMK, 2022; SWK, 2023), dass (Grundschul-)Lehrkräfte ihr professionelles Handeln an wissenschaftlicher Evidenz ausrichten müssen, um die Lern- und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schüler:innen bestmöglich zu fördern. Im Berufsalltag ist dies jedoch selten der Fall (zsf. Voss et al., 2020) – teils mangels forschungsmethodischen Wissens (z.B. Schildkamp & Kuiper, 2010), aber auch aufgrund von Ressentiments gegenüber empirischer Forschung (z.B. Borg, 2010) oder Zweifeln an deren Praxisrelevanz (z.B. Hetmanek et al., 2015). Insbesondere Studierende des Grundschullehramts schätzen ihre Forschungskompetenz als gering ein (Besa et al., 2023). Eine stärkere Evidenzorientierung von Grundschullehrkräften setzt folglich eine entsprechend evidenzbasierte Professionalisierung voraus, die nicht nur auf forschungsmethodisches Wissen zielt, sondern weitere Facetten professioneller Kompetenz (v.a. Überzeugungen, motivationale Orientierungen; Baumert & Kunter, 2011) adressiert. Es ist jedoch weitgehend ungeklärt, wie diese im (Grundschul-)Lehramtsstudium adäquat gefördert werden können. Erste Hinweise deuten auf förderliche Effekte des Research-based (Afdal & Spernes, 2018) und des Blended Learning (Schröder et al., 2022). Belastbare Untersuchungen zum Potenzial kombinierter Formate für unterschiedliche Facetten der Forschungskompetenz stehen jedoch aus. Diesem Desiderat widmet sich das Lehr- und Forschungsprojekt FoKo (Forschungskompetenzen von Grundschullehramtsstudierenden). Der Beitrag fragt, wie sich Forschungskompetenzen von Grundschullehramtsstudierenden im Laufe eines Research-based-Blended-Learning-Seminars entwickeln.

Das evaluierte Lehrkonzept (Elting et al., 2024, in Druck) besteht aus zwei Seminaren, die von allen Grundschullehramtsstudierenden der Universität Bamberg im zweiten oder dritten Fachsemester absolviert werden. Seminar 1 behandelt in vier asynchronen Online-Lernmodulen Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und der Grundschulforschung. Seminar 2 führt mit sechs asynchronen Online-Lernmodulen in Methoden der Unterrichtsbeobachtung und Merkmale der Unterrichtsqualität ein. Semesterbegleitend wenden die Studierenden die Lerninhalte im Sinne forschenden Lernens in einer eigenen videoanalytischen Untersuchung an. In gemeinsamen synchronen Phasen wird der Lern- und Forschungsprozess der Studierenden begleitet und beraten.

Das Lehrkonzept wurde in einem Prä-Post-Follow-up-Design (Prä: Semesterbeginn; Post 1-4: nach Lernmodul 1-4; Follow-up: 2 Monate nach Seminar) per Online-Fragebogen evaluiert. Als Indikatoren der Forschungskompetenz wurden der subjektive Lernnutzen einer Auseinandersetzung mit Forschung (12 Items, α = .93) sowie die forschungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartung (11, α = .93) und Motivation (8, α = .90) der Studierenden sechsstufig erfasst. Um Entwicklungen in den Indikatoren der Forschungskompetenz unter wechselseitiger Kontrolle nachzuzeichnen, wurden die Selbstauskünfte von über 300 Studierenden (WS 2022/23: n1 = 169; WS 2023/24: n2 ≈ 168) anhand multivariater Varianzanalysen mit Messwiederholung ausgewertet.

