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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session I-C: Symposium: (Wahrgenommenes) Disziplin- und Sozialverhalten
Zeit:
Dienstag, 10.09.2024:
13:30 - 15:30

Chair der Sitzung: Boris Eckstein, Pädagogische Hochschule Zürich
Ort: 02/E04


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Präsentationen

(Wahrgenommenes) Disziplin- und Sozialverhalten

Chair(s): Boris Eckstein (Pädagogische Hochschule Zürich, Schweiz)

Diskutant*in(nen): Annedore Prengel (Universität Potsdam)

Das Disziplin- und Sozialverhalten der Schüler:innen sind zentrale, interaktional bedingte Einflussgrößen für die Unterrichtsqualität, den Lernfortschritt der Schüler:innen und die psychische Gesundheit der Lehrpersonen. Die Wahrnehmung dieses Verhaltens durch die Akteure wird beeinflusst von non-behavioralen Merkmalen der Schüler:innen, Personenmerkmalen der Wahrnehmenden und Kontextfaktoren (Eckstein, 2018; Wettstein & Scherzinger, 2022). Das Symposium geht der Frage nach, welches Disziplin- und Sozialverhalten die Schüler:innen im Unterricht zeigen und wie dieses von den Lehrpersonen wahrgenommen wird. Beitrag 1 untersucht in einer Mixed-Methods-Studie das Regelwissen von Schüler:innen und dessen Effekt auf ihr Verhalten. Beitrag 2 analysiert mittels Beobachtungsdaten schülerseitige Unterrichtsstörungen und den lehrkraftseitigen Umgang damit. Beitrag 3 identifiziert auf Basis von Befragungsdaten Bedingungen, unter denen Lehrpersonen ihre Schüler:innen als «verhaltensauffällig» etikettieren. Beitrag 4 ermittelt anhand eines Experiments Möglichkeiten zur Förderung der Verhaltensbeurteilung von Lehrpersonen. In der Diskussion werden Implikationen für Theorie und Praxis erörtert.

 

Beiträge des Symposiums

 

„Nicht kippeln, nicht reinrufen und keinen Blödsinn machen.“ – Die Wahrnehmung schulischer Ordnung und ihr Einfluss auf das Unterrichtsverhalten von Grundschüler*innen

Leon Dittmann, Benjamin Schimke, Claudia Schuchart, Doris Bühler-Niederberger
Bergische Universität Wuppertal

Regeln besagen, welches Verhalten im Rahmen schulischer Ordnung als legitim gilt und lassen sich als die Grundlage für die Produktion regelkonformen Schülerhandelns verstehen (Alter & Haydon, 2017). Ausgehend von einem interaktionistischen Verständnis lässt sich schulische Ordnung als situativ und komplex beschreiben. In einem explorativen Ansatz fokussieren wir die für die Aufrechterhaltung schulischer Ordnung zentrale Perspektive der Kinder. Wir fragen, über welches Regelwissen Grundschüler*innen verfügen und ob dieses Wissen mit ihrem Verhalten im Zusammenhang steht. Für unsere Mixed-Methods-Studie haben wir Verhaltensbeobachtungen in 209 Unterrichtsstunden in 22 ersten Klassen und 149 Interviews mit Schüler*innen durchgeführt. Die inhaltsanalytischen Auswertungen der Interviews zeigen, dass Erstklässler*innen über komplexes Regelwissen zu verbalen Regeln, zur Unterrichtsbeteiligung, dem motorischen Verhalten und zur sozialen Interaktion mit Peers und Lehrkräften verfügen. Die regressionsanalytische Auswertung von Verhaltensbeobachtungen und Regelkenntnis verweist jedoch darauf, dass die Regelkenntnis nicht signifikant mit der Häufigkeit des Störverhaltens zusammenhängt.

Bibliografie

Alter, P., & Haydon, T. (2017). Characteristics of effective classroom rules: A review of the literature. Teacher Education and Special Education, 40(2), 114-127.

