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Sitzungsübersicht
Sitzung
Session I-A: Symposium: Queere Perspektiven auf schulische Bildung
Zeit:
Dienstag, 10.09.2024:
13:30 - 15:30

Chair der Sitzung: Sonja Nonte, Osnabrück Universität
Ort: 11/212


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Präsentationen

Queere Perspektiven auf schulische Bildung – Chancen und Herausforderungen für Lehrkräfte

Chair(s): Sonja Nonte (Universität Osnabrück)

Diskutant*in(nen): Judith Conrads (Katholische Hochschule Nordrhein-Westfahlen)

Der gesellschaftliche Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt verändert sich. Während Antidiskriminierungsgesetze und die gleichgeschlechtliche Ehe verabschiedet wurden, zeigen sich auch gegenteilige Tendenzen, wie eine Erhöhung LSBTIQ*-feindlicher Straftaten (Lüter et al., 2022). In Machtsysteme integriert können Geschlecht und Sexualität daher als politische Kategorien verstanden werden, die manche Individuen privilegieren und andere unterdrücken (Rubin, 2003). Queertheoretische Perspektiven wollen dabei diese und Machtmechanismen analysieren und Normalitätsvorstellungen dekonstruieren. Seit den 1990ern finden diese Ansätze in der Erziehungswissenschaft Beachtung und gewinnen an Aufmerksamkeit (Hartmann et al., 2017). Auch die folgenden Einzelbeiträge lassen sich in diesem Bereich verorten. Florian Klenk rekonstruiert die Deutungsmuster von Lehrkräften hinsichtlich der Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Marvin Jansen zeigt, dass schwule Jugendliche trotz einer scheinbar toleranteren Gesellschaft weiterhin Differenzerfahrungen machen. Mario Mallwitz fokussiert Berufserfahrungen queerer Lehrkräfte vor dem Hintergrund ihrer Biografie.

 

Beiträge des Symposiums

 

LSBTIQ* im Lehrer*innenzimmer? Eine Deutungsmusteranalyse über die Thematisierung vielfältiger geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen im Schulalltag

Florian Cristóbal Klenk
Europa-Universität Flensburg

Während die schulischen Differenz- und Diskriminierungserfahrungen von LGBT(IQ*)-Jugendlichen im europäischen und nationalen Kontext (Krell & Oldemeier, 2017) seit den 2010er Jahren sukzessiv erschlossen werden, finden die Perspektiven von Lehrkräften auf Geschlecht und Sexualität, in der Schul- und Unterrichtsforschung bislang weniger Beachtung (Siemoneit, 2021). Diesem Desiderat widmet sich die qualitativ-empirische Studie, die im hiesigen Vortrag präsentiert wird. In dieser wurden auf Basis diskursiver Interviews mit cis-, trans- und inter-geschlechtlichen sowie hetero-, bi- und homosexuellen Lehrpersonen soziale Deutungsmuster (Bögelein & Vetter, 2019) über den professionellen Umgang mit und die Thematisierung von vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Lebensweisen rekonstruiert. Anhand ausgewählter empirischer Ergebnisse wird dargelegt, wie Lehrkräfte in Rekurs auf die sozialen Deutungsmuster der Dethematisierung, Fragmentierung und Responsibilisierung jeweils unterschiedliche Dimensionen der institutionellen Zuständigkeit und pädagogischen Verantwortung gegenüber vielfältigen Lebensweisen aushandeln und diskursiv legitimieren.

Bibliografie

Bögelein, N., & Vetter, N. (Hrsg.). (2019). Der Deutungsmusteransatz. Einführung - Erkenntnisse - Perspektiven. Grundlagentexte Methoden. Beltz Juventa.

Krell, C., & Oldemeier, K. (2017). Coming-out - und dann . .?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Barbara Budrich.

Siemoneit, J. K. M. (2021). Schule und Sexualität. Pädagogische Beziehung, Schulalltag und sexualerzieherische Potenziale. Transcript.

 

Zwischen Unterwerfung und Ent-Unterwerfung – schulische Differenzerfahrungen schwuler Heranwachsender

Marvin Jansen
Europa-Universität Flensburg

Trotz einer gesamtgesellschaftlich gestiegenen Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt (Klocke, 2022) ist Schule stets ein (post-)heteronormativer Ort, in dem homonegative Strukturen reproduziert werden: durch ambivalente Verhaltensweisen gegenüber schwulen Jungen (Klocke, 2012) oder durch verbale Anfeindungen (Scheibelhofer, 2018).

