Standardisierte Messverfahren zur Erfassung situationsspezifischer Fertigkeiten – bisherige Erfahrungen und Herausforderungen für die Zukunft
Chair(s): Simone Dunekacke (Freie Universität Berlin), Lena Hollenstein (Pädagogische Hochschule St.Gallen, Schweiz)
Diskutant*in(nen): Rebekka Stahnke (IPN, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaft und Mathematik)
Situationsspezifische Fertigkeiten werden als Bindeglied zwischen Wissen und Handlung konzeptualisiert und sind zentral für das professionelle Handeln von Fach- und Lehrpersonen. Die empirische Erfassung dieser Fertigkeiten stellt jedoch eine Herausforderung dar, z.B. weil standardisierte Verfahren zur zuverlässigen Messung fehlen. Verschiedene Ansätze, wie die Nutzung von Text-, Bild- oder Videovignetten, wurden entwickelt, bedürfen aber weiterer Forschung. Das geplante Symposium soll drei Ansätze zur Messung vorstellen und die damit verbundenen Herausforderungen diskutieren. Im ersten Beitrag von Dunekacke und Kolleg*innen werden situationsspezifische Fertigkeiten im Bereich Mathematik von frühpädagogischen Fachkräften mittels Illustrationen erfasst. Im zweiten Beitrag von Bruns und Gasteiger wird situative Beobachtung und Wahrnehmung frühpädagogischer Fachpersonen im Bereich Mathematik mittels Videovignetten erhoben. Im dritten Beitrag von Hollenstein und Kolleg*innen steht ein interaktiver videobasierter Test zur Erfassung situationsspezifischer Fertigkeiten im Bereich der Klassenführung im Fokus. Das Symposium wird von Dr. Rebekka Stahnke übergreifend diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Erfassung mathematikbezogener situationsspezifischer Fertigkeiten mit Bildvignetten – Ein Ansatz für frühpädagogische Fachkräfte
Simone Dunekacke1, Lisa Starcke1, Julia Barenthien2, Mirjam Steffensky2, Aiso Heinze3 1Freie Universität Berlin, 2Universität Hamburg, 3IPN Kiel
Situationsspezifische Fertigkeiten mediieren zwischen Dispositionen und Performanz. Situationswahrnehmung ist die Wahrnehmung von mathematikhaltigen Lernsituationen im Kita-Alltag, Handlungsplanung die Antizipation einer didaktisch begründeten Handlung. Es haben sich mehrere Ansätze zur Erfassung der Fertigkeiten etabliert. Vorgestellt wird ein Bildvignettenbasierter Ansatz zur Erfassung mathematikbezogener Fertigkeiten angehender Erzieher:innen: 1) Kann mit dem Instrument die zweidimensionale Struktur der Fertigkeiten repliziert werden? 2) Kann die Qualität der Handlungsplanungen erfasst werden. Das Instrument besteht aus 4 Vignetten. Die Wahrnehmung wird mit 8 und die Planung mit 6 offenen Items erfasst (κ = .64 - 1.00). Es liegen Daten von 233 Personen vor. Mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse liess sich die zweidimensionale Struktur replizieren (r=.68, SE=0.11, p<.001; αWahrnehmung=.71; αPlanung=.58). Die Handlungsplanungen lassen sich mit kognitiv aktivierenden als auch weniger aktivierende Indikatoren beschreiben. In der Diskussion werden die Vor- (z.B. Akzeptanz) und Nachteile (z.B. Komplexität) zusammengefasst.
Bibliografie
Blömeke, S., Gustafsson, J. E. & Shavelson, R. J. (2015). Beyond Dichotomies: Competence viewed as a continuum. Zeitschrift für Psychologie, 223(1), 3–13. https://doi.org/10.1027/2151-2604/a000194.
Gasteiger, H., & Benz, C. (2016). Mathematikdidaktische Kompetenz von Fachkräften im Elementarbereich – Ein theoriebasiertes Kompetenzmodell, Journal für Mathematik-Didaktik, 37(2), 263–287. https://doi.org/10.17877/DE290R-17392.
Hüttel, C. & Rathgeb-Schnierer, E. (2014). Lernprozessgestaltung in mathematischen Bildungsangeboten. In D. Kucharz, K. Mackowiak, S. Ziroli, A. Kauertz, E. Rathgeb-Schnierer & M. Dieck (Hrsg.), Professionelles Handeln im Elementarbereich (PRIMEL): Eine deutsch-schweizerische Videostudie (S. 145–166). Waxmann.