Zwischenergebnisse zeigen, dass der Lernnutzen und die forschungsbezogene Motivation von einem hohen Ausgangsniveau in einem annähernd u-förmigen Verlauf insgesamt rückläufig waren (übereinstimmend mit Paseka et al., 2022; abweichend von Schmid et al., 2023). In der anfänglich mäßigeren forschungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartung war hingegen eine moderate Steigerung festzustellen (übereinstimmend mit Paseka et al., 2022; abweichend von Besa, 2022). In allen Indikatoren der Forschungskompetenz zeigte sich ein signifikanter Wiederanstieg zum letzten Messzeitpunkt – also in jenem Zeitraum, in dem die Studierenden die Lerninhalte im Sinne forschenden Lernens besonders intensiv auf die eigene Studie anwendeten. Unter Abwägung möglicher Deckeneffekte und Verzerrungen wird diskutiert, welches Potenzial dem Research-based-Blended-Learning-Ansatz und insbesondere dem forschenden Lernen für die Förderung von Forschungskompetenzen im Grundschullehramtsstudium zukommen.



11:05 - 11:40

Professionalisierung im Grundschullehramt durch Forschendes Lernen in den Bildungswissenschaften: WEGE-Projekt „behind the scenes“

Anna Katharina Hein, Henrik Streffer

Universität Münster, Deutschland

Innerhalb des grundschulpädagogischen Diskurses lassen sich derzeit Problemzentren aufzeigen, die sich in der Frage nach professionellen Handlungskompetenzen angehender Grundschullehrer:innen verdichten. Aktuelle Befunde wie etwa die des IQB-Bildungstrends oder der IGLU-Studie zeigen, dass insbesondere im Schulanfang Herausforderungen bestehen, Kinder einerseits darin zu unterstützen, als sozial-emotional kompetente Kinder anschlussfähig in Schule zu starten, andererseits auch Grundlagen zu schaffen, Mindeststandards zu erreichen. Die Grundschule erfährt dabei an der Nahtstelle zwischen vorschulischem und schulischem Lernen eine besondere Rolle, die im Rahmen übergreifender Bildungsprozesse von 0-10 Jahren spezifische Anforderungen an Lehrer:innen stellt (Mammes/Rotter 2022). Die Entwicklung von Anschlussfähigkeit im Übergang präsentiert sich für Grundschullehrkräfte in verschiedenen Handlungsfeldern: (1) in der Unterstützung von Kindern in ihren Anpassungs- und Bewältigungsprozessen (Griebel/Niesel 2020), (2) in der Gestaltung eines kindgerechten Anfangsunterrichts (Röbe 2019), (3) in den daraus hervorgehenden Notwendigkeiten zur Diagnose und Förderung individueller Bildungsbiografien (Schuler et al. 2016) sowie (4) in institutions- und professionsübergreifenden Kooperationen (Streffer 2020).

Entsprechend schließt sich die Forderung nach einer stärkeren Qualifizierung der pädagogischen Fach- und Lehrkräfte für die Diagnose und Förderung anschlussfähiger Entwicklungs- und Bildungsprozesse von Kindern und der damit einhergehenden notwendigen professionsbezogenen Kompetenzen von Lehrkräften in der universitären Ausbildung an (Terhart 2006; SWK 2023). Überdies lässt sich im Handlungsfeld ‚Bildung und Erziehung von 0-10 Jahren‘ das Problem aufzeigen, dass es sich für die jeweiligen Professionen teilweise implizit darstellt und bislang in Ausbildungsphasen nur randständig verankert ist (Henkel/Neuß 2015).

