Un/ergründliche Wege des Wissenstransfers zwischen Bildungsforschung, Bildungspolitik und Bildungspraxis
Chair(s): Anne Bödicker (PH Karlsruhe, Deutschland), Katharina Weiand (PH Karlsruhe), Juliane Zeiser (PH Karlsruhe)
Diskutant*in(nen): Nicht Namentlich (Hochschule unbekannt)
Mit der bildungspolitischen Forderung nach neuen Formen der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis geht eine Neuausrichtung von Bildungsforschung, -praxis, -verwaltung einher. Neue Wege der Erzeugung und des Transfers von Wissen sollen erprobt und umgesetzt werden. In diesem Symposium werden in drei Inputs die Kernbereiche des Forschungsverbundes LemaS-Transfer vorgestellt. Im ersten Input werden grundlegende konzeptuelle Überlegungen zum Transferkonzept vorgestellt und erste Einblicke in die Ausgestaltung des Transfers gegeben. Im zweiten Input werden konzeptionelle Eckpunkte der partizipativen Vorgehensweise der Forschungsaktivitäten unter Fokussierung auf die Begleit- bzw. Transferforschung erläutert. Im dritten Input wird ein konkretes Forschungsprojekt der partizipativen Schulentwicklungsforschung und ein Ausblick auf die Erforschung von Transfer im Kontext von begabungs- und leistungsförderlicher Gestaltung von Schule und Unterricht vorgestellt.
Das Symposium ermöglicht einen mehrperspektivischen Einblick in einen Forschungsverbund, der er sich zum Ziel gemacht hat, theoretisch wie empirisch Gelingensbedingungen von Transferprozessen sicht- und beschreibbar zu machen.
Beiträge des Symposiums
Transfer durch Multiplikation – Konzeptuelle Rahmungen und empirische Einblicke
Sebastian Engelmann, Mariella Winter PH Karlsruhe
Im ersten Input wird das Transferkonzept von LemaS-Transfer mit Fokus auf Anbahnung der Schul- und Unterrichtsentwicklung in den fünf Jahren Projektlaufzeit in Anlage und Umsetzung vorgestellt (Engelmann/Weiand/Asbrand 2024). Zielgruppendifferenzierte und strukturierte Professionalisierungs- und Unterstützungsangeboten sind in LemaS-Transfer von Bedeutung, denn die Professionalisierung von Lehrpersonen ist zentral für das scaling-up des Wissens aus der ersten Phase (Marx/Pant 2022). Statt einzelne Schulen zu begleiten, werden in LemaS-Transfer Multiplikator:innen durch a) eine Basisqualifikation und b) Begleitung durch Landesinstitute und Forschungsverbund dazu in die Lage versetzt, Netzwerke zu steuern, in denen der realisiert wird. In der Begleitung der Multiplikator:innen durch den Forschungsverbund können wechselseitige Eindrücke in die Arbeit in den Schulnetzwerken diskutiert, Prozesse unterstützt und in den Schulen vorhandene Expertisen gebündelt werden. Das Transferkonzept von LemaS-Transfer verabschiedet sich demnach c) in seiner Anlage von der Idee, dass Wissen eins-zu-ein transferiert werden kann, sondern betont Partizipation und Zusammenarbeit.
Bibliografie
Marx, A./Pant, H. A. (2022): Scaling-Up, Transfer, Transformation – wie können Netzwerke Transferprozesse unterstützen? In: Becker-Mrotzek, M., Roth, H.-J., Grießbach, J., Dewitz, N. von, Schöneberger, C. (Hrsg.): Sprachliche Bildung im Transfer: Konzepte der Sprach- und Schriftsprachförderung weitergeben, S. 37–50. Stuttgart: Kohlhammer.
Engelmann, S./Weiand, K./Asbrand, B. (2024): Partizipative Schulentwicklungsforschung und Transfer im Projekt LemaS-Transfer: „Leistung macht Schule – Transfer in die Schullandschaft“. In: Schwippert, K. (Hrsg.): Transfer – Potenziale und Herausforderungen. Bielefeld: wbv.
Asbrand, B./Bietz, C. (2019): Wissenschaftliche Begleitung und Versuchsschule. Was man aus der Evaluation schulischer Projekte über Schulentwicklung lernen kann. Die deutsche Schule 111/1, S. 78-90.