Am Beispiel des Dissertationsprojekts zu Paarbeziehungen schwuler Männer (Jansen, i.E.) soll exemplarisch aufgezeigt werden, wie schwule cis Jungen trotz gesellschaftlicher Wandlungsprozesse täglichen Differenzerfahrungen ausgesetzt sind. Durch zehn narrativ-biografische Interviews (Schütze, 1977), die biografisch-fallrekonstruktiv (Rosenthal, 2014) ausgewertet wurden, konnten neben partnerschaftlichen auch schulische Herausforderungen, wie z.B. der Umgang mit ambivalenten Männlichkeitserwartungen, rekonstruiert werden.

Mit Bezug auf Butlers Subjektivationstheorie (Butler, 2001) ist zu erkennen, wie schwule Jungen durch Unterwerfung und Ent-Unterwerfung soziale Anforderung in der Schule bewältigen. Eine zu diskutierende Frage ist an dieser Stelle, welche Anforderungen daraus resultierend an Schule, insb. an Lehrkräfte gestellt werden.

Bibliografie

Butler, J. (2001). Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Suhrkamp.

Jansen, M. (i.E.). Paarbeziehung schwuler Männer im 21. Jahrhundert – Herausforderung – Bewältigung –Bildung. Diss. Flensburg: Europa-Universität Flensburg/Institut für Erziehungswissenschaften.

Klocke, U. (2022). Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in Schule und Unterricht: Eine Expertise zu Forschungsbedarfen für das Bundesministerium für Bildung und Forschung. https://www.psychology.hu-berlin.de/de/1695813/57490/

klocke_2022_umgang-mit-geschlechtlicher-und-sexueller-vielfalt.pdf [Zuletzt aufgerufen am 28.02.2024]

Klocke, U. (2012). Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen. Eine Befragung zu Verhalten, Einstellungen und Wissen zu LSBT und deren Einflussvariablen. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.

Scheibelhofer, P. (2018). „Du bist so schwul!“ Homophobie und Männlichkeit in Schulkontexten. In Arzt, S., Brunnauer, C., Schartner & B. (Hrsg.), Sexualität, Macht und Gewalt. Anstöße für die sexualpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (S. 35-50). Springer VS.

Rosenthal, G. (2014). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung (Grundlagentexte Soziologie) (4. Aufl.). Beltz Juventa.

Schütze, F. (1977). Die Technik des narrativen Interviews in Interaktionsfeldstudien: dargestellt an einem Projekt zur Erforschung von kommunalen Machtstrukturen (Bd. 1). Universitätsverlag Bielefeld.

 

Queere Lehrkräfte im heteronormativen Arbeitsumfeld

Mario Mallwitz
Universität Osnabrück

Wie bereits dargestellt, kann die Schule als (post-)heteronormativer Ort betrachtet werden. Während der Fokus von Forschungsarbeiten bspw. Auf Unterrichtsimplikationen (u.a. Spahn & Wedl 2018) liegt, betrachten nur vereinzelt Studien im deutschsprachigen Raum die Perspektive Queerer Lehrkräfte (ADS, 2017 Klenk 2023). Darauf basierend widmet sich dieses Dissertationsprojekt, in dessen Rahmen biografische Interviews mit sich ‚queer‘ positionierenden Lehrkräften geführt und mittels der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2021) ausgewertet werden, dem Verhältnis von Identität und Professionalität. Ziel der noch andauernden Forschung ist es, Perspektiven praxeologischer sowie biografischer Professionalisierungsansätze zu kombinieren, um die Bedeutung (berufs-)biografischer Orientierungen für die Professionalisierung herauszuarbeiten. Erste Ergebnisse bestätigen die Präsenz heteronormativer Strukturen, offenbaren jedoch unterschiedliche Umgangsweisen und Wahrnehmungen der eigenen Sexualität im Arbeitskontext. Erste Auswertungen zeigen, dass die Befragten teils aktivistisch-aufklärerische Ansätze verfolgen. Für andere scheint die nicht normative Sexualität wenig relevant im Schulkontext.

Bibliografie

Antidiskriminierungsstelle des Bundes. (2017). LSBTIQ*-Lehrkräfte in Deutschland: Diskriminierungserfahrungen und Umgang mit der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität im Schulalltag. Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Bohnsack, R.(2021). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methode (10. Aufl.). Barbara Budrich.

Klenk, F. C. (2023). Post-Heteronormativität und Schule. Soziale Deutungsmuster von Lehrkräften über vielfältige geschlechtliche und sexuelle Lebensweisen. Opladen

Spahn, A., & Wedl, J. (2018). Schule lehrt lernt Vielfalt. Praxisorientierte Tipps für Homo-, Bi-, und Inter*freundlichkeit in der Schule. Waldschlösschenverlag.



 
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