Das Modul Elementarbildung an der Universität Münster bedient mit der Leitkategorie des Forschenden Lernens den Anspruch einer qualitativ hochwertigen und intensiven Bearbeitung dieses zunehmend bedeutsamen Handlungsfeldes (Hein/Streffer 2018) im Bachelorstudium für das Grundschullehramt. Das Projekt ‚WEGE in die Grundschule‘ hat in diesem Modul von 2015 bis 2023 einen Grundstein für eine aktive Auseinandersetzung von Lehramtsstudierenden mit aktuellen Herausforderungen in der Gestaltung eines anschlussfähigen Anfangsunterrichts für Kinder in Transitionsprozessen gelegt. Zudem beinhaltet das bildungswissenschaftliche Studium für das Grundschullehramt in Münster Potentiale für einen spiralcurricularen Aufbau von Elementen des Forschenden Lernens (Hein/Streffer 2018; Tosch 2022), die den Professionalisierungsprozess angehender Lehrkräfte bis zum Abschluss der zweiten Phase der Lehrer:innen-Bildung flankiert. Durch eine frühe Heranführung an qualitative Forschung im eigenen Berufsfeld mit einer zunehmenden Eigenverantwortung bis hin zur Masterarbeit können wiederkehrende Themen vertieft werden.

Ausgewählte Forschungsfragen von Studierenden zeigen, dass sich Studierende durch eine qualitative Auseinandersetzung mit der Perspektive von Kindern sowie Fach- und Lehrkräften in Kita und Schule mit bedeutsamen professionsbezogenen Fragestellungen zu authentischen Problemstellungen kindlicher und schulischer Wirklichkeit ihres späteren Handlungsfeldes auseinandersetzen. Chancen des WEGE-Projekts werden daher sowohl in der frühzeitigen Sensibilisierung angehender Grundschullehrkräfte für die Kindorientierung als Paradigma der Primarstufe (Götz/Sandfuchs 2014) und Beitrag zur Lehrer:innen-Professionalisierung (Baumert/Kunter 2006) als auch hinsichtlich der Herausforderung des professionellen Handelns im Anfangsunterricht unter Ungewissheit aktueller Dynamiken (Cramer/Rothland 2022) gesehen.

Eine Weiterentwicklung des Projekts hinsichtlich möglicher Ausdifferenzierungen solcher Fragestellungen, forschungsmethodischer Diversifizierungsmöglichkeiten und individueller Auseinandersetzungsmöglichkeiten im Rahmen des Forschenden Lernens im Modul werden vorgestellt und diskutiert. Auf Basis einer vergleichenden Perspektive bisheriger Lehr-Lern-Erfahrungen werden Implikationen für die Beforschung der Studierendenperspektive hinsichtlich der Potentiale eines solchen Spiralcurriculums für die Professionalisierung angehender Lehrkräfte zur Diskussion gestellt.



11:40 - 12:10

Professionelles Wissen im Kompetenzmodell COACTIV - Ein heiliger Gral auch für die Grundschule?

Saskia Liebner, Leonora Gerbeshi, Sophia Römer, Lotta Bärtlein, Birte Oetjen, Victoria Wiederseiner, Rebecca Baumann, Selma Cejvan, Petra Ackerlauer, Sabine Martschinke

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland

Professionelle Kompetenzen von Lehrkräften stehen nicht zuletzt seit den Ergebnissen der jüngsten Schulleistungsstudien wieder im Fokus. Gleichwohl es verschiedene theoretische Ansätze zur professionellen Kompetenz von Lehrkräften gibt, hat sich im deutschsprachigen Raum vor allem das Kompetenzmodell COACTIV durchgesetzt, in welchem das Professionswissen als zentrale Komponente beschrieben wird (Baumert & Kunter, 2006). Differenziert in pädagogisch-psychologisches, fachdidaktisches und fachliches Wissen wird das Professionswissen als Voraussetzung für effektives Handeln von Lehrkräften verstanden. Schwerpunktmäßig wurden im Rahmen von COACTIV das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen im Bereich Mathematik in der Sekundarstufe empirisch beforscht (Baumert & Kunter, 2006). Hinsichtlich der spezifischen Anforderungen der Grundschule bleibt unklar, wie sich das Professionswissen von Grundschullehrkräften in den Diskurs verschiedener fachlicher Disziplinen, z.B. (Grund-)Schulpädagogik, Fachdidaktiken und Fachwissenschaften, einordnen lässt. Dies betrifft insbesondere disziplin- und fächerübergreifende Anforderungen, z.B. inklusive Bildung, Demokratiebildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Digitalisierung. Daher ergibt sich aus grundschulpädagogischer Perspektive das Desiderat, inwiefern das COACTIV-Modell geeignet ist, das Professionswissen von Grundschullehrkräften zu konzeptualisieren. Hierzu liegen bisher keine systematischen Überblicksarbeiten vor.