Situative Beobachtung und Wahrnehmung frühpädagogischer Fachpersonen im Bereich Mathematik erfassen
Julia Bruns1, Hedwig Gasteiger2 1Universität Paderborn, 2Universität Osnabrück
Frühe mathematische Bildung findet in der Kindertagesstätte hauptsächlich in spontanen Alltagssituationen statt. Damit diese Situationen zu natürlichen Lerngelegenheiten für die Kinder werden, müssen (angehende) frühpädagogische Fachkräfte das mathematische Potenzial in diesen Situationen erkennen. Entsprechend gilt die Fähigkeit zur situativen Beobachtung und Wahrnehmung (SBW) als zentrale Kompetenzfacette frühpädagogischer Fachkräfte. Zur empirischen Untersuchung der SBW wurde das videobasierte Testinstrument Vimas_num mit einem Fokus im Bereich Mengen und Zahlen entwickelt. Auf Basis mehrerer Studien mit (angehenden) frühpädagogischen Fachkräften wird die Validität verschiedener Aspekte der Testwertinterpretation von Vimas_num betrachtet. Neben Hinweisen auf die Validität in Bezug auf den Testinhalt und die interne Struktur des Tests stehen in diesem Beitrag Zusammenhänge mit theoretisch verbundenen Konstrukten im Fokus. Dabei zeigen sich Zusammenhänge zwischen der SBW und dem mathematikdidaktischen Wissen sowie, entgegen bisherigen Befunden, zwischen der SBW und dem fachlichen Wissen angehender frühpädagogischer Fachkräfte im Bereich Mathematik.
Bibliografie
Bruns, J., Strahl, C. & Gasteiger, H. (2021). Situative Beobachtung und Wahrnehmung angehender frühpädagogischer Fachpersonen im Bereich Mathematik – Entwicklung und Validierung eines Testinstruments. Unterrichtswissenschaft, 49, 345–371. https://doi.org/10.1007/s42010-020-00091-7
Gasteiger, H., & Benz, C. (2016). Mathematikdidaktische Kompetenz von Fachkräften im Elementarbereich – Ein theoriebasiertes Kompetenzmodell, Journal für Mathematik-Didaktik, 37(2), 263–287. https://doi.org/10.17877/DE290R-17392
Interaktive, standardisierte Messung situationsspezifischer Fähigkeiten im Bereich Klassenführung
Lena Hollenstein1, Angela Jochum1, Andreas Bach2, Christian Brühwiler1, Johannes König3 1Pädagogische Hochschule St.Gallen, 2Paris Lodron Universität Salzburg, 3Universität zu Köln
Effiziente Klassenführung ist entscheidend für erfolgreichen Unterricht (z.B. Helmke, 2017). Es fehlt allerdings an evidenzbasierten Erkenntnissen zur Entwicklung von Klassenführungskompetenzen im Studium und Berufseinstieg. Gegenwärtige Forschungsansätze erweisen sich als vielversprechend, die sich auf die Verwendung von video-basierten Teststimuli konzentrieren. Situationsspezifischen Fähigkeiten, welche als vermittelnde Konstrukte zwischen dem deklarativen Wissen und der Performanz gesehen werden (Blömeke et al., 2015), sind dabei im Fokus. Der geplante Beitrag präsentiert Ergebnisse aus dem TCM-Projekt (Teacher Classroom Management; König et al., 2024/im Druck) mit N = 1200 angehenden Lehrkräften aus den drei Ländern (Deutschland, Österreich und Schweiz). Ergebnisse zur Validierung eines neu entwickelten Testverfahrens, welches standardisiert und interaktiv die situationsspezifischen Fähigkeiten von angehenden Lehrpersonen im Bereich Klassenführung werden vorgestellt. Die Ergebnisse werden in Bezug auf die Erfassung und die Bedeutung von situationsspezifischen Klassenführungskompetenzen am Ende der Lehrpersonenausbildung für einen erfolgreichen Berufseinstieg diskutiert.
Bibliografie
Blömeke, S., Gustafsson, J. E. & Shavelson, R. J. (2015). Beyond Dichotomies: Competence viewed as a continuum. Zeitschrift für Psychologie, 223(1), 3–13. https://doi.org/10.1027/2151-2604/a000194.
Helmke, A. (2017). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Klett-Kallmeyer.
König, J., Bach, A., Brühwiler, C., Heine, S., Hollenstein, L., Jochum, A., Katstaller, M., Sachs, I., Volk, S., & Biedermann, H. (2024/im Druck). Professionelle Lehrkompetenz für eine effektive Klassenführung – Konzeption im Projekt TCM zur Untersuchung von Wirksamkeit der Lehrer*innenbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In J. König, C. Hanisch, P. Hanke, T. Hennemann, K. Kaspar, M. Martens, & S. Strauß (Hrsg.), Auf die Lehrperson und ihren Unterricht kommt es an. Zehn Jahre empirische Professions- und Unterrichtsforschung im IZeF der Universität zu Köln. Waxmann.
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