 

Beobachtung aktiver und passiver Störungen im klassenöffentlichen Unterrichtsgespräch und der lehrkraftseitige Umgang

Nina C. Jansen, Jasmin Decristan
Bergische Universität Wuppertal

Die Reduktion störenden Verhaltens von Schüler:innen ist ein zentrales Anliegen von Lehrkräften und empirischer pädagogischer Forschung (Thiel, 2016). Jedoch sind das Auftreten aktiven und passiven Störverhaltens von Schüler:innen (Nolting, 2017) und die Frage nach dem differenziellen lehrkraftseitigen Umgang (regulierend, aktivierend) mit diesem in der Unterrichtsinteraktion bislang nicht hinreichend untersucht (Keller, 2014). Daher wurden in diesem Vorhaben Unterrichtsstörungen mit einem niedrig-inferenten Kategoriensystem in 10-minütigen Videosequenzen klassenöffentlicher Unterrichtsgespräche in der Grundschule erfasst (681 Schüler:innen, 3. Jgst., Hardy et al., 2011). Der lehrkraftseitige Umgang wurde ergänzend kodiert. Die Ergebnisse zeigen häufigere passive als aktive Störungen. Für passive Störungen zeigten sich keine Zusammenhänge mit dem lehrkraftseitigen Verhalten, jedoch fanden sich für aktive Störungen Zusammenhänge mit einem regulierenden Umgang (Ermahnungen) durch die Lehrkräfte. Die Befunde werden vor dem Hintergrund der verwendeten Methoden eingeordnet und hinsichtlich ihrer forschungsbezogenen und praktischen Relevanz diskutiert.

Bibliografie

Hardy, I., Hertel, S., Kunter, M., Klieme, E., Warwas, J., Büttner, G. et al. (2011). Adaptive Lerngelegenheiten in der Grundschule. Merkmale, methodisch-didaktische Schwerpunktsetzungen und erforderliche Lehrerkompetenzen. Zeitschrift für Pädagogik, 57(6), 819–833.

Keller, G. (2014). Disziplinmanagement in der Schulklasse. Wie Sie Unterrichtsstörungen vorbeugen und bewältigen (Psychologie-Sachbuch, 3., aktualisierte Auflage). Bern: Verlag Hans Huber. Verfügbar unter: https://elibrary.hogrefe.com/book/99.110005/9783456954578

Nolting, H.‑P. (2017). Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung (14., vollständig überarbeitete Auflage). Weinheim, Basel: Beltz.

Thiel, F. (2016). Interaktion im Unterricht. Stuttgart, Deutschland: utb GmbH. https://doi.org/10.36198/9783838545714

 

Unter welchen Bedingungen etikettieren Lehrpersonen ihre Schüler:innen als «verhaltensauffällig»?

Boris Eckstein1, Urs Grob2, Kurt Reusser2, Alexander Wettstein3
1Pädagogische Hochschule Zürich, 2Universität Zürich, 3Pädagogische Hochschule Bern

Manche Lehrpersonen taxieren ihre Schüler:innen als „verhaltensauffällig“, wenn sich diese in ihren Augen besonders unangemessen benehmen. Dieser Beitrag untersucht Bedingungen dieser informellen Etikettierung (Rocheleau & Chavez, 2015) bei 85 Lehrpersonen bzw. ihren 1412 Schüler:innen (M=11.74 Jahre). Ein Zwei-Ebenen-Strukturgleichungsmodell ermittelte den größten Effekt für die Häufigkeit undisziplinierten Verhaltens der einzelnen Schüler:innen (eingeschätzt von jeweils 4 Mitschüler:innen). Darüber hinaus fanden sich Effekte für das Geschlecht und die selbstzugeschriebene Lernfähigkeit der einzelnen Schüler:innen. Auf Ebene 2 wurden Effekte ermittelt für die Störungsempfindlichkeit und das Stresserleben der Lehrpersonen (Selbsteinschätzungen); zwei vermutete Kontexteffekte erwiesen sich als nicht signifikant. Fazit: Die Etikettierungstendenzen der Lehrpersonen beruhen zwar weitgehend auf dem tatsächlichen Verhalten der Schüler:innen – teilweise aber auch auf wahrnehmungspsychologischen Verzerrungen, z.B. Halo-Effekt (Stang & Urhahne, 2016), stereotype Überzeugung (Anderson et al., 2012). An der Konferenz werden Implikationen dieser Ergebnisse für Theorie und Praxis diskutiert.