Diesem Desiderat widmet sich das Projekt “Professionelle Kompetenzen in der Grundschule” (Profi-G). Im Rahmen des Vortrags wird ausgewählten Fragestellungen nachgegangen:

(1) Wie viele Veröffentlichungen zum Professionswissen von (angehenden) Grundschullehrkräften können identifiziert werden?

(2) Wie lässt sich das Professionswissen der (angehenden) Grundschullehrkräfte in den identifizierten Publikationen anhand eines deduktiv-induktiv entwickelten Kategoriensystems beschreiben?

Diesen Fragen wurde in einem systematischen Review nachgegangen (Zawacki-Richter, 2020). Für die Recherche wurde auf BASE, PSYNDEX, JSOTR und FISBildung zurückgegriffen. Folgender Boolescher Suchstring wurde verwendet: Wissen AND Profession* OR Pädagog* OR Fach* OR Fachdidakt* AND Grundschul* OR Primar* AND Lehr* OR Ref*. Aufgrund der theoretischen Rahmung des Reviews anhand des COACTIV-Modells von Baumert und Kunter (2006) wurden im Review ausschließlich Publikationen berücksichtigt, die nach 2006 und in deutscher Sprache veröffentlicht worden sind. Das Review wurde entsprechend des PRISMA Flow Diagramms (Page et al., 2021) anhand mehrerer aufeinanderfolgender Screeningschritte mit EPPI Reviewer 6 durchgeführt.

Insgesamt konnten 10.471 Treffer bei der Datenbankrecherche identifiziert werden, wobei nach Ausschluss von Duplikaten 7.361 Beiträge für den Screeningprozess verblieben, die im ersten Schritt anhand der Publikationstitel ausgewählt wurden. Die eingeschlossenen 3.037 Publikationen wurden in einem zweiten Schritt auf Grundlage des Abstracts gesichtet. Für den dritten Schritt wurden anschließend 641 eingeschlossene Publikationen im Volltext recherchiert und gesichtet. Nach Abschluss der drei ersten Screeningschritte wurden 172 Publikationen für die inhaltliche Auswertung identifiziert, wobei im Rahmen einer fortlaufenden Handauslese weitere Publikationen aus beispielsweise nicht identifizierten Sammelwerksbeiträgen hinzugefügt werden. Die Artikel werden aktuell anhand des folgenden vorläufigen deduktiv-induktiv entwickelten Kategoriensystems analysiert und quantifiziert: Schulart (nur Grundschule; Grundschule und weiterführende Schule), Wissensdomäne (z.B. psychologisch-pädagogisches Wissen; fachdidaktisches Wissen; Fachwissen), Unterrichtsfach (z.B. Mathematik; Deutsch; Sachunterricht; überfachlich), Professionalisierungsphase (1., 2. oder 3. Phase; phasenübergreifend), Kompetenzmodell (z.B. COACTIV; anderes Modell), Art des Beitrags (z.B. empirisch; theoretisch).

Im Vortrag werden die ersten Ergebnisse zur Systematisierung aktueller Forschung zum Professionswissen von Grundschullehrkräften präsentiert sowie besonders hinsichtlich der Disziplin- und Fachbezüge diskutiert. Damit schafft dieser Beitrag die Grundlage für weitere Anschlussanalysen im Projekt Profi-G zur Frage, wie das Professionswissen von Grundschullehrkräften für ausgewählte disziplin- und fächerübergreifende Anforderungen der Grundschule theoretisch gerahmt und operationalisiert wird.