Quantitative und qualitative Begleitforschung zu Transferprozessen
Anne Bödicker, Katharina Weiand, Juliane Zeiser, Gabriele Weigand PH Karlsruhe
Im zweiten Input werden die methodischen und methodologischen Konsequenzen der partizipativen Ausrichtung von LemaS-Transfer anhand der Arbeit des Bereichs Begleitforschung vorgestellt und diskutiert, welcher die Zusammenarbeit von Schulpraxis, Bildungspolitik und Wissenschaft untersucht. Eine quantitative Surveystudie, qualitative Fokusgruppen sowie eine partizipative Ausrichtung (Bryk 2015) aller Forschungstätigkeiten mit dem Ziel, einseitige Deutungshoheit zu vermeiden und wissenschaftliche Evidenz anschlussfähiger für die pädagogische Praxis zu gestalten (Asbrand/Martens 2021), sind Anliegen der Arbeit im Bereich. Die Begleitforschung zeichnet sich durch ein hohes Maß an thematischer, disziplinärer, theoretischer und methodischer Diversität aus. Wie Partizipation in LemaS-Transfer Form annimmt, wird anhand erster Ergebnisse aus Fokusgruppen mit Lehrpersonen zum Verhältnis von Wissenschaft und Praxis vorgestellt. Die Ergebnisse einer qualitativen Inhaltsanalyse weisen auf ein spannungsreiches Verhältnis mit konkreten Erwartungshaltungen hin, das es bei der Ko-Konstruktion von Wissen zu berücksichtigen gilt (Coburn/Penuel 2016).
Bibliografie
Bryk, A. S. (2015): 2014 AERA Distinguished Lecture: Accelerating How We Learn to Improve. Educational Researcher, 44(9), S. 467–477.
Asbrand, B./Martens, M. (2021): Kollaboration von Wissenschaft und Schulpraxis: Zum Potenzial der dokumentarischen Evaluationsforschung für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. In Zala-Mezö, E., Häbig, J., Bremm, N. (Hrsg.): Die Dokumentarische Methode in der Schulentwicklungsforschung, S. 217–236. Münster/New York: Waxmann.
Coburn, C. E./Penuel, W. R. (2016): Research-practice partnerships in education. Outcomes, dynamics, and open questions. Educational Researcher, 45(1), S. 48–54.
Forschung auf Augenhöhe?! Befunde und Erfahrungen aus partizipativer Schulentwicklungsforschung
Melanie Schubsky, Barbara Asbrand Goethe-Universität Frankfurt
Der dritte Input stellt ein Konzept qualitativ-rekonstruktiver partizipativer Schulentwicklungsforschung vor, das sich in der wissenschaftlichen Begleitung von Versuchsschulen bewährt hat (Asbrand & Bietz 2019) und in der Transferforschung in LemaS-Transfer Anwendung finden wird. Dabei werden Forschung und Schulentwicklung im Sinne der dokumentarischen Evaluationsforschung (Lamprecht 2012) als ein responsiver, diskursiver Austausch von Wissenschaft und Praxis gestaltet, in der die jeweilige Expertise von Forschenden und Praxisakteur:innen anerkannt wird. Im Vortrag wird die Vorgehensweise anhand eines Forschungsbeispiels erläutert. Die multiperspektivisch-längsschnittlich angelegte Forschung in LemaS-Transfer schließt an diese Erfahrungen an und wird der Frage nach Gelingensbedingungen für den Transfer und dem Umgang mit Herausforderungen durch die Praxisakteur:innen nachgehen. Unter Berücksichtigung der Eigenlogik der einzelschulischen Systeme werden dafür Praktiken und Prozesse der Schulentwicklung im Schulalltag der Transfer-Schulen rekonstruiert, sodass Veränderung und Stagnation von Schulentwicklung erklärbar werden.
Bibliografie
Asbrand, B./Bietz, C. (2019): Wissenschaftliche Begleitung und Versuchsschule. Was man aus der Evaluation schulischer Projekte über Schulentwicklung lernen kann. Die deutsche Schule 111/1, S. 78-90.
Lamprecht, J. (2012): Rekonstruktiv-responsive Evaluation in der Praxis. Neue Perspektiven dokumentarischer Evaluationsforschung. Wiesbaden: VS Verlag.
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