Bibliografie

Anderson, D. L., Watt, S. E. & Noble, W. (2012). Knowledge of Attention Deficit Hyperactive Disorder (ADHD) and Attitudes Toward Teaching Children With ADHD: The Role of Teaching Experience. Psychology in the Schools, 49(6), 511-525. https://doi.org/doi.org/10.1002/pits.21617

Rocheleau, G. C. & Chavez, J. M. (2015). Guilt by association: The relationship between deviant peers and deviant labels. Deviant Behavior, 36(3), 167-186. https://doi.org/10.1080/01639625.2014.923275

Stang, J. & Urhahne, D. (2016). Wie gut schätzen Lehrkräfte Leistung, Konzentration, Arbeits-und Sozialverhalten ihrer Schülerinnen und Schüler ein? Ein Beitrag zur diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 63, 204-219. https://doi.org/10.2378/peu2016.art18d

 

Kompetenzförderung von Lehramtsstudierenden zur Beurteilung störungskritischer Merkmale bei herausforderndem Schüler:innenverhalten durch den Einsatz der funktionalen Verhaltensanalyse

Sarah Burkhardt, Anja Böhnke, Maxie Kilbury, Felicitas Thiel
Freie Universität Berlin

Theoretischer Hintergrund und Fragestellung. Lehrkräfte haben Schwierigkeiten, herausforderndes Verhalten von Schüler:innen einzuordnen und adäquat darauf zu reagieren (Freeman et al., 2014, Thiel, 2016). Die funktionale Verhaltensanalyse (FVA) unterstützt dabei, Verhalten hinsichtlich bedingender Faktoren zu beurteilen (=störungskritische Merkmale) (Brodersen et al., 2022; Hanisch et al., 2020). Der Beitrag fokussiert die Frage, inwiefern die Beurteilungskompetenz von Lehramtsstudierenden hinsichtlich störungskritischer Merkmale durch den Einsatz der FVA gefördert wird.

Methode. In einem RCT-Design mit 317 Lehramtsstudierenden durchlief die Interventionsgruppe (IG) die digitale Selbstlernumgebung zur FVA und bearbeitete staged Videofälle mit der FVA, wohingegen die Kontrollgruppe (KG) zuerst die Videofälle bearbeitete und anschließend die Selbstlernumgebung durchlief. Die Studierenden beschrieben die störungskritischen Merkmale des Verhaltens.

Ergebnisse. Erste Ergebnisse eines Videofalls zeigen, dass die IG (n=156; M=3.44; SD=2.05) im Vergleich zur KG (n=152; M=2.36; SD=1.69) mehr störungskritische Merkmale explizieren konnte (t(297.82)=5.10, p<.001, d=0.58).

Bibliografie

Brodersen, G., Grabowski, F. & Castello, A. (Hrsg.). (2022). Handbuch der sonderpädagogischen Diagnostik. Grund-lagen und Konzepte der Statusdiagnostik, Prozessdiagnostik und Förderplanung. SORCK‐Modell: Verhaltensanalyse als Ausgangspunkt für eine Förderplanung. Universität Regensburg. https://doi.org/10.5283/EPUB.53149

Freeman, J., Simonsen, B., Briere, D. E. & MacSuga-Gage, A. S. (2014). Pre-Service Teacher Training in Classroom Management. Teacher Education and Special Education: The Journal of the Teacher Education Division of the Council for Exceptional Children, 37(2), 106–120. https://doi.org/10.1177/0888406413507002

Hanisch, C., Eichelberger, I., Richard, S. & Doepfner, M. (2020). Effects of a modular teacher coaching program on child attention problems and disruptive behavior and on teachers’ self-efficacy and stress. School Psychology International, 41(6), 543–568. https://doi.org/10.1177/0143034320958743

Thiel, F. (2016). Interaktion im Unterricht: Ordnungsmechanismen und Störungsdynamiken. UTB: Bd. 4571. Verlag Barbara Budrich.